Zertifizierte Imame und vegane Kasperlis

Der Ruf nach einer «Zer­ti­fi­zie­rung» von Ima­men, die hier­zu­lande in Moscheen pre­di­gen, ist nicht neu. Jüngst hat ihn Saki Hali­lo­vic, sel­ber Imam und Vor­stands­mit­glied der Ver­ei­ni­gung der Isla­mi­schen Orga­ni­sa­tio­nen Zürich, in der Radio­sen­dung Echo der Zeit wie­der ins Gespräch gebracht.

Er schlägt vor, dass Gemein­den und isla­mi­sche Dach­or­ga­ni­sa­tio­nen gemein­sam einen Kata­log mit Kri­te­rien erstel­len, die als Grund­lage für die Zer­ti­fi­zie­rung die­nen. Nur wer diese Kri­te­rien erfüllt, darf künf­tig in Schwei­zer Moscheen pre­di­gen. Damit hätte man ein Label zur Ver­hin­de­rung isla­mi­sti­scher Radi­ka­li­sie­run­gen – dies die Hoffnung.

Ohne Frage: In der heu­ti­gen Zeit sind stan­dar­di­sierte Kon­trol­len, Güte­sie­gel und Zer­ti­fi­kate uner­läss­lich. Es braucht Ori­en­tie­rungs­hil­fen und ver­bind­li­che Mass­stäbe. Der ein­zelne Mensch hat längst kei­nen Über­blick mehr. In einer glo­ba­li­sier­ten Welt ist es unmög­lich, alles sel­ber zu kon­trol­lie­ren, zurück­zu­ver­fol­gen, zu beur­tei­len. Statt­des­sen ver­trauen wir in Excel-Tabel­len, Dekla­ra­tio­nen und Labels. 

Das hat Vor­teile: Genormte Ver­fah­ren und Zer­ti­fi­kate geben Sicher­heit. Aller­dings trügt diese allzu oft. Bekann­te­stes Bei­spiel dafür ist der Skan­dal um die gefälsch­ten Abgas­werte bei den Die­sel­mo­to­ren. Doch das ist bloss die kleine Spitze eines rie­si­gen Eisbergs.

Beim Die­sel­skan­dal han­delt es sich um einen plum­pen und gro­ben Betrug von Sei­ten der Pro­du­zen­ten. Der aller­dings auch nur mög­lich war, weil an ent­schei­den­der Stelle nicht nach­ge­fragt und nach­ge­prüft wurde. Es ist ein­fa­cher, einer Dekla­ra­tion zu ver­trauen, als stän­dig zu hinterfragen.

Allzu oft ist des­halb gerade der Homo Con­su­mens ein ein­fa­ches und wil­li­ges Opfer, das sich noch so gerne betrü­gen lässt. Oder sich sel­ber betrügt. Ein Bei­spiel dafür sind die fair­trade-zer­ti­fi­zier­ten Nes­presso-Kap­seln, die erst noch rezi­k­lier­bar sind…

Und schon unter­liegt man einem Trug­schluss: Je mehr Nes­presso-Kap­seln rezi­k­liert wer­den, desto bes­ser für die Umwelt. Oder: Je mehr gela­bel­ter Kaf­fee, Bio-Qui­noa oder zer­ti­fi­zierte Rosen hier­zu­lande kon­su­miert wer­den, desto bes­ser für die Pro­du­zen­tIn­nen im fer­nen Süden. Ohne zu hin­ter­fra­gen, ob dem wirk­lich so sei. Schliess­lich zahlt man ja für das zer­ti­fi­zierte Pro­dukt mehr als für das unge­la­belte – das reicht den mei­sten schon, für ein gutes Gewissen.

Natür­lich kau­fen auch wir nur fair gehan­delte Bio­ba­na­nen, Fisch mit dem MSC-Güte­sie­gel, unsere Holz­mö­bel sind FSC-zer­ti­fi­zert. Und als Weih­nachts­ge­schenk für die Klein­sten gibt es die­ses Jahr Hand­pup­pen von Kal­li­sto: Die her­zi­gen Elefanten‑, Zie­gen- oder Eulen­kas­per­lis sind näm­lich nicht bloss aus Bio-Baum­wolle her­ge­stellt, son­dern – laut Auf­schrift – sogar VEGAN

Sol­che Dekla­ra­tio­nen, Labels und Zer­ti­fi­kate beru­hi­gen nicht nur, sie ver­mit­teln ein­fach ein gutes Gefühl. Offen bleibt jedoch, wie­viel sie – aus­ser den Zer­ti­fi­zier­erungs­agen­tu­ren und uns sel­ber – nüt­zen. Eine nicht ganz zu ver­nach­läs­si­gende Frage, auch wenn es um die Zer­ti­fi­zie­rung von Ima­men geht.

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