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Die beste Armee der Welt

Frei­tag­abend im heis­sen, über­füll­ten Zug von Bern nach Zürich. Tou­ri­stIn­nen aus Asien, afri­ka­ni­sche Stu­den­tin­nen, heim­keh­rende Wan­de­rer und dösende Pend­ler. Vor allem aber grö­lende junge Män­ner, die sich in den Abtei­len und Gän­gen breit machen. Jeder mit einer Bier­dose in der Hand, man­che mit umge­häng­tem Sturmgewehr.

Was die Frem­den wohl über die Inva­sion die­ser unge­ho­bel­ten Kerle im idyl­li­schen Schweiz­er­land den­ken? Sol­da­ten in Kriegs­mon­tur, ange­hei­tert und bewaff­net. Im Pro­spekt stand davon jeden­falls nichts, und auch nicht im Reiseführer.

Die jun­gen Her­ren sind pein­lich und laut. Nicht ein­mal die Musik vom iPot hilft – weg hören geht nicht. Und zuhö­ren ist ätzend, ihre vom Alko­hol beflü­gelte Unter­hal­tung dreht sich unun­ter­bro­chen um das, wor­über Rekru­ten und Sol­da­ten auf dem Weg ins Wochen­ende schon immer gere­det haben: Essen, Hel­den­ta­ten, skur­rile Vor­ge­setzte und Frauen.

Bis einer laut­hals ver­kün­det: «Lange habe ich’s nicht begrif­fen – doch jetzt ver­stehe ich, was Murer Üelu mit der besten Armee der Welt meint.» Eine absurde Vor­stel­lung – die beste Armee der Welt, denke ich. Umso mehr, als ich gerade von real exi­stie­ren­den Sol­da­ten die­ser Besten aller Armeen umzin­gelt bin.

Doch sogleich werde ich eines Bes­se­ren belehrt. Wäh­rend der Zug durch den som­mer­li­chen Schwei­zer Abend rast, hebt der junge Mann im Abteil nebenan zu einer ein­drück­li­chen – und über­zeu­gen­den – Ode an die Schwei­zer Armee an.

«In jenen Län­dern», beginnt er, «wo sich Sol­da­ten frei­wil­lig für den Mili­tär­dienst ent­schei­den, besteht die Armee aus lau­ter Mili­tär­köp­fen und Kampf­säuen.» Diese wür­den sofort, hem­mungs­los und vol­ler Freude zuschla­gen, sobald einer den ersehn­ten Befehl erteile.

«In der Schweiz hin­ge­gen, sind die mei­sten, die Dienst lei­sten, nega­tiv ein­ge­stellt, gegen­über Mili­tär und Krieg», tönt es wei­ter. Falls hier­zu­lande je einer auf die Idee kom­men sollte, den Befehl zum Angriff zu ertei­len, stosse er erst ein­mal auf erbit­ter­ten Wider­stand. «Bevor unsere Jungs etwas tun, was ein Vor­ge­setz­ter von ihnen ver­langt, kif­fen sie zuerst ein­mal eine Runde. Um sich anschlies­send drei­mal zu über­le­gen, ob sie wirk­lich gehor­chen und zuschla­gen wollen.»

Eine sol­che Armee ver­hin­dert Kriege, statt sie bloss zu gewin­nen. So ein­fach ist das. Warum bloss ist bis­her kei­ner auf die Idee gekom­men, diese her­aus­ra­gende Eigen­schaft bei der UNO und in allen Staa­ten, denen wir unsere guten Dien­ste so gerne anbie­ten, zu pro­pa­gie­ren? Gerade diese Woche hätte sich in China eine wun­der­bare Gele­gen­heit geboten!

Die Schwei­zer Armee als Vor­bild für alle ande­ren Armeen der Welt. Das ist Swiss­ness im besten Sinn! Und hat das Poten­zial, dem Frie­den in die­ser Welt end­lich zum Durch­bruch zu ver­hel­fen. – Zum Glück haben wir sie nicht abge­schafft, geht mir unver­hofft durch den Kopf. Das Gegröle um mich herum tönt plötz­lich wie Schal­mei­en­klang. Und heim­lich, ganz leise, bin ich sogar ein wenig stolz, auf diese pöbeln­den Soldaten…

Der letzte Revolutionär

Die mei­sten Welt­ver­bes­se­rer, die in jun­gen Jah­ren auf Demos und in lin­ken oder gar revo­lu­tio­nä­ren Ver­ei­ni­gun­gen für eine bes­sere Welt ein­ge­stan­den sind, haben ihre dama­li­gen Ideale längst ver­ra­ten. Wie viele von ihnen sind im Lauf der Zeit den Annehm­lich­kei­ten eines regel­mäs­si­gen Salärs erle­gen, haben den Marsch durch die Insti­tu­tio­nen ange­tre­ten und sich arrangiert. 

Die­je­ni­gen, die sich immer noch und kon­se­quent für soziale Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen sowie eine gerech­tere Ein­kom­mens­ver­tei­lung enga­gie­ren, kämp­fen oft auf ver­lo­re­nem Posten. Ab und zu gelingt ein klei­ner Erfolg. Aber die grosse Revo­lu­tion ist bis­her nicht nur aus­ge­blie­ben, son­dern in weite Ferne gerückt. Das Sagen haben die Rei­chen und Mäch­ti­gen, die ihren Reich­tum und ihre Macht auf Kosten der andern erfolg­reich zu meh­ren wissen.

Um die­ser Ent­wick­lung Ein­halt zu gebie­ten, braucht es mehr als guten Wil­len und Durch­hal­te­ver­mö­gen. Mit blos­ser Inte­gri­tät und dem Sam­meln von Unter­schrif­ten ist den nega­ti­ven Aus­wüch­sen des wuchern­den Kapi­ta­lis­mus nicht bei­zu­kom­men – das hat die Geschichte längst gezeigt. Wer der immer stär­ker aus­ein­an­der klaf­fen­den Schere bei­kom­men und sei­nen Kin­dern eine bes­sere Welt hin­ter­las­sen will, muss zu dra­sti­schen Mit­teln grei­fen. Dies die Ein­sicht jenes Man­nes, der wie kein ande­rer in der Schweiz, mit Raf­fi­nesse und Weit­sicht genau die­ses Ziel kon­se­quent und mit Erfolg verfolgt.

Sein jüng­ster Coup ist ein­mal mehr ein Beweis dafür, dass der Mann keine Mühen und Wider­wär­tig­kei­ten scheut, um die Sache der Gerech­tig­keit voran zu trei­ben, und die Men­schen in der trä­gen Schweiz auf­zu­rüt­teln: Indem er näm­lich von sei­nem ehe­ma­li­gen Arbeit­ge­ber fünf Mil­lio­nen Fran­ken für «Über­gangs­lei­stun­gen» und künf­tig ein Bera­ter­ho­no­rar in der Höhe von 25’000 Dol­lar pro Tag akzep­tiert, hat er nicht nur sich, son­dern vor allem die Dis­kus­sion um Lohn­ge­rech­tig­keit, ein­mal mehr ziel­si­cher in die Schlag­zei­len gebracht.

Sein Kal­kül ist auf­ge­gan­gen: Der umtrie­bige SP-Natio­nal­rat Céd­ric Wer­muth zum Bei­spiel, hat sogleich aus­ge­rech­net, dass 25’000 Dol­ler pro Tag einem Stun­den­lohn von 3’400 Dol­lar ent­spricht und das ein­drück­li­che Resul­tat auf Face­book gepo­stet, mit einem Link zur Web­seite der 1:12-Initiative.

Was zeigt, dass die NZZ zu recht befürch­tet: «Die Befür­wor­ter der 1:12-Initiative rei­ben sich die Hände:» Mit dem Vor­wurf hin­ge­gen, dass sich der Ver­wal­tungs­rat von Nov­ar­tis und des­sen Ex-Prä­si­dent um das poli­ti­sche Gesche­hen in der Schweiz fou­tie­ren wür­den, liegt die alte Tante völ­lig falsch. Das Gegen­teil ist der Fall: Die Publi­ka­tion der Mil­lio­nen-Ver­gü­tung und die astro­no­mi­schen Hono­rar­an­sätze sol­len der Schwei­zer Bevöl­ke­rung die Augen öff­nen und sie zum Wider­stand anstacheln.

Dies der raf­fi­nierte Plan eines ehe­ma­li­gen Mar­xi­sten, der schon früh begrif­fen hat, dass der Kapi­ta­lis­mus nur über­wun­den wer­den kann, wenn man ihn ad absur­dum führt. Und dies seit­her kon­se­quent getan hat.

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