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Die kontaminierte Wohnung

Seit eini­ger Zeit spie­len wir mit dem Gedan­ken, an den Jura­süd­fuss zu zie­hen. Und sur­fen des­halb regel­mäs­sig im Inter­net auf der Suche nach einer pas­sen­den Bleibe, zum Bei­spiel in der Stadt Biel.

Das ist nicht ganz ein­fach, denn mit dem Alter kom­men Ansprü­che: Mög­lichst zen­tral gele­gen, aber doch ruhig soll es sein. Hell die Woh­nung, mit Bal­kon und mög­lichst auch Grün drum­herum – nicht zu gross, aber auch nicht zu klein…

Diese Woche nun ent­deck­ten wir ein Objekt, das auf den ersten Blick ver­lockend aus­sah: Eine Vier­zim­mer­woh­nung an der Ernst-Schü­ler-Strasse ist unter dem Titel «Zuhause im Her­zen von Biel» aus­ge­schrie­ben. In der Tat: Die Lage ist «comme il faut». Und auch die prä­sen­tier­ten Fotos der 2017 total­sa­nier­ten Woh­nung wir­ken ein­la­dend: Ein son­nen­durch­flu­te­tes Wohn­zim­mer mit Erker und altem Par­kett, eine gross­zü­gige Küche, ein schön geka­chel­tes Bad…

Da ich die­ser Tage gerade für Recher­che­ar­bei­ten im Stadt­ar­chiv war, beschloss ich, einen Augen­schein zu neh­men. Und ent­deckte, dass besagte Lie­gen­schaft keine 100 Meter von mei­nem tem­po­rä­ren Arbeits­platz ent­fernt liegt. Ein gutes Omen?

Auf alle Fälle wirkt das in war­mem Gelb leuch­tende Jugend­stil­haus von aus­sen noch ein­la­den­der, als auf den Bil­dern. Schade, dass die unmit­tel­bare Nach­bar­schaft durch wenig inspi­rierte Neu­bau­ten arg ver­schan­delt ist und der öffent­li­che Raum von Autos domi­niert wird. Nicht zuletzt, weil die schmale Ernst-Schü­ler-Strasse beid­sei­tig mit par­kier­ten Autos ver­stellt ist.

Trotz­dem: Die zum Ver­kauf aus­ge­schrie­bene Woh­nung im 2. Stock hat auch Anfang März um 17 Uhr noch Abend­sonne – das wäre ein Plus­punkt. Wie auch die zen­trale Lage, und die bestimmt leben­dige Nach­bar­schaft. Kurzum: Am Abend nach mei­ner ersten Reko vor Ort beschlos­sen wir, uns die Sache näher anzu­schauen und mit dem Mak­ler einen Besich­ti­gungs­ter­min zu vereinbaren.

Die Woh­nung ist für CHF 680’000 Fran­ken aus­ge­schrie­ben – und soll an den Meist­bie­ten­den gehen. Es heisst also, sich die Sache gut zu über­le­gen. Und sich auf die Besich­ti­gung ent­spre­chend vor­zu­be­rei­ten. Also wer­fen wir einen Blick ins Grund­buch – schliess­lich will man wis­sen, wer die künf­ti­gen Miteigentümer:innen wären…

Bri­sant war dann aller­dings zu ent­decken, wer diese Woh­nung aktu­ell noch besitzt und jetzt ver­kau­fen will: Im Grund­buch sind die Schwei­zer Film­pro­duk­ti­ons­lei­te­rin Sarah Bos­sard und ihre deut­sche Part­ne­rin Alice Wei­del als Eigen­tü­me­rin­nen eingetragen.

Aus­ge­rech­net Alice Wei­del! Die Rechts­aus­sen-Poli­ti­ke­rin und Spit­zen­kraft der AfD im deut­schen Bun­des­tag lebte wäh­rend kur­zer Zeit in Biel, wo sie laut Medi­en­be­rich­ten quasi inko­gnito in der «links-alter­na­ti­ven Szene», zu der ins­be­son­dere ihre Part­ne­rin Zugang hatte, ver­kehrt haben soll. Bis sie auf­flog und 2018 genervt aus Biel weg­ge­zo­gen ist. Weil sie, wie sie sich gegen­über den Medien beschwert hat, «auf dem Heim­weg von der Kita von Eltern belei­digt wor­den sei, ja selbst von deren Kin­dern. Letz­tere seien ihr mit dem Velo hin­ter­her­ge­fah­ren und rie­fen: ‘Scheiss-Wei­del’, ‘Scheiss-Afd’, ‘Scheiss-Nazi’.»

Ich erin­nere mich gut an die Schlag­zei­len vor bald vier Jah­ren. Das Bie­ler Tag­blatt ent­hüllte im April 2017, dass Wei­del in Biel offi­zi­ell gemel­det sei und hier mit ihrer Part­ne­rin lebe. Das Paar mit zwei Kin­dern habe zuerst in der Jur­avor­stadt gewohnt, berich­tete das BT und wusste wei­ter: «Mitte August letz­ten Jah­res hat es Stock­werk­ei­gen­tum in der Innen­stadt erworben.»

Natür­lich hat­ten wir uns damals gefragt, wo genau sie wohl wohne, und wie das über­haupt mög­lich sei, dass sie hier so lange «under­co­ver» ver­kehrt haben soll. Fakt ist: Wei­del und Boss­hard haben 2016 die Woh­nung an der Ernst-Schü­ler-Strasse 27 gekauft und eini­ges Geld in die Hand genom­men für eine Totalsanierung.

Im Novem­ber 2018 – also gut ein­ein­halb Jahre, nach­dem Wei­dels poli­ti­sche Cou­leur in Biel bekannt gewor­den war, hiess es dann, das Paar ziehe mit den Kin­dern nach Ber­lin. Das wäre ja durch­aus auch sinn­voll gewe­sen, denn die AfD-Frak­ti­ons­chefin hat schliess­lich dort ihren Arbeits­schwer­punkt. Nur: den offi­zi­el­len Deutsch­land-Wohn­sitz haben Bos­sard und Wei­del nach wie vor in Über­lin­gen am deut­schen Ufer des Boden­sees – und woh­nen gleich­zei­tig wie­der (oder immer noch) in der Schweiz – in Einsiedeln.

Und nun wol­len sie also ihre Bie­ler Woh­nung ver­kau­fen. Ich schaue mir noch­mal die Bil­der an: Die Woh­nung ist wirk­lich geschmack­voll reno­viert. Bis zu unse­rer Ent­deckung im Grund­buch hätte ich mir gut vor­stel­len kön­nen, in die­sen Räu­men zu leben. Und jetzt?

So nicht, nein! Dies der erste Gedanke. Ande­rer­seits ist es ja gut, wenn die Woh­nung nun wei­ter­ver­kauft wird. Und wie­der Men­schen ein­zie­hen kön­nen, die sich in Biel inte­grie­ren und für ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben enga­gie­ren wol­len… Das Haus, die Woh­nung sind ja schon viel län­ger hier – Wei­del, das war eine Epi­sode, und Ein­bau-Möbel haben keine Seele. Es spielt über­haupt keine Rolle, wer sie aus­ge­sucht hat…

Oder doch? Ich kann mir schlicht nicht vor­stel­len, in der Küche zu kochen, wo einst Frau Wei­del… Unter «ihrer» Dusche zu ste­hen, das WC benüt­zen… Irgend­wie wäre sie (oder gewiss ihre gei­sti­gen Schwin­gun­gen) trotz allem all­ge­gen­wär­tig. Des­halb: Diese Woh­nung ist für uns kon­ta­mi­niert und steht nicht mehr zur Dis­kus­sion. Kommt hinzu, dass man der AfD-Scharf­ma­che­rin als Kauf­preis über eine halbe Mil­lion hin­blät­tern müsste. Geld, das zum Teil als Par­tei­spende und Wahl­kampf­hilfe Ver­wen­dung fin­den könnte…

Nein. Die Woh­nung an der Ernst-Schü­ler-Strasse 27 kommt für uns nicht mehr in Frage. So schön sie ist. Muss nicht sein. Wir suchen weiter.

2 Antworten auf „Die kontaminierte Wohnung“

  1. Wit­zig, das jetzt Schwei­zer Deut­sche Poli­tik in Ber­lin machen wollen.
    Bie­tet ein­fach 50% vom Preis 😉

    1. Es steht uns fern, in Ber­lin Poli­tik machen zu wol­len, nein danke! – Fakt ist lei­der, dass sich eine gewisse deut­sche Poli­ti­ke­rin in der Schweiz nie­der­ge­las­sen hat…

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