Anfang Woche eine kurze Notiz aus dem Südsudan: Der südafrikanische Mobilfunkkonzern MTN schliesst in der Region Northern Bahr el Ghazal 22 seiner insgesamt 23 Sendestationen. Tausende von Menschen verlieren damit die Möglichkeit, übers Telefon zu kommunizieren, sowie den Zugang zum Internet.
MTN begründet die Stilllegung der Mobilfunkstationen mit Energiemangel. Wegen der wachsenden Unsicherheit auf der Strasse von der Hauptstadt Juba nach Aweil sei es kaum mehr möglich, den Norden des Landes mit Treibstoff zu versorgen, liess der lokale Verkaufsmanager des Mobilfunkkonzerns verlauten. Die schwierige Versorgungslage wirkt sich auf alle Lebensbereiche der Menschen in Aweil aus: Güter des täglichen Bedarfs sind für viele unerschwinglich geworden.
Die Versorgung mit Mobilfunk hat in vielen armen Regionen Afrikas dazu geführt, dass Menschen, die früher keinen Zugang zu irgendeiner Form von Telekommunikation hatten, nun von Telefon und Internet profitieren können. Deshalb ist der Stilllegungsentscheid von MTN ein schwerer Schlag, insbesondere auch für das lokale Wirtschaftsleben.
Obwohl die Gegend rund um den Hauptort Aweil bisher von den aktuellen kriegerischen Handlungen und ethnischen Säuberungen im Südsudan verschont geblieben ist, zeigt sich jetzt, wie sehr der Krieg auch hier das Leben beeinträchtigt: Die Menschen leiden enorm, es fehlt an allem.
Immerhin ist dieses Jahr die Hirse- und Erdnussernte in Aweil gut ausgefallen. Das bedeutet: Wer seine Lebensmittel selber produziert, muss in den kommenden Monaten nicht hungern. In den umliegenden Dörfern sieht die Situation allerdings anders aus: Infolge von Hochwasser sind die Erträge dort dürftig ausgefallen.
Gegenwärtig würden Händler den erfolgreichen Produzenten in Aweil einen Teil ihrer Ernte abkaufen, schreibt eine afrikanische Freundin, die vor Ort lebt. Dies sei ein Zeichen dafür, dass auch die Preise für lokal produzierte Lebensmittel bald steigen dürften. Ohne Interventionen des World Food Programms WFO, befürchtet sie, drohe ab Februar in der Region eine Hungerkrise.
Hunger und Mangelernährung sind nichts Neues, in Northern Bahr el Ghazal. Es gab in den letzten Jahren denn auch eine Anzahl von Projekten und Initiativen für die Verbesserung der lokalen Produktion. Vielerorts wurden Gärten und Felder angelegt, wo trotz schwieriger klimatischer Bedingungen, dank Bewässerung auch in der Trockenzeit Gemüse und Tomaten wachsen.
Diese Entwicklungen sind nachhaltiger, als Nothilfe in Form von Kraftnahrung für Kleinkinder oder vom Himmel fallende Lebensmittelpakete des WFO. Leider setzt die internationale Unterstützung im Südsudan momentan den Fokus – begründet durch die prekäre Lage – ausschliesslich auf solche kurzfristigen Nothilfeaktionen. Was punktuell Erleichterung bringen kann, aber auch neue Konflikte entfacht und den Betroffenen keine Perspektiven eröffnet. Auch die Schweiz folgt diesem Trend: Anfang Jahr hat sich die DEZA, nach jahrelanger Aufbauarbeit, aus Aweil zurückgezogen.
Angeführt durch die USA, würden die internationalen Akteure das gegenwärtige Regime im Südsudan weiterhin stärken, kritisiert der Journalist Alan Boswell in einem Artikel auf IRIN News. Dies, weil von internationaler Seite nach wie vor eine Machtteilung zwischen Präsident Salva Kiir und seinem Opponenten Riek Machar gefordert wird. Eine Politik, die das Stoppen der Gewaltspirale und die Stabilisierung des Landes verhindert, wie Boswell weiter schreibt: «Internationale Aktionen seit 2013 haben deutlich gezeigt, dass die Stabilität in der Hauptstadt für den Rest der Welt weitaus wichtiger ist, als die ethnische Säuberung im ganzen Land.»
Die Aufmerksamkeit der Welt – gelenkt und gefüttert von den Produzenten des internationalen Nachrichten-Einheitsbreis, richtet sich auf «Stories», die ihr medial vorgesetzt werden: Jede Grimasse des amerikanischen Präsidenten, jeder Klaps auf ein Frauenfüdli ist offenbar interessanter als die schrecklichen Berichte aus dem Südsudan, die uns in absoluter Hilflosigkeit zurücklassen.
Umso berührender der Bericht eines südsudanesischen Community Workers, der momentan an der Bugema University in Uganda studiert: Mitte November 2017 feierten 57 Absolventen aus dem Südsudan ihren Universitäts-Abschluss. Zur Zeremonie reisten Landsleute aus ganz Uganda an, man habe gemeinsam gefeiert: «Es waren viele gute Worte zu hören, welche die Eintracht unter den Südsudanesen an der Bugema University unterstrichen, den Frieden unter ihnen und ihre Liebe für Harmonie», schreibt der Student.
Die Redner hätten die frischgebackenen Akademiker aufgefordert, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten für die Verbesserungen der gegenwärtigen Situation im Südsudan einzusetzen. Nebst dem Krieg würden auch Faktoren wie Unwissenheit, Analphabetismus sowie Alkoholismus zum Elend der Bevölkerung beitragen.
Der Südsudan brauche mutige Alternativen, fordert Alan Boswell. Scharf kritisiert der Journalist, der seit Jahren aus der Region berichtet, die Art und Weise, wie der Rest der Welt mit der Situation im Südsudan umgeht: «Der Hauptbeitrag der Aussenwelt in Bezug auf den südsudanesischen Krieg war bis anhin, dass sie die Bedingungen für dessen Dauerhaftigkeit zementiert hat.»
Boswell betont, dass nachhaltige Verbesserungen im Südsudan nur möglich seien, wenn diese von der Bevölkerung getragen würden. Nur: Solange die internationalen Organisationen und AkteurInnen die Menschen vor Ort als blosse EmpfängerInnen von Nothilfeprogrammen wahrnehmen und der Südsudan nach wie vor von den Industrieländern primär als Erdöllieferant und bedeutender Abnehmer von Waffen gilt, wird sich kaum etwas verbessern.