Dieser Tage schreiben und reden sie sich um die Wette. Während keine 2000 Kilometer im Osten der Schweiz Tag für Tag Menschen im Kriegshorror sterben und verzweifeln, überbieten sich hierzulande die Abteilungsleiter der grossen Zeitungsredaktionen – allesamt Experten in Kriegsführung und Diplomatie – in gleichlautender Kriegspropaganda und ‑rhetorik.
Anlass für das gegenwärtige Trommelfeuer der Worte ist der 24. Februar: Am kommenden Freitag ist es genau ein Jahr, dass mit dem Einfall der russischen Armee in die Ukraine die heisse Phase eines seit Jahren bereits andauernden Kriegs begonnen hat.
Seither sind Politiker:innen und Medienschaffende im sogenannten Westen nicht müde geworden, diesen Krieg mit Kampf «David gegen Goliath» zu vergleichen. In der Ukraine, so die Vorbeter, würden «unsere Werte» Freiheit und Demokratie verteidigt.
Erstaunlich, wie so Viele im Westen – zumindest der Generation mit Geburtsdatum vor 1980 – in ein Déjà-vu des Kalten Krieges zurückgefallen sind. Schlimmer noch: Wieder ist alles Russische des Teufels. Von der Literatur bis zur Musik und dem Theater. «Russisch» als Synonym für alles «Böse» – und im Westen (und der Ukraine) wirkt das «Gute». Einfache Welt, für einfache Gemüter. Wer widerspricht und diese Weltsicht nicht teilt, wird verlacht, geächtet oder einfach totgeschwiegen (in der freien Presse des Westens, wo die Meinungsfreiheit herrscht).
Beispiele dafür gibt es leider mehr als genug. In den vergangenen Tagen etwa die mediale Hinrichtung des von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer lancierten Manifests für den Frieden. Wobei Kommentierende vom Spiegel über den Blick, von TAZ bis WOZ sich im Gleichschritt unter die Arme greifen und «Achtung: Kollaboration mit Rechtsextremen» in die Welt trompeten.
Auch in der Schweiz verkünden Militärfreundinnen und ‑freunde die Botschaft von der Zeitenwende. Die Rüstungslobbyisten stehen Gewehr bei Fuss – und haben gute Aussichten auf Erfolg: Das Kriegsmaterialgesetz soll gelockert und die Neutralität durch die verstärkte Einbindung in die NATO aufgegeben werden.
Für die Tötungsindustrie stehen plötzlich Milliarden zur Verfügung, während im Gesundheitswesen gespart wird, bis zum Kollaps…
«Wir sollten der Ukraine dankbar sein», schreibt Christof Münger, ein TAMEDIA-Auslandredaktor, mit etwas beschränktem Sachverstand. Fährt er doch fort:
«Es gibt sie noch, die Ukraine! Wer hätte das gedacht, als am frühen Morgen des 24. Februar 2022 Wladimir Putins Streitmacht in die Ukraine einfiel. Man gab den Ukrainern mit ihren Holzgewehren ein paar Tage, eine Woche…»
«Holzgewehre»? Echt? Und das soll TAMEDIAS bester Mann im Auslandressort sein?
Nun, die Propagandaschlacht ist in vollem Gange. Die westlichen Medienpanzer feuern aus vollen Rohren. Fakten liefert der britische Geheimdienst, und die Kommentare gleichen sich wie eine Patrone der anderen. Meinungsvielfalt im Land der Meinungsfreiheit – das war gestern.
Wir hören nur noch, dass es in diesem Krieg um zwei Kriege in einem gehen soll: Auf der einen Seite ist es ein brutaler, hinterhältiger, kriegsverbrecherischer Angriffskrieg, während auf der anderen Seite der heldenhafte Krieg für Freiheit und Demokratie gefochten wird.
Um was es aber wirklich geht, hat Marc Chesney, Wirtschaftsprofessor an der Uni Zürich, in seiner Kolumne für Le Temps auf den Punkt gebracht hat: «Der vermeintlich gerechte Krieg ist einfach nur ein Krieg, ein unerträglicher Konflikt, der enorme Risiken für die Menschheit birgt.»