Der Abstimmungskampf rund um die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) zeitigt immer ungeheurlichere Blüten. Namentlich die Gegner der Initiative ziehen nochmal alle Register. Ohne Rücksicht auf Fakten, schrecken sie auch vor Diffamierungen und Verleumdung nicht zurück. Tatkräftig unterstützt von den grossen Medienkonzernen hierzulande.
Das jüngste Machwerk prangte heute auf der Frontseite verschiedener Tamedia-Blätter (neu TX Group AG). Es befasst sich – einmal mehr – mit der Frage nach den Kampagnenkosten. Aufgrund von faktenfreien, abenteuerlichen Hochrechnungen und Vermutungen kommt der ehemalige BAZ-Journalist und heutige TA-Wirtschaftsredaktor Dominik Feusi zum Schluss, die KVI-Befürworter hätten mehr als das Doppelte der GegnerInnen investiert und «rund 13 Millionen für ein Ja» ausgegeben.
Und wenn dem nun tatsächlich so wäre? Wo wäre dann das Problem?
Ist es nicht vielmehr ein ermutigendes Zeugnis für unser Land und unsere Demokratie, dass so viele Spenden zusammengekommen sind? Dass sich so viele Menschen für die berechtigten Anliegen der Konzernverantwortungsinitiative engagieren?
Während die Kampagne der Gegner, darunter mächtige Lobbyverbände wie economiesuisse oder Swissholdings aus der Portokasse der milliardenschweren Konzerne bezahlt wird, finanzieren sich die NGOs, welche die KVI lanciert haben, mehrheitlich über Spendengelder von Bürgerinnen und Bürgern.
Auch ich habe wiederholt einen Beitrag an die Kampagnenkosten geleistet. Genauso, wie ich jene NGOs mit Spenden unterstützt habe und weiterhin unterstützen werde, die Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen im In- und Ausland bekämpfen.
So oder so ist die Frage der Kampagnenfinanzierung ein abstruser Nebenschauplatz, der an Stammtischen und in den Medien hochgespielt wird. Demgegenüber gebärden sich die grossen Medienkonzerne hierzulande erstaunlich zurückhaltend, wenn es um die wirklich wichtigen, inhaltlichen Fragen im Zusammenhang mit der Konzernverantwortungsinitiative geht.
Der Grund dafür heisst – genau wie bei den Rohstoff‑, Nahrungsmittel- oder Agrarkonzernen – Gewinnmaximierung: Recherchen über Geschäftsmethoden international tätiger Konzerne, wie sie in der Konzernverantwortungsinitiative zur Debatte stehen, sind aufwändig und teuer. Solche Investitionen in einen guten Journalismus leisten sich gewinnorientierte Medienkonzerne wie TX Group AG heutzutage nur noch selten. Viel lieber überlässt man entsprechende Recherchen den auf Menschenrechte und Umweltfragen spezialisierten NGOs. Oder man greift auf Material zurück, das von den PR-Abteilungen der Konzerne produziert und den Medien gratis zur Verfügung gestellt wird.
Hinzu kommen weitere für die Medienkonzerne kostengünstige Formate, die insbesondere in den letzten Wochen eingesetzt wurden: In ganz- oder mehrseitigen Interviews durften die CEOs der grossen Konzerne ihre eigenen Geschäftsgebaren loben und die Konzernverantwortungsinitiative in Grund und Boden reden. Genauso, wie der (auf wessen Kosten?) aus Burkina Faso eingeflogene Handelsminister. Journalistische Einordnung? Geschenkt. Genauso bei den Dutzenden von Meinungsartikeln, in welchen BefürworterInnen und GegnerInnen der Initiative ihre Parolen endlos wiederholen.
Und wenn dann doch mal hier oder dort ein Artikel mit einer journalistisch interessanten Eigenleistung zu finden ist, wird er direkt konkurrenziert von marktschreierischen Werbebotschaften. Inserate – für oder gegen die Konzerninitiative – buhlen sowohl in den gedruckten Zeitungen wie online um die Aufmerksamkeit der LeserInnen. Damit lässt sich effizienter Geld verdienen als mit Qualitätsjournalismus.
Die Trennung zwischen redaktionellen Leistungen und Werbebotschaften? – Längst Geschichte. So schaltet etwa die TX Group AG bereits seit Anfang Jahr Anzeigen der PR-Agentur furrerhugi, die als journalistische Beiträge getarnt tendenziöse Behauptungen der Initiativ-Gegner als «Fakten» verbreiten.
Der Presserat rügte diese Machenschaften: Damit würde der Journalistenkodex verletzt. Das Verwischen der Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und politischer Werbung sei demokratiepolitisch bedenklich: «Die mangelnde Transparenz schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit des Mediums, sondern auch der demokratischen Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger.»
Weder die TX Group AG noch furrerhugi oder deren Auftraggeber (economiesuisse + Co) liessen sich von dieser Rüge beeindrucken: Laut Recherchen des Onlinemagazins Republik haben sich die InitiativgegnerInnen mindestens für die letzten drei Monate der Kampagne bei sämtlichen Titeln der TX Group AG das Exklusivrecht gesichert, Popup-Inserate zu allen Onlineartikeln zu schalten, die die Initiative betreffen.
Aus einer Korrespondenz mit den InitiantInnen, die ebenfalls Inserate beim Medienkonzern TX Group AG buchen wollten, gehe hervor, dass furrerhugi basierend auf einer Liste sämtliche Artikel definieren kann, welche die PR-Agentur exklusiv bewerben will. «Ihr Konkurrent», heisst es in der Korrespondenz, die der Republik vorliege, «operiert mit einem massiv höheren Budget.»
Ob Wirtschaftsredaktor Feusi diese Ausgaben der Initiativ-Gegnerschaft in seine Rechnung miteinbezogen hat? Zumindest in diesem Fall müsste er ja auf Franken und Rappen genau herausfinden können, wieviel sein Arbeitgeber für den Verkauf dieser kostbaren Werbeplätze kassiert.
Im Zusammenhang mit der Konzernverantwortungsinitiative zeigt sich einmal mehr, dass die Behauptung der Medienhäuser, sie seien für die Demokratie systemrelevant, völliger Nonsens ist. Wer politische Werbung einfach an den Meistbietenden verkauft, verhält sich bezüglich der Demokratie genauso fahrlässig, wie dies einige Konzerne im Süden bezüglich Menschenrechte und Umwelt tun.
Zu hoffen ist, dass die Konzernverantwortungsinitiative am 29. November trotzdem angenommen wird. Als nächsten Schritt müsste man sich anschliessend die Lancierung einer Medienkonzernverantwortungs-Initiative überlegen. Zum Schutz von Demokratie und Journalismus.