«Wir sammeln für die ukrainischen Flüchtlinge!» steht auf dem gelb-blau umrandeten Flyer, den wir auf unserem Sonntagsspaziergang im Quartier entdeckt haben. Eine der zahlreichen Sammelaktionen, mit denen viele Menschen versuchen, wenigstens ein klein bisschen zu helfen angesichts eines Krieges, dessen Bilder- und Expertenflut uns zu überschwemmen droht.
Wir lesen weiter und reiben uns die Augen: «Die Unternehmen Optimo Logistik und Rheinmetall starten ab heute gemeinsam eine Sammelaktion von dringend benötigten Hilfsgütern und organisieren deren Transport in das Krisengebiet», heisst es auf dem Flyer weiter.
Ausgerechnet Rheinmetall! Das Kerngeschäft des Waffenkonzerns, der ein wichtiges Standbein in Oerlikon, in der ehemaligen Waffenfabrik von Bührle hat, ist ja nicht die Produktion von Hilfsgütern wie Medizinisches Material, Lebensmittelkonserven oder Schlafsäcken, sondern Waffen, die den Bedarf an Hilfsgütern auslösen.
Mit der Invasion der russischen Truppen in die Ukraine hat Putin eine Gewaltspirale losgetreten, die wenig Raum für Hoffnung lässt. Es sind nicht nur die verstörenden Bilder von Tod und Zerstörung. Bilder, wie wir sie in Europa, in der satten Schweiz so gerne ausblenden. Denn die Welt war ja nie ein friedlicher Ort, auch nicht in den letzten Jahren: Syrien, Afghanistan, Jemen… Doch all diese Tragödien gingen uns scheinbar nichts an, waren und sind zu weit weg.
Was aber jetzt in der Ukraine abgeht, lässt niemanden kalt. Zu nah geschieht das Entsetzliche. Zu bedrohlich ist die Situation, der wir weitgehend macht- und hilflos gegenüberstehen. Auch ich habe keine Antwort und weiss nicht, wie dieser Horror zu stoppen ist. Was mich wütend und fassungslos macht ist die Unverfrorenheit und Menschenverachtung eines Diktators wie Putin und seiner Entourage. Brutal und falsch ist in meinen Augen aber auch, dass ukrainische Männer dazu gezwungen werden, in den Krieg zu ziehen. Weil man glaubt, die vielbeschworene Freiheit und Demokratie nur mit Waffengewalt retten zu können.
Angesichts der brutalen Gewalt, die aktuell von Seiten der Aggressoren aufgefahren wird, fällt es in der Tat schwer, auf die Durchsetzungskraft anderer Widerstandsformen zu setzen. Trotzdem sei and Gandhi erinnert. Und daran, dass ein mit Waffen errungener Sieg kaum zu einem dauerhaften, echten Frieden führen kann.
Eine völlig zerstrittene europäische Union wird nun, so will man uns weismachen, durch den Krieg zu einem einig Volk von Schwestern und Brüdern. Eine gefährliche, brüchige Einigkeit, getragen von einem gemeinsamen Schlachtruf.
Auch der Ruf nach mehr Waffen und Aufrüstung zielt in die verkehrte Richtung. Wie vernünftig war doch die Haltung Deutschlands noch Anfang Jahr, keine Waffen in die Ukraine zu liefern. Leider ist dies nach dem brutalen Einmarsch von Putins Truppen sehr schnell gekippt. Mittlerweile schickt sogar Schweden Kriegsgerät ins Kriegsgebiet… Waffen töten. Die einzigen, die davon profitieren, sind – wie immer – die Waffenhändler…
Sie haben aktuell Hochkonjunktur. Während die Mehrheit der Aktien an den Börsen kräftig tauchen und sogar China seine Wirtschaftsprognosen nach unten korrigiert, ist der Börsenwert von Rheinmetall seit Kriegsbeginn um über 50 Prozent in die Höhe geschnellt. Und die Hausse dürfte noch eine Weile anhalten. So schüttelte etwa der deutsche Kanzler Olaf Scholz, unterstützt von den grünen Mitgliedern seiner Regierung, kurzum 100 Milliarden für die Aufrüstung seiner Armee aus dem Ärmel. Und auch in der Schweiz fordern nicht nur bürgerliche Politiker: innen mehr Geld für Aufrüstung und Ausstattung der Armee – und eine zügige Beschaffung der umstrittenen Kampfflugzeuge.
Das alles verheisst nichts Gutes. Ausser für die Aktionäre und Angestellten von Waffenschmieden hierzulande und rund um den Erdball. Das Geschäft läuft wie geschmiert. Dass ausgerechnet ein Rüstungskonzern wie Rheinmetall – zwecks Linderung von Kollateralschäden – Hilfstransporte für die Opfer des Einsatzes von Kriegsgerät aller Art organisiert, ist an Zynismus nicht zu übertreffen. Und nach dem Hilfstransport ist bekanntlich vor dem nächsten Waffentransport.
Ein falsches Narrativ sagt, dass unter einem Krieg alle zu leiden haben. Auch die Kriegsgewinnler?