Natürlich nimmt sich Nestlé-Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck Zeit, um der Einladung des Schweizer Radios zu folgen. Der überschwängliche Dank des, angesichts des hohen Gasts, ziemlich aufgeregten Moderators (O‑Ton Nik Hartmann: «Er ist einer der mächtigsten Männer der Schweiz, wahrscheinlich sogar der Welt») ist in diesem Zusammenhang völlig überflüssig.
Ein 15minütiges Interview zum Thema Wasser im Rahmen des trendigen Spendensammelmarathons «Jeder Rappen zählt», ist eine willkommene Werbeplattform für Nestlés Engagement auf diesem Gebiet. Da macht man gerne eine Ausnahme vom üblicherweise wenig freundlichen Umgang mit Journalistenanfragen. Zumal der Auftritt zur besten Sendezeit dem Bereich PR zugeordnet werden kann und nichts mit Journalismus zu tun hat. Und den Konzern praktisch nichts kostet, da die lumpigen 125’000 Franken, die Nestlé zur Rappen-Sammelaktion beiträgt, grösstenteils von den Mitarbeitenden gespendet worden sind.
Wahrlich eine magere Spende für einen Weltkonzern mit einem Umsatz von 44 Milliarden Franken, der allein im ersten Halbjahr 2012 einen Gewinn von mehr als 5 Milliarden Franken ausgewiesen hat. Das findet auch Nik, der Hansdampf-in-allen Gassen. Und traut sich sogar, zum Schluss des Interviews, keck nachzuhaken.
Worauf ihn Brabeck mit weiteren 2000 Franken vertröstet, die von der Raiffeisenbank Belalp-Simplon überwiesen würden. Das Honorar für einen seiner zahlreichen Wasservorträge, diesmal zum Thema «Wasser zwischen Lebensmittel und Energie», den der Nestlé-Verwaltungsrats-präsident im November anlässlich eines Unternehmerfrühstücks in Brig gehalten hat.
Mit anderen Worten: Vewaltungsratspräsident Brabeck wirbt nicht nur landein landaus eloquent und erfolgreich für Nestlés Wasserpolitik und ‑engagements. Er kassiert dafür von den Veranstaltern auch noch dicke Honorare. Dies ist allerdings nur ein Nebengleis. Denn bei der Profilierung des Nahrungsmittelkonzerns als Kompetenzzentrum für verantwortungsvollen Umgang mit Wasser geht es um mehr, als bloss um ein paar Werbeauftritte und Zusatzhonorare. Um viel mehr.
Ob die Unterstützung von Entwicklungsprojekten für die Wasserversorgung in Afrika und Asien oder die Reduktion des Wasserverbrauchs bei der Kaffeeproduktion – der Konzern legt alles daran, seine zahlreichen Engagements rund ums Wasser wirkungsvoll in Szene zu setzen. Mit Erfolg.
Dank der werbewirksamen Engagements für einen nachhaltigeren Umgang mit Wasser, konnte sich Nestlé in den letzten Jahren eine wichtige Position im internationalen Dialog über die künftige Regulierung des Menschenrechts auf Wasser und sanitäre Grundversorgung erkaufen. Dies, nachdem der Konzern während Jahren jegliche Bestrebungen, den lebenswichtigen Rohstoff Wasser als öffentliches Gut zu schützen, bekämpft hatte.
Heute hingegen setzt sich auch Nestlé für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Wasser ein. Allerdings brauche ein Mensch für die Erfüllung seiner Grundbedürfnisse nicht mehr als 25 Liter, was 1,5% des gesamten Wasserkonsums entspreche. Die restlichen 98,5%, so Brabeck im Radio-Interview, müssten deshalb als handelbares Gut der kommerziellen Nutzung zur Verfügung stehen.
Diese Linie verfolgt Brabeck auch als Präsident der 2030 Water Ressources Group, einer mächtigen Lobby-Gruppe für Wasserfragen, die aus dem WEF hervorgegangen ist, und der nebst Nestlé weitere internationale Konzerne wie Coca Cola oder Syngenta angehören. Sie berät unter anderem Entwicklungs- und Schwellenländer wie Indien oder Südafrika bei deren Wasserpolitik und ‑gesetzgebung.
Solche Zusammenhänge recherchieren und aufzeigen ist die eigentlich Aufgabe von JournalstInnen. Und hätte viel mehr gebracht, als die Millionen, die im Rahmen von «Jeder Rappen zählt» zusammengekommen sind. Denn wo Verwaltungsratspräsidenten und CEOs von Konzernen die Politik bestimmen, bleiben jene, für die Nik und seine KollegInnen so eifrig Geld gesammelt haben, auf dem Trockenen.