Die Internationale Energieagentur IEA fordert dringend Massnahmen gegen die wachsende Verbreitung der Sport Utility Vehicles, abgekürzt SUV. Auf deutsch nennt man sie etwas profaner Geländewagen. Man braucht sie zum Beispiel, um Kinder von der Schule abzuholen und ins Eishockey-Training zu fahren. Oft als Zweitwagen für Gutbetuchte in Vororten. London nennt sie Chelsea Tractors und in Zürich heissen sie Züriberg-Panzer.
Trotz aller Nachhaltigkeitsdiskussionen im Automobilsektor ist mittlerweile jeder zweite in Europa verkaufte Neuwagen ein SUV. Auch in der Schweiz leisten sich Käuferinnen und Käufer immer öfter ein Statussymbol mit Vierradantrieb. Lieber ein bisschen zu gross als zu klein. Man weiss ja nie. Wenn es knallt, kann etwas mehr Knautschzone nicht schaden.
Der ZAHW-Forscher für nachhaltige Energiesysteme Jochen Markard stellt im Zusammenhang mit dieser SUV-Mode ein «politisches Versagen» fest. Bedauerlicherweise sei dieser Trend nicht zu bremsen, wie er in einer kürzlich veröffentlichten Studie ausführt.
Wirklich nicht? – Allen Widerständen und Protesten zum Trotz, macht die Bürgermeisterin von Paris einen ersten Schritt um die SUVs aus der Agglo fernzuhalten: Künftig müssen dort auswärtige Geländewagen fürs Parkieren den dreifachen Preis bezahlen. Statt 6 kostet ein Parkplatz neu 18 Euro die Stunde. Für sechs Stunden Parken im Zentrum zahlt man demnach statt wie bisher 75 Euro deren 225.—.
Die schweren Karossen verursachen mehr Umweltverschmutzung und beanspruchen zuviel Platz – dies die Begründung für die höheren Kosten. Das ist nichts anderes als Preisberechnung nach dem Verursacherprinzip, in einer Stadt, wo 60 Prozent der Bewohner:innen gar kein Auto haben. Das wird betuchte Unverbesserliche nicht davon abhalten in der Stadt zu parken. Aber ein Gutteil der SUV-Fans aus der Agglomeration wird sich wohl überlegen, ob sich die nervende Suche nach wenigen, sackteuren Parkplätzen lohnt.
Die Debatte rund um die neuen Pariser Parkgebühren hat in den Medien ein grosses Echo gefunden: Wie immer, wenn Autofahrer:innen ihre Freiheit bedroht sehen, gingen die Emotionen hoch. Dabei ist es mehr als recht, dass die Wohnbevölkerung der Stadt sich gegen die Invasion von Geländefahrzeugen aus dem Umland stemmt. Und weil SUVs nicht einfach per Gesetz vom Stadtgebiet verbannt werden können, steuert man eben übers Portemonnaie.
Dies ist ein weiterer cleverer Schritt der Pariser Stadtregierung auf dem Weg zur Rückeroberung des Strassenraums als Lebensraum. Seit über zehn Jahren engagiert sich Bürgermeisterin Anne Hidalgo mit Erfolg für ihre Vision: Entlang der Seine wurden mittlerweile kilometerlange Schnellstrassenabschnitte aufgehoben und zu attraktiven Flaniermeilen umgestaltet. Das schafft Platz für neue Entwicklungen, Begegnungen und andere Formen der Mobilität. Bereits 2019 konnten wir uns, anlässlich unseres letzten Besuchs in Paris 2019, selber davon überzeugen, dass die Bevölkerung die neue Freiheit zu Fuss und per Velo geniesst. Ein Rückbau zu Autobahnschneise ist kein Thema mehr.
Wie in anderen Städten, gab es während Corona auch in Paris zahlreiche Pop-Up Velowege – mittlerweile wurden diese in über 50 Kilometer neue dauerhafte Radspuren umgewandelt. Bis 2026 sollen zudem 70’000 Parkplätze neuen Grünflächen und Velowegen Platz machen. Im Sommer 2021 setzte Anne Hidalgo zudem ein weiteres Wahlversprechen um: Praktisch in der ganzen Stadt gilt ein Tempolimit von 30 km/h.
Hand in Hand mit diesen Massnahmen braucht es natürlich auch einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Ziel ist, dass durch die bessere Vernetzung der Innenstadt mit der Banlieue dereinst Autos gar nicht mehr in die Stadt fahren müssen.
Schaut man sich die Entwicklungen in Paris an, stellt sich unvermittelt die Frage: Warum geht das nicht auch bei uns? Längst ist die französische Metropole nicht mehr das einzige Vorbild, von dem sich die Schweizer Politiker:innen und Planer:innen inspirieren lassen sollten. Verkehrsbefreite Quartiere und Flussufer erobern in Europa Stadt um Stadt. Und Stadtbewohner:innen besitzen immer öfter gar kein Auto mehr. Weil sie’s nicht brauchen.
In ihrem anschaulichen Artikel «So viel Platz» vom 26. Januar 2024 zeigt die taz auf, welches Potenzial etwa in Hamburg freigelegt wird, wenn der Trend zu weniger Individualverkehr weiterhin anhält. Sie kommt auf die stolze Zahl von 2’746’237 Quadratmetern öffentlichem Freiraum. Ihr Fazit: «Es wird viel neuen Platz geben in den Städten, wenn die Autos etwas von dem Raum abgeben, den sie beanspruchen, wenn sie stehen, fahren oder tanken.»