Game over

Das Gebäude des ehe­ma­li­gen Druck­zen­trums der NZZ in Schlie­ren steht zum Ver­kauf. Das NZZ-Film­ar­chiv, das im Kel­ler der Drucke­rei unter­ge­bracht war, muss eine neue Bleibe fin­den. Weil gespart wer­den soll und Lager­platz ein Kosten­fak­tor ist, wird das Roh­ma­te­rial der Sen­dun­gen vor 2007 ausgeschaubt.

Zum Glück hat man uns recht­zei­tig infor­miert: Wenn wir die Bän­der «unse­rer Sen­dun­gen» vor dem 26. Novem­ber in Schlie­ren abho­len, kön­nen wir sie vor der Ver­nich­tung ret­ten. Also machen wir uns auf den Weg.

In der Ein­gangs­halle des Büro­trakts nimmt uns Frau E. herz­lich in Emp­fang. Sie orga­ni­siert einen Hand­wa­gen, führt uns durch leere Gänge und die grosse Halle, wo die Druck­ma­schine stand. Vor zehn Jah­ren haben wir hier mit enga­gier­ten Tech­ni­kern und stol­zen Druckern gedreht. Höhe­punkt des NZZ-Image­films war die neue Wifag-Rota­ti­ons­ma­schine, damals das Non­plus-Ultra der Drucke­rei­in­du­strie, mit viel­ver­spre­chen­den Optio­nen für Weiterentwicklungen.

Damals warb NZZ Print mit ihrer Welt­klasse-Druck­qua­li­tät. «Meine Kol­le­gen muss­ten immer Top-Arbeit lie­fern, sonst wur­den sie gerüf­felt», sagt Frau E. «Jetzt spielt das alles keine Rolle mehr. Haupt­sa­che, der Druck ist bil­lig – Qua­li­tät zählt heute nichts mehr.»

Im Archiv ste­hen unsere Bän­der chro­no­lo­gisch geord­net. Kost­bare Erin­ne­run­gen, Emo­tio­nen. Wir fül­len damit vier grosse Kisten, dazu Dut­zende von DVDs, die sonst eben­falls ver­nich­tet wür­den. Den vol­len Hand­wa­gen schie­bend, suchen wir den Weg zurück. Frau E. führt uns in die ehe­ma­lige Spe­di­tion, öff­net das Tor, so dass wir hin­ein­fah­ren und das Auto laden können.

Bei unse­rem letz­ten Besuch wur­den hier Lie­fer­wa­gen mit den frisch gedruck­ten Zei­tun­gen bela­den. Es herrschte kon­zen­trier­tes, geschäf­ti­ges Trei­ben. Noch liegt der Duft von Drucker­schwärze in der Luft. Doch es ist gespen­stisch still.

Ganz aus­ge­stor­ben ist die ein­stige Drucke­rei, wo am 30. Juni die letzte Zei­tung über die Rol­len lief, aller­dings noch nicht. Fast ver­lo­ren in den weit­läu­fi­gen Hal­len, sind ein paar Män­ner damit beschäf­tigt, die letz­ten Maschi­nen zu zer­le­gen. Ein­zel­teile lie­gen am Boden, man­che in Pla­stik verpackt.

Ich foto­gra­fiere wie wild: Ein Ver­such, das Unbe­greif­li­che fest­zu­hal­ten. Die Sicher­heits­er­mah­nun­gen auf einem BFU-Pla­kat, die längst nie­man­dem mehr nüt­zen, sind über­sprayt. «Game over» ver­kün­det das pink-weisse Graffiti.

«Am 25. Novem­ber ist Jubi­läum», sagt ein Mon­teur, der mich beob­ach­tet hat. Jubi­läum, hier? Der Mann prä­zi­siert: «Am 25. Novem­ber vor einem Jahr haben sie uns gesagt, dass es aus ist.»

Der Kampf der Beleg­schaft gegen den Beschluss von oben war chan­cen­los. 125 Frauen und Män­ner ver­lo­ren ihren Job. «Es gibt einige tra­gi­sche Fälle, die immer noch keine neue Stelle gefun­den haben. Viele lei­den sehr unter der Situa­tion», sagt Frau E. Sie gehörte 1989 zu den ersten NZZ-Mit­ar­bei­ten­den, die bei der Eröff­nung des neuen Druck­zen­trums nach Schlie­ren ver­setzt wur­den. Nie hätte sie sich träu­men las­sen, dass sie nun als eine der Letz­ten geht. Am 26. Novem­ber ist ihr letz­ter Arbeitstag.

Natür­lich werde sie wei­ter ver­fol­gen, was nun mit dem Gebäude geschehe, sagt sie. Über ein Vier­tel­jahr­hun­dert hat sie hier gear­bei­tet. Nun steht sie auf der Strasse: Mit 62 Jah­ren sei es schwie­rig, etwas Neues zu fin­den, sagt sie und gibt sich gelas­sen. Es werde sich schon etwas finden.

Eine Schande, dass sie über­haupt suchen muss. Hand zu bie­ten, für eine Früh­pen­sio­nie­rung ohne Ren­ten­ein­busse, wäre für ein Unter­neh­men wie die NZZ nicht nur ein Klacks gewe­sen. Son­dern – in die­sem Fall – auch ein mini­ma­les Zei­chen von Anstand.

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