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Begegnung im Mediamarkt

Von wei­tem lockt die Abtei­lung mit den TV-Sets, wo auf Dut­zen­den von Bild­schir­men syn­chron die glei­chen Bil­der tan­zen – die sich erst bei nähe­rer Betrach­tung stark von­ein­an­der unter­schei­den. Das über­di­men­sio­nierte Heim­kino impo­niert ein­zig und allein durch seine Grösse. Die Bil­der sind ver­pi­xelt und verschwommen

«Die Fir­men­zen­trale ver­sorgt uns lau­fend mit den neu­sten Pro­mo­fil­men», erklärt der Ver­käu­fer die mise­ra­ble Bild­qua­li­tät. Die Files wür­den in der Nacht hoch gela­den, aller­dings in gerin­ger Grösse, damit es schnel­ler gehe. Er greift zur Fern­be­die­nung und zeigt uns, was das Rie­sen­teil wirk­lich kann. Was wir denn für ein Modell im Auge hätten?

Angelo fragt nach den neue­sten Gerä­ten. HD ist out, der neu­ste Schrei heisst Ultra-HD oder 4K: Noch mehr Bild­punkte, noch mehr Bild­zei­len. Zu Dritt ste­hen wir vor dem Wun­der­ding und stau­nen: Die Bil­der sind so scharf, dass sie auch ohne 3D-Tech­nik und –Brille drei­di­men­sio­nal wirken

Das hat natür­lich sei­nen Preis – es gebe das Glei­che auch in klei­ne­rer Aus­füh­rung, dann sei es gün­sti­ger, sagt der Ver­käu­fer hilfs­be­reit. So dass wir Farbe beken­nen und ihm geste­hen, unser Inter­esse sei rein pro­fes­sio­nel­ler Art, wir seien «aus der Branche»

Statt Ent­täu­schung huscht ein Leuch­ten über sein Gesicht: «Ich bin Kame­ra­mann», sagt er und erzählt: Wäh­rend Jah­ren in Deutsch­land gear­bei­tet, bei TV-Sta­tio­nen im News-Bereich. Bis er die Ell­bo­gen­kriege an Pres­se­kon­fe­ren­zen und ent­lang der roten Tep­pi­che satt hatte. Dafür ern­tet er unser vol­les Verständnis

Als freier Kame­ra­mann im Doku­men­tar­film-Bereich kann er nicht über­le­ben, schon gar nicht daheim, in Grie­chen­land. Des­halb ist er nun wie­der zurück in Deutsch­land. Und pen­delt täg­lich in die Schweiz, wo er als Ver­käu­fer im Media­markt arbeitet

Auf die Frage nach sei­nen Ein­schät­zun­gen zu Grie­chen­land, hat Jor­gos eine klare Ant­wort: «Wir wer­den das schaf­fen», sagt er. Und lie­fert eine trau­rige Ana­lyse dar­über, was mit sei­ner Hei­mat gesche­hen ist: Jah­re­lang habe man das arme Land mit Kre­di­ten ange­fixt, damit es in der EU auf­hole. Ohne sich darum zu küm­mern, ob die gewünschte Ent­wick­lung statt­finde, die Anpas­sun­gen greifen

Weil man es nicht wis­sen wollte, solange alle pro­fi­tier­ten: Sowohl die Grie­chIn­nen wie ihre Gläu­bi­ger und jene, die ihre Waren nach Grie­chen­land expor­tier­ten. Jetzt hin­ge­gen spe­ku­liere allen voran «Tante Mer­kel» auf ein pro­fi­ta­bles Geschäft mit den reich­hal­ti­gen Erd­gas­vor­kom­men Griechenlands

Jor­gos möchte zurück nach Grie­chen­land, und er möchte wie­der als Kame­ra­mann arbei­ten. – Wenn er abends um halb Zehn von der Arbeit in der Schweiz nach Hause komme, sei er jedoch zu müde, um noch Bewer­bun­gen zu schrei­ben, sagt er. Und erzählt von sei­nem Traum, auf Kreta ins Tou­ris­mus­ge­schäft ein­zu­stei­gen und für Hotels Image­filme zu dre­hen. Dass seine Geschichte kein Ein­zel­fall ist, zeigt das Namens­schild der jun­gen Frau an der Kasse: Sie heisst Eleftheria

30 Sekunden Genuss

;Das viel gerühmte Kunst­haus von Peter Zum­thor in Bre­genz ist die Reise wert: Die Milch­glas-Fas­sade ver­leiht dem Kubus eine gleis­sende Leich­tig­keit. So lädt an die­sem Herbst­sonn­tag schon von Wei­tem das Ver­spre­chen eines dop­pel­ten Genus­ses: Gabriel Orozco in den Räu­men von Peter Zum­thor – ein Gesamtkunstwerk

;In der gross­zü­gi­gen Ein­gangs­halle schwebt glei­cher­mas­sen ele­gant und impo­sant ein 15 Meter lan­ges Wal­ske­lett. Dis­kret mit wel­len­för­mi­gen Orna­men­ten über­zo­gen, ver­setzt die Skulp­tur den Betrach­ter, die Betrach­te­rin in Bewun­de­rung und Stau­nen. Wäre da nicht das ältere Paar, das ange­regt über das Gese­hene debat­tiert, man hörte das Rau­schen der Bran­dung vom Strand, wo Orozco die Über­re­ste des Wals gefun­den hat

;Über eine schmale Treppe errei­chen wir die näch­ste Aus­stel­lungs­ebene. Ein gros­ser Raum, in sanf­tes Licht getaucht – als ob ein paar Son­nen­strah­len ihren Weg durch die Milch­glas­schei­ben an der Decke ins Innere such­ten. Die schlichte Archi­tek­tur mit den Sicht­be­ton­wän­den bril­liert durch vor­nehme Zurückhaltung

;Schon wan­dern unsere Blicke neu­gie­rig über den Boden. Bereit, sich von den dort lie­gen­den, kunst­voll bear­bei­te­ten Stei­nen ver­füh­ren zu las­sen. Da zer­schnei­det dröh­nend eine Stimme den Raum. Beschuhte Füsse suchen sich quiet­schend ihren Weg zwi­schen den Expo­na­ten. Im Halb­kreis kom­men sie zum Still­stand, lau­schen dem kunst­hi­sto­ri­schen Mono­log, der rundum alles ein- und zudeckt

;Wir flie­hen in die Rich­tung, aus der die Inva­sion gekom­men ist und gelan­gen – wie­derum über einen schma­len Trep­pen­auf­gang – von der Stein- in die Ter­ra­kot­ta­welt. Auf vier Inseln ver­teilt posie­ren die erdig-archai­schen Skulp­tu­ren. Man möchte sich gehen las­sen, sich ihrer Schön­heit und dem Rhyth­mus ihrer Insze­nie­rung hingeben

;Doch auch hier über­tö­nen auf­dring­li­che Schuh­soh­len, noto­ri­sche Kom­men­tare und unun­ter­bro­che­nes Foto­klicken die zar­ten Klänge der Kunst. Obschon sich die Zahl der Besu­che­rin­nen und Besu­cher in Gren­zen hält. Jedes Räus­pern, jede noch so dis­krete Äus­se­rung hallt von den Glas- und Beton­wän­den. Als ob die Archi­tek­tur ihre opti­sche Zurück­hal­tung aku­stisch wett­ma­chen wollte

;Das weckt Erin­ne­run­gen an die Therme Vals. Eben­falls ein gefei­er­ter Pil­ger­ort Zum­thor­scher Archi­tek­tur­kunst, an den es uns einst nach zwei­tä­gi­ger Wan­de­rung ver­schla­gen hatte. Ein­ge­stimmt auf die fei­nen Klänge der Natur, traf uns damals der Lärm völ­lig unver­hofft. Das Echo der Baden­den, vom Val­ser Gneis viel­fach auf­ge­nom­men und ver­stärkt, ver­gällte uns die Freude am schö­nen Gebäude. Statt Begei­ste­rung, brach­ten wir Ent­täu­schung nach Hause

;Dies­mal wol­len wir es bes­ser machen und set­zen uns auf einen der Bänke zwi­schen den Ter­ra­kotta-Inseln. – Ein Film, schein­bar ohne Ende zieht an uns vor­bei: Besu­che­rin­nen und Besu­cher tau­chen von links her am Bild­rand auf. Schlen­dernd, mar­schie­rend, dis­ku­tie­rend und vor allem knip­send arbei­ten sie sich durch den Raum. Um ihn schliess­lich am rech­ten Bild­rand wie­der zu ver­las­sen. Man­che blei­ben ste­hen, set­zen sich, um sich sogleich wie­der zu erhe­ben; andere kom­men von der ande­ren Seite..

;Bis der Besu­cher­strom unver­hofft reisst und unsere Geduld belohnt wird: Stille füllt den Raum. Wir sind allein mit den Ter­ra­kot­ta­fi­gu­ren. Ein kost­ba­rer Moment – 30 Sekun­den purer Genuss

;Schon hal­len von fern wie­der Schritte, nähern sich rasch. Zwei knip­sende Män­ner betre­ten den Raum, wäh­rend wir auf­ste­hen und uns zufrie­den auf den Heim­weg machen

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