Stopp Frontex – stopp Rudolf Strahm!

Soeben habe ich dem Refe­ren­dums­ko­mi­tee gegen das Fron­tex-Gesetz einen Unter­stüt­zungs­bei­trag über­wie­sen. Weil ich der Über­zeu­gung bin, dass wir in Europa die unmensch­li­che Pra­xis der Fron­tex-Ein­satz­kräfte gegen Flüch­tende nicht ein­fach hin­neh­men, geschweige denn noch zusätz­lich mit Schwei­zer Steu­er­gel­dern unter­stüt­zen sollen.

Im Gegen­teil: Es braucht drin­gend neue Efforts der Soli­da­ri­tät und Mensch­lich­keit. Was am Rand der soge­nann­ten Festung Europa seit Jah­ren abgeht, ist unwür­dig und unhalt­bar. Dazu gehö­ren, nebst den Ein­sät­zen der Grenz­schutz­agen­tur Fron­tex, nament­lich auch Über­griffe der natio­na­len Grenz­wacht-Ein­hei­ten in Europa. Inklu­sive der Schweiz.

Aller­dings muss hier klar­ge­stellt wer­den: Die Grenzpolizist:innen machen eigent­lich nur die Drecks­ar­beit. Ver­ant­wort­lich für den Tod von Tau­sen­den von Men­schen, die Schutz und Sicher­heit in Europa such­ten, sind an erster Stelle die Politiker:innen an den Schalt­he­beln der Macht. Unter­stützt durch ihre wil­li­gen Helfer:innen in der Ver­wal­tung und Recht­fer­ti­gungs­pre­di­ger in den Medien.

Die prak­ti­sche Anwen­dung der Abschreckungs­po­li­tik gegen­über Flüch­ten­den fin­det in der Regel aus­ser­halb des media­len Schein­wer­fer­lichts statt. Hie und da gibt es aber erschreckende Ein­blicke in den grenz­po­li­ti­schen All­tag, den alle sehen kön­nen, die sehen wollen.

Ein­drück­lich zeigt dies etwa der Doku­men­tar­film «The Game – Spiel zwi­schen Leben und Tod». Die Fil­me­ma­che­rin Manuela Federl aus Bay­ern wollte ursprüng­lich eigent­lich bloss einen Hilfs­gü­ter­trans­port ihres Ver­eins mit der Kamera beglei­ten, um den Leu­ten daheim zu zei­gen, was deren Spen­den bewirken.

Was die Regis­seu­rin und ihr Part­ner in Bos­nien jedoch antra­fen, war so erschüt­ternd und schockie­rend, dass sie beschlos­sen, vor Ort eine umfas­sende Doku­men­ta­tion zu dre­hen. Ent­stan­den ist ein Film, der zum Pflicht­stoff für alle Men­schen in unse­rem Land und in ganz Europa erklärt wer­den müsste. Ins­be­son­dere aber für jene, die Tag für Tag in ihren kom­for­ta­blen geheiz­ten Büros über Schick­sale von Men­schen auf der Flucht entscheiden.

Der Film doku­men­tiert unter ande­rem die bru­ta­len «Push­backs» durch die Grenz­be­hör­den, bei denen die Men­schen – dar­un­ter viele Fami­lien aus Afgha­ni­stan, Eltern, Gross­el­tern, Klein­kin­der – immer und immer wie­der von Kroa­tien über die Aus­sen­grenze nach Bos­nien zurück­ver­frach­tet wer­den. Man­chen wer­den die Schuhe abge­nom­men, man schickt sie in Socken und bar­fuss zurück, wie­der und wie­der. Viele wer­den miss­han­delt, geschla­gen. Auf bos­ni­scher Seite zün­det man ihre Zelte an, zer­stört ihre weni­gen Hab­se­lig­kei­ten und ver­sucht immer aufs Neue, sie zu vertreiben.

Doch wohin? Men­schen im Nie­mands­land. Gestran­det, ver­su­chen sie in Rui­nen und im Wald zu über­le­ben. Sie lei­den unter Kälte, Nässe und Hun­ger – mit­ten in Europa. Und ver­su­chen dabei, die Hoff­nung nicht zu ver­lie­ren, eines Tages doch wie­der ein men­schen­wür­di­ges Leben zu leben. Träume zu ver­wirk­li­chen – oder ein­fach nur, dem Hun­ger und der Kälte zu entkommen.

Wie zynisch und men­schen­ver­ach­tend mutet vor die­sem Hin­ter­grund die jüng­ste Kolumne von alt Natio­nal­rat Rudolf Strahm an. Er behaup­tet, Fron­tex sei unver­zicht­bar: «Wer Fron­tex ablehnt, über­lässt die Migra­tion den Schlep­pern und Ban­den. Armuts­mi­gra­tion ist eine glo­bale Tra­gik. Sie erfor­dert Empa­thie, aber auch klare Kontrollen.»

Mit ande­ren Wor­ten: Fron­tex soll uns doch bitte vor der glo­ba­len Tra­gik beschüt­zen… Damit nicht genug: Der ehe­ma­lige SP-Poli­ti­ker ist sich nicht zu schade, in sei­nem Rund­um­schlag auch den noto­ri­schen Scharf­ma­cher und Welt­wo­che-Jour­na­li­sten Kurt Pelda zu bemü­hen, um die Flüchtlingshelfer:innen als Kol­la­bo­ra­teure der Schlepper:innen zu dif­fa­mie­ren. Wenn die Welt nur so ein­fach wäre…

Doch Strahm geht noch einen Schritt wei­ter und stellt sich damit end­gül­tig in die äus­ser­ste rechte Ecke der Men­schen­ver­ach­ter: Er ver­teu­felt die Migra­tion, deren Folge Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten seien, «in gross­städ­ti­schen Quar­tie­ren und Ban­lieues, in Aus­län­der­quar­tie­ren, in denen selbst die Poli­zei macht­los ist» und sieht unsere Gesell­schaft durch die «Ein­wan­de­rung aus Macho-Kul­tu­ren» in Gefahr.

Strahm schürt mit sei­nen Wor­ten Hass und Aus­gren­zung. Als ob uns das Elend und die Not von Men­schen, die nicht das Glück hat­ten, in der selbst­ge­rech­ten Schweiz auf die Welt gekom­men zu sein, nichts anginge.

Das wol­len und dür­fen wir nicht zulassen!

© Bil­der: Stills aus dem Film «The Game – Spiel zwi­schen Leben und Tod» – 2021

Ausgepresste Zitronen und unnötige Stromfresser

Die Schwei­zer Ener­gie­wirt­schaft liebt es, den Teu­fel an die Wand zu malen. Die Rede ist von Ener­gie­krise, dro­hen­der Strom­lücke, Black­out… Nun wird das Ganze zusätz­lich befeu­ert durch die ange­sagte «Ener­gie­wende», sprich den Aus­stieg aus Atom­kraft und fos­si­len Energieträgern.

Des­halb, so lau­tet das, auf dem poli­ti­schen Par­kett von Wirt­schaft­stur­bos bis zu Tief­grün, unbe­strit­tene Nar­ra­tiv, brau­che es rundum einen mas­si­ven Aus­bau der «Erneu­er­ba­ren». Künf­tig soll der immense Ener­gie­hun­ger unse­rer Zivi­li­sa­tion durch eine wei­ter inten­si­vierte Nut­zung von Wind, Sonne und Was­ser gestillt wer­den. Sonst drohe eine Ener­gie­hun­gers­not, heisst es.

Die Schwei­zer Ener­gie­mi­ni­ste­rin Simo­netta Som­ma­ruga agiert dabei als wil­lige Was­ser­trä­ge­rin der Elek­tri­zi­täts­wirt­schaft. Die Bun­des­rä­tin rührt kräf­tig die Trom­mel für den Bau neuer Stau­mau­ern und Kraft­werke in den Alpen. Zudem sol­len die Bewil­li­gungs­ver­fah­ren für die Erstel­lung von Ener­gie­ge­win­nungs-Anla­gen erleich­tert und beschleu­nigt wer­den. Der wäh­rend Jahr­zehn­ten hart erkämpfte Schutz ein­ma­li­ger Land­schaf­ten wird mit die­ser Poli­tik wie­der infrage gestellt. Ein Rück­schritt ohnegleichen.

Dies zeigt sich beson­ders deut­lich am Bei­spiel des Run­den Tischs, an wel­chem im Auf­trag von Som­ma­ru­gas Depar­te­ment neue Was­ser­kraft­pro­jekte mög­lichst wider­stands­frei auf­ge­gleist wer­den soll­ten. Das Ziel: Zusätz­li­che zwei Tera­watt­stun­den Was­ser­strom müs­sen her – auf Teu­fel komm raus. Obschon das Poten­zial der Was­ser­kraft hier­zu­lande weit­ge­hend aus­ge­schöpft ist. «Die Zitrone ist aus­ge­presst», lässt sich etwa Rai­mund Rode­wald von der Stif­tung für Land­schafts­schutz SLS im «Beob­ach­ter» zitieren.

Trotz­dem hat Som­ma­ru­gas Run­der Tisch das von ihm gefor­derte Resul­tat gelie­fert. Immer­hin ver­wei­gerte die SLS die Unter­schrift unter das Schluss­do­ku­ment. Ein ver­zwei­felt anmu­ten­der Ver­such, Sand ins Som­ma­ru­ga­ge­triebe zu streuen. Schon die Idee zu die­sem Run­den Tisch ist mehr als stos­send: Es wäre höch­ste Zeit, statt stets dem Wachs­tum zu frö­nen, sich end­lich ernst­haft Gedan­ken dar­über zu machen, wie jähr­lich zwei Tera­watt­stun­den Ener­gie (oder mehr) ein­ge­spart wer­den könnten.

Ener­gie spa­ren ist näm­lich nicht nur mög­lich, son­dern über kurz oder lang unum­gäng­lich. Aller­dings scheint heut­zu­tage schon der Gedanke an mög­li­che Ein­schrän­kun­gen des Ener­gie­ver­brauchs, mehr denn je, ein Tabu zu sein. Statt­des­sen tole­riert und unter­stützt man ohne mit der Wim­per zu zucken den Bau eines gan­zen Arse­nals von strom­fres­sen­den Data- und Rechen­zen­tren für IT-Rie­sen, für Bit­coin-Mining­far­men und die Pro­mo­tion von Crypto-Valleys.

Frau Som­ma­ruga scheint völ­lig ver­ges­sen zu haben, dass sie nicht nur Energie‑, son­dern auch Umwelt­mi­ni­ste­rin ist. Und dies­be­züg­lich eben­falls eine Ver­ant­wor­tung zu tra­gen hat. Statt­des­sen über­nimmt sie unhin­ter­fragt die Panik­ma­che der Bran­chen­ver­tre­ter und for­dert über den Aus­bau der «Erneu­er­ba­ren» hin­aus sogar noch die völ­lig absurde Erstel­lung von Gaskraftwerken.

Als ober­ste Prä­misse dient ihr dabei die Sorge um die «Sicher­heit» unse­res Lan­des. Die­ses in Tat und Wahr­heit kurz­fri­stige Den­ken, unter dem Druck von pro­fit­ori­en­tier­ten Inter­es­sen, führt lei­der dazu, dass eine viel stär­ker bedrohte Sicher­heit – näm­lich die Sicher­heit der künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen – auf die lange Bank gescho­ben wird, bis sie hin­un­ter­fällt. Oder anders gesagt: Es ist höch­ste Zeit, dass wir uns als Gesell­schaft end­lich ein­ge­ste­hen, dass auch die Zitrone der unauf­hör­li­chen Ener­gie­ver­schwen­dung all­mäh­lich aus­ge­presst ist.

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.