Missachtete Kinderrechte

Mein Bru­der war zwölf oder drei­zehn Jahre alt, als es geschah: Ein Schul­ka­me­rad hatte mit Kreide eine Kari­ka­tur des Klas­sen­leh­rers an die Wand­ta­fel gemalt. Gemein­sam ergänz­ten sie, zur Freude der rest­li­chen Klasse, das Bild mit einem Galgen.

Gar keine Freude hatte der Klas­sen­leh­rer. Als er das von Kin­der­hand an die Tafel gemalte Werk sah, reagierte er panisch. Er wit­terte ein Mord­kom­plott und mel­dete den Vor­fall der Schul­lei­tung. Er unter­stellte den bei­den Buben per­ver­ses Ver­hal­ten, stem­pelte sie zu poten­zi­el­len Gewalt­tä­te­rin und Gefähr­der der Sicher­heit an der Schule.

Die Eltern wur­den zitiert, die Übel­tä­ter muss­ten zum Schul­psych­ia­ter. Dort wurde schnell klar: Das war ein harm­lo­ser Buben­streich, der Leh­rer hatte überreagiert.

Diese längst ver­ges­sen geglaubte Geschichte kam mir wie­der in den Sinn, als ich die Vor­lage für das neue Poli­zei­ge­setz (PMT) stu­dierte. Die­ses sieht näm­lich vor, dass Kin­der und Jugend­li­che bereits ab 12 Jah­ren als «ter­ro­ri­sti­sche Gefähr­de­rin oder ter­ro­ri­sti­scher Gefähr­der» gel­ten kön­nen. Mir ging durch den Kopf: Was, wenn das Gesetz damals schon in Kraft gewe­sen wäre und der Leh­rer Anzeige erstat­tet hätte?

Mit dem neuen Gesetz kann die Poli­zei auch für Min­der­jäh­rige eigen­mäch­tig Mass­nah­men wie Melde- und Gesprächs­teil­nah­me­pflicht, Kon­takt­ver­bote, Aus­rei­se­ver­bote, elek­tro­ni­sche Über­wa­chung oder Mobil­funk­lo­ka­li­sie­run­gen ver­fü­gen und Jugend­li­che ab dem voll­ende­ten 15. Alters­jahr sogar unter Haus­ar­rest stellen.

All diese Mass­nah­men sind Ein­griffe in die Grund­rechte von uns Bür­ge­rin­nen und Bür­gern, die nicht ohne rich­ter­li­che Kon­trolle umge­setzt wer­den soll­ten. Weder für Jugend­li­chen noch für Erwach­sene! Des­halb keine Frage: Das PMT gehört am 13. Juni abgelehnt!

Wenn es um Kin­der und Jugend­li­che geht, kommt näm­lich sogar noch ein wei­te­rer Kri­tik­punkt hinzu: Das neue Gesetz steht im Wider­spruch zur Kin­der­rechts­kon­ven­tion, an die auch die Schweiz gebun­den ist.

So schrie­ben etwa die bei­den inter­na­tio­nal renom­mier­ten Kin­der­rechts­spe­zia­li­sten Jean Zer­mat­ten und Phil­ipp D. Jaffé bereits im Rah­men der Ver­nehm­las­sung zum neuen Gesetz in einem Brief, der von zahl­rei­chen Rechts­exper­tin­nen und ‑exper­ten unter­zeich­net wurde: «Die dem PMT zugrunde lie­gende prä­ven­tiv-repres­sive, auf den Aus­schluss aus­ge­rich­tete Phi­lo­so­phie steht im Wider­spruch zur UN-Kin­der­rechts­kon­ven­tion, da diese Mass­nah­men nur schwer mit dem über­ge­ord­ne­ten Inter­esse des Kin­des­wohls in Ein­klang zu brin­gen sind.»

Jean Zer­mat­ten, wäh­rend 25 Jah­ren Jugend­rich­ter im Wal­lis und Mit­be­grün­der des Inter­na­tio­na­len Insti­tuts für Kin­der­rechte (IDE), war von 2005–2013 Mit­glied des UNO-Aus­schuss für die Rechte des Kin­des, den er von 2011 bis 2013 prä­si­dierte. Der Gen­fer Rechts­pro­fes­sor Phil­ipp D. Jaffé wurde 2018 als zwei­ter Schwei­zer in die­ses Gre­mium gewählt, das die Umset­zung der Kin­der­rechts­kon­ven­tion welt­weit überwacht.

Die 1989 von der inter­na­tio­na­len Staa­ten­ge­mein­schaft ver­ab­schie­dete UNO-Kon­ven­tion über die Rechte des Kin­des wurde von der Schweiz 1997 rati­fi­ziert. Das Über­ein­kom­men for­mu­liert welt­weit gül­tige Grund­werte im Umgang mit Kin­dern und Jugend­li­chen bis zum voll­ende­ten 18. Lebens­jahr, an die sich die Mit­glied­staa­ten zu hal­ten haben. Unter ande­rem wird ver­langt, dass Kin­der und Jugend­li­che einer auf sie zuge­schnit­te­nen Gerichts­bar­keit unter­stellt wer­den müs­sen, weil sie auf­grund ihres Alters, ihrer Ver­letz­lich­keit und ihrer beson­de­ren Bedürf­nisse anders zu behan­deln sind als Erwachsene. 

Gegen die­sen zen­tra­len Grund­satz ver­stösst das PMT. Dazu noch ein­mal Zer­mat­ten und Jaffé: «Unser Land ist auch an die Kon­ven­tion über die Rechte des Kin­des von 1989 gebun­den, in der die Ver­pflich­tun­gen der Staa­ten in Bezug auf die Jugend­ge­richts­bar­keit sehr klar fest­ge­legt sind. Der Poli­zei zu erlau­ben, Zwangs­mass­nah­men gegen 12-jäh­rige Kin­der zu ergrei­fen, ist eine Ver­let­zung die­ser Ver­pflich­tun­gen.» Eine wirk­same Stra­te­gie zur Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung müsse die Men­schen­rechte respek­tie­ren und die beson­de­ren Bedürf­nisse der Jugend­li­chen, ihre Inte­gra­tion und Bil­dung berücksichtigen.

Nächstenliebe – Made in Switzerland

Wäh­rend sich die Men­schen in der Schweiz um Impf­ter­mine drän­geln, errei­chen uns Tag für Tag erschüt­ternde Covid-Nach­rich­ten aus Indien. Viele Regie­run­gen reagier­ten mit der Lie­fe­rung von medi­zi­ni­schem Mate­rial auf die Schreckens­bil­der. Auch die Schweiz.

Anfang Mai wur­den erst­mals 13 Ton­nen medi­zi­ni­sche Hilfs­gü­ter von Zürich nach Neu-Delhi geflo­gen. Nebst Sau­er­stoff-Kon­zen­tra­to­ren und Schutz­klei­dung hatte das Fracht­flug­zeug auch 50 Hamil­ton-Beatmungs­ge­räte an Bord.

«Die Beatmungs­ge­räte wur­den vom Bun­des­amt für Ver­tei­di­gung, Bevöl­ke­rungs­schutz und Sport (VBS) gra­tis zur Ver­fü­gung gestellt. Sie stam­men aus der Armee­apo­theke und wer­den zur­zeit in der Schweiz nicht benö­tigt», ver­mel­dete die SDA.

Zur Erin­ne­rung: Das VBS kaufte im letz­ten Früh­jahr und Som­mer vom Schwei­zer Her­stel­ler Hamil­ton AG 1550 Beatmungs­ge­räte. Zu einem stol­zen Preis, wie Recher­chen der Sonn­tags­Zei­tung damals zeigten.

Geplant war deren Ein­satz in den Kan­to­nen, wel­che diese dem Bund abkau­fen und in ihren Spi­tä­lern ein­set­zen soll­ten. Die Nach­frage hielt sich jedoch in Gren­zen. In der Hek­tik der ersten Pan­de­mie­welle geäus­serte Bestell-Absich­ten wur­den wie­der zurück­ge­zo­gen, einige Kan­tone sol­len gar vom Bund gelie­ferte Geräte wie­der zurück­ge­schickt haben, weil sie dafür keine Ver­wen­dung fanden.

Offen­bar waren die qua­li­ta­tiv hoch­ste­hen­den Schwei­zer Geräte für Schwei­zer Spi­tä­ler nicht nur zu teuer, son­dern auch nicht pra­xis­taug­lich, wie Recher­chen des Sonn­tags­Blicks zeig­ten. So begrün­dete etwa der Kan­ton Aar­gau seine Rück­wei­sung damit, dass das Gerät unge­eig­net für den Spi­tal­ein­satz unge­eig­net sei und man auf dem Markt zu wesent­lich gün­sti­ge­ren Prei­sen adäqua­tere Maschi­nen fin­den würde. Ähn­lich lau­tete die Stel­lung­nahme des Kan­tons Thur­gau: «Bei einem so kom­ple­xen Gerät und der Anwen­dung auf der Inten­siv­me­di­zin ist es essen­zi­ell, dass sich das Per­so­nal auf eine gesi­cherte, geschulte Hand­ha­bung ver­las­sen kann. Ein Mix von Gerä­te­mo­del­len ist daher zu ver­mei­den und nur in einer Not­lage zu vertreten.»

Kurzum: Das VBS blieb so auf über zwei Drit­teln sei­ner Hamil­ton-Geräte sit­zen, die in der Armee­apo­theke ein­ge­la­gert wer­den muss­ten. – Bis zum Tag, als die Welt beschloss, Indien mit medi­zi­ni­scher Not­hilfe bei der Corona-Bekämp­fung unter die Arme zu greifen…

Flugs wur­den 50 der in der Schweiz her­um­ste­hen­den Hamil­ton-Geräte in ein Fracht­flug­zeug gela­den und nach Indien ent­sorgt. Mit dop­pel­tem Gewinn: Im Armee­la­ger wurde wie­der etwas Platz geschaf­fen, und ein Teil der 45 Mil­lio­nen Fran­ken, die das VBS für die ein­ge­la­ger­ten Geräte bezahlt hatte, kön­nen nun über das Not­hilfe-Bud­get des Bun­des abge­bucht werden.

Das wäre ja alles schön und gut, wenn die Beatmungs­ge­räte nun wenig­stens in Indien ihren Zweck erfül­len und einen Bei­trag zur Min­de­rung der Not lei­sten wür­den. Aller­dings muss allen an die­sem Deal betei­lig­ten klar gewe­sen sein, dass diese kom­ple­xen Geräte auch in indi­schen Spi­tä­lern kaum zum Ein­satz kom­men wür­den. Aus Man­gel an qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal, wie die Erfah­run­gen in der Schweiz zeigten.

So kam es, wie es kom­men musste: «In vie­len Staa­ten ste­hen Beatmungs­ge­räte unge­nutzt herum», titelte etwa The Times of India Anfang Woche. Zahl­rei­che wei­tere indi­sche Zei­tun­gen berich­ten dar­über, dass die Spi­tä­ler mit den aus aller Welt ein­ge­flo­ge­nen Beatmungs­ma­schi­nen über­for­dert seien und diese meist unge­nutzt her­um­ste­hen wür­den. Kon­krete Hin­weise dar­über, ob die 50 Hamil­ton-Geräte in der Schweiz in Betrieb seien oder nicht, konn­ten in den kon­sul­tier­ten Quel­len keine gefun­den werden.

Es ist aber davon aus­zu­ge­hen, dass Geräte, die von Schwei­zer Spi­tä­lern zurück­ge­wie­sen wur­den, auch in Indien nicht zu gebrau­chen sind. Somit ist die gross­zü­gige «Not­hilfe» der Schwei­zer Regie­rung nichts ande­res als eine im wahr­sten Sinn des Wor­tes «bil­lige» PR-Aktion. Medial laut­hals ver­kün­det, bei­spiel­haft für die tra­di­tio­nelle Soli­da­ri­tät mit der Welt – made in Switzerland.

So sind die Rei­chen eben: Geben gross­zü­gig an Ärmere ab, was sie nicht mehr brau­chen kön­nen und ihnen nur Ent­sor­gungs­pro­bleme berei­tet. Wei­tere «Not­hil­fe­ak­tio­nen» sind denk­bar, denn es ste­hen ja noch hun­derte von Beatmungs­ge­rä­ten in der Armee­apo­theke herum.

Nach­trag – ein paar Tage später

Covid-19 in Nepal: Die Schweiz schickt 30 Tonnen humanitäre Hilfsgüter

Bern, 21.05.2021 – Die Schweiz unter­stützt Nepal, wo eine äus­serst pre­käre Gesund­heits­si­tua­tion im Zusam­men­hang mit Covid-19 herrscht. Die Huma­ni­täre Hilfe des Bun­des schickt am Frei­tag, 21. Mai 2021, 1,1 Mil­lio­nen Anti­gen­tests, 40 Beatmungs­ge­räte, 10 Sau­er­stoff­kon­zen­tra­to­ren sowie Schutz­ma­te­rial nach Kath­mandu. Die Gesamt­ko­sten die­ser huma­ni­tä­ren Hilfs­ak­tion betra­gen rund 7,5 Mil­lio­nen Franken.

Nach­trag – ein paar Wochen später

(20Minuten – 13.06.2021)

Die Schweiz sei reich­lich ver­sorgt mit Impf­stof­fen, sie erhalte Vak­zine von Pfizer/​Biontech und Moderna im Wochen­rhyth­mus und könne gar nicht viel mehr ver­imp­fen, heisst es. Des­halb sol­len nun sämt­li­che bestellte Dosen des umstrit­te­nen Impf­stoffs des bri­tisch-schwe­di­schen Her­stel­lers Astra­Ze­neca ver­schenkt wer­den. Der Bun­des­rat will kom­mende oder über­näch­ste Woche dar­über entscheiden.

(..)

Viele Län­der und auch die EU wol­len nun keine wei­te­ren Dosen von Astra­Ze­neca mehr bestellen.

Es wird des­halb ver­mu­tet, dass sich das BAG eben­falls vor wach­sen­der Impf­skep­sis fürch­tet und darum den umstrit­te­nen Impf­stoff gar nicht erst in der Schweiz ein­set­zen will. Die inter­na­tio­nale Soli­da­ri­tät wäre dem­nach nur ein Motiv, warum die Schweiz Mil­lio­nen Impf­do­sen verschenkt.

Wieviel Grün braucht es,
in der Stadt?

Wir woh­nen in einem Quar­tier, des­sen Gesicht sich in den letz­ten zehn Jah­ren radi­kal ver­än­dert hat. Kaum eine Lie­gen­schaft ist älter als 20 Jahre. Frü­her stan­den hier, bewohnt von den Eigen­tü­mern, Cha­let­bau­ten mit gross­zü­gi­gen Gar­ten­flä­chen. Dann erla­gen die Besit­zer und ihre Erben dem Lock­ruf des gros­sen Gel­des. Ren­dite, Ren­dite und noch­mals Ren­dite war angesagt.

Die Folge: Weil Inve­sto­ren und Bau­herr­schaf­ten das Maxi­mum aus ihren inzwi­schen teuer gewor­de­nen Grund­stücken her­aus­ho­len woll­ten, wurde und wird die Aus­nüt­zungs­zif­fer jeweils bis zum äus­ser­sten Rand ausgereizt.

Das Resul­tat: Die Gär­ten und ins­be­son­dere der Baum­be­stand sind auf kärg­li­che Grün­rän­der geschrumpft. Bei jeder Bau­stelle wird erst ein­mal Tabula rasa gemacht. Alles Bis­he­rige muss weg: Lie­gen­schaf­ten wer­den zu Bau­schutt, Gär­ten zu Bau­gru­ben, Bäume zu Altholz.

Nach Fer­tig­stel­lung von Neu­bau­ten sind die Bau­herr­schaf­ten zwar gesetz­lich ver­pflich­tet, die ver­blie­be­nen Aus­sen­räume zu begrü­nen. Diese Neu­be­pflan­zun­gen von meist beschei­de­ner öko­lo­gi­scher Qua­li­tät sind jedoch kein Ersatz. Nie mehr wer­den die Rest­bäum­chen und Sträu­cher die frü­here Höhe errei­chen, nie mehr wer­den ihre aus­la­den­den Äste nur annä­hernd soviel Schat­ten spenden.

Mit den Gär­ten ver­schwin­den nicht nur wich­tige Lebens­räume für Tiere und Pflan­zen aus dem Quar­tier. Die zuneh­mende Ver­sie­ge­lung der Ober­flä­chen und der dra­sti­sche Rück­gang der grü­nen Zwi­schen­räume ist auch genau das Gegen­teil von dem, was die Kli­ma­for­sche­rin­nen und ‑for­scher ange­sichts der künf­ti­gen heis­sen Som­mer­mo­nate empfehlen.

Die Bedeu­tung von Grün­räu­men und Bio­di­ver­si­tät in der Stadt ist heute in aller Munde. Grün Stadt Zürich pflanzt denn auch fleis­sig Bäume ent­lang von ver­sie­gel­ten Stras­sen und Plät­zen. In den klei­nen Park­an­la­gen, wel­che bei allen Gross­über­bau­un­gen (z.B. dort, wo Schre­ber­gär­ten wei­chen muss­ten) ein­ge­fügt wer­den, bemü­hen sich die Land­schafts­gärt­ne­rin­nen und ‑gärt­ner dem Trend fol­gend um Bio­di­ver­si­tät und öko­lo­gi­sche Gestal­tung der öffent­li­chen Räume. Die Stadt Zürich ver­fügt sogar über ein Baum­ka­ta­ster. Aus­schliess­lich für Bäume auf öffent­li­chem Grund.

Für schüt­zens­werte Bäume auf Pri­vat­grund besteht weder ein Kata­ster noch ein Inven­tar. Grün Stadt Zürich kann jedoch, wenn aus ihrer Sicht mar­kante oder quar­tier­prä­gende Bäume für ein Bau­vor­ha­ben abge­holzt wer­den sol­len, eine Schutz­ab­klä­rung ein­lei­ten. Laut Aus­kunft der städ­ti­schen Behörde könne in einem sol­chen Fall mit dem Eigen­tü­mer ein Ver­trag aus­ge­han­delt und der Baum unter Schutz gestellt wer­den, wenn dies «die Aus­nüt­zung des Grund­stückes nicht mass­geb­lich beeinträchtigt.»

Im Klar­text: Das Bau­vor­ha­ben hat immer Vor­rang. Auch wenn es bei objek­ti­ver Betrach­tung in völ­li­gem Wider­spruch steht zu den Anfor­de­run­gen an eine nach­hal­tige Ent­wick­lung, wie sie von der Stadt Zürich mit schö­nen Wor­ten pro­pa­giert wird.

Bei­spiel: In unse­rem Quar­tier hat der letzte noch ver­blie­bene «Alt­bau» aus dem Jahr 1926 einem fünf­stöcki­gen Neu­bau mit 14 Kleinst­woh­nun­gen zu wei­chen, der in den letz­ten zwei Jah­ren von einer Stu­den­ten-WG zwi­schen­ge­nutzt wurde.

Das Ganze läuft unter dem Mar­ken­zei­chen «Ver­dich­tung». Was hier ver­dich­tet wird, ist aber ein­zig und allein die Ren­dite, die aus dem Grund­stück gepresst wer­den soll: Laut dem Inve­stor seien Ein- und Zwei­zim­mer­woh­nun­gen am Markt nach wie vor gefragt. Seine Ziel­gruppe: Flug­ha­fen­an­ge­stellte und allein­ste­hende Rent­ne­rIn­nen. Mit ande­ren Wor­ten: Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass diese Woh­nun­gen, wenn über­haupt, mehr­heit­lich als Pied-à-terre genutzt wer­den, von Leu­ten, die ihren Lebens­mit­tel­punkt weder in Zürich noch im Quar­tier haben. Die Folge: Kalte Bet­ten und zuneh­mende soziale Verarmung.

Auf dem Grund­stück leb­ten in der Ver­gan­gen­heit im Schnitt zwi­schen fünf und zwölf Men­schen, bei einem wesent­lich beschei­de­ne­ren Bau­vo­lu­men. Dafür gab es rund­herum einen gros­sen Gar­ten: aus gan­zeit­li­cher Quar­tier­sicht eigent­lich eine schüt­zens­wer­ter Rest-Grün­flä­che. Denn ver­nich­te­tes Grün kehrt auf Stadt­ge­biet nicht mehr zurück.

Der geplante Bau von 14 Klein­woh­nun­gen bedeu­tet auch: Auf der 617 Qua­drat­me­ter klei­nen Par­zelle wer­den 14 sepa­rate Küchen­ein­rich­tun­gen erstellt, mit 14 Koch­her­den, 14 Back­öfen, 14 Geschirr­spü­lern – zusätz­lich 14 sepa­rate WCs, 14 Duschen… Da freuen sich eigent­lich nur die Fir­men Gebe­rit und V‑Zug.

Würde man die Her­aus­for­de­run­gen an die Zukunft unsere Städte ernst neh­men, wären sol­che Bau­vor­ha­ben nicht mehr bewil­li­gungs­fä­hig. Trotz­dem gibt die Stadt auch bei die­sem Pro­jekt grü­nes Licht. Weil sie von Geset­zes wegen muss. Vorläufig.

In der Stadt Zürich sam­melte der Ver­ein Stadt­grün innert kür­ze­ster Zeit über 4’300 Unter­schrif­ten für seine Initia­tive, die mehr Grün für die Stadt ver­langt. Ein bit­ter nöti­ger Schritt, gewis­ser­mas­sen eine Erzie­hungs­mass­nahme für massloss geld­gie­rige Inve­sto­ren. Wer nicht mass­hält, muss an die Leine genom­men wer­den. Auch wenn dann wie­der das Gejam­mer los­geht, über «mass­lose» Ein­griffe ins Privateigentum.

Sel­ber schuld.

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.