Die Oberbürgermeisterin von Eisenach, Katja Wolf, sorgte diese Woche in der deutschen Presse für Schlagzeilen. Weil sie an der ersten Sitzung des neu gewählten Eisenacher Stadtparlaments den vier Stadträten der rechtsextremen NPD den Handschlag verweigerte. Ein Akt von zivilem Ungehorsam seitens eines Stadtregierungsmitglieds.
Sie hatte dies bereits 2014 getan und wurde vom Thüringer Oberverwaltungsgericht deswegen in zweiter Instanz verurteilt. Die Begründung: BürgermeisterInnen seien verpflichtet, neue Stadtratsmitglieder durch einen Handschlag zu bestätigen.
Der Vorsitzende der NPD-Fraktion im Eisenacher Stadtrat ist ein mehrfach vorbestrafter Gewalttäter. Er wurde unter anderem als Rädelsführer eines Sprengstoffanschlags auf einen türkischen Imbiss, Körperverletzung und Volksverhetzung verurteilt. «Mit so einem Menschen und einer Fraktion, die ihn zum Vorsitzenden wählt, kann man keine Normalität herstellen», stellt Katja Wolf klar.
Deshalb hat sie den vier Rechtsextremen die Hand erneut nicht gereicht. «Es geht um eine Fraktion, die dem schwer rechtsradikalen Milieu zuzuordnen ist – sich in all ihren Verlautbarungen, in allen Äusserungen in Eisenach und darüber hinaus weit ausserhalb der Grenzen der Verfassungsmässigkeit bewegt», begründet die Oberbürgermeisterin ihr Verhalten im Interview mit der taz.
Mit ihrer entschiedenen Haltung riskiert sie ihr Leben. Der Mord am hessischen Regierungspräsidenten Lübcke hat uns in den letzten Wochen einmal mehr klar und deutlich vor Augen geführt, dass Rechtsextreme vor nichts zurückschrecken. Lübckes Mörder ist ebenfalls ein bekannter Neonazi mit Verbindungen zur NPD. Auch er war schon in der Vergangenheit straffällig geworden.
Im Fall des Eisenacher NPD-Fraktionsvorsitzenden stellt sich zusätzlich die Frage, weshalb ein Straftäter, der Recht und Verfassung gezielt und wiederholt mit Füssen tritt, überhaupt zu Wahlen zugelassen wird.
Immer deutlicher zeigt sich, dass das vielgepriesene System «Demokratie» an Grenzen stösst. Volksabstimmungen und Wahlen dürfen nicht zu einem Jekami verkommen, das auch schweren Rechtsbrechern, verurteilten Rassisten und Volksverhetzern offen steht.
Ähnliche Probleme haben wir mit der Meinungsfreiheit, die von Rechtsextremen für ihre Zwecke ausgenutzt wird. Sie gilt bei uns als unantastbar und soll nur dann eingeschränkt werden, wenn sie z. B. in strafrechtlich relevanter Aufhetzung ausartet.
Es gibt aber auch Situationen, wo es zivilen Ungehorsam von unten braucht. Wenn z. B. demokratisch gewählte Regierungsmitglieder wie der italienischen Innenminister Matteo Salvini sich über Vereinbarungen der internationalen Seefahrt hinwegsetzen, kann «Demokratie» nicht helfen. Es braucht eine mutige Kapitänin, die unnachgiebig auf Einhaltung der Regeln pocht.
Um die erschöpften Menschen an Bord der SeaWatch 3 in Sicherheit zu bringen, widersetzt sich die Kapitänin Carola Rackete den Anordnungen der italienischen Behörden, nachdem sie tagelang verhandelt und vergeblich auf eine Einfahrtserlaubnis gewartet hatte. Salvini verweigert hartnäckig die Einfahrt, sogar als Brüssel Hand bietet, Lösungen für die Verteilung der Flüchtlinge auf dem Schiff zu organisieren.
Bei der Ankunft im Hafen von Lampedusa wird Carola Rackete festgenommen. «Mein Ziel war nur, die erschöpften und verzweifelten Menschen an Land zu bringen», erklärt sie gegenüber den Medien. Die Menschen an Bord, welche die SeaWatch aus prekärer Lage im Mittelmeer gerettet hatten, seien erschöpft und verzweifelt gewesen.
Ihre Motivation, sich für Seenotrettungen zu engagieren, hatte die aus Norddeutschland stammende Kapitänin der italienischen Zeitung La Republicca wie folgt umrissen: «Ich habe eine weisse Hautfarbe, ich bin in ein reiches Land geboren worden, ich habe den richtigen Reisepass, ich durfte drei Universitäten besuchen und hatte mit 23 Jahren meinen Abschluss. Ich spüre eine moralische Verpflichtung, denjenigen Menschen zu helfen, die nicht meine Voraussetzungen haben.» Auch wenn sie mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen muss.
Zwei mutige Frauen, die nicht gezögert, sondern gehandelt haben. Ungeachtet juristischer Drohungen und massiver Anfeindungen. Jetzt wären zwei Männer an der Reihe…