Richard III. und die Olympiade

Die Stadt Lei­ce­ster hat bereits letz­tes Jahr gegen­über dem Park­platz, wo das Ske­lett aus­ge­gra­ben wor­den ist, Räum­lich­kei­ten gekauft. Das Museum für Richard III. soll im Früh­ling 2014 eröff­net werden.

Bis es soweit ist, behilft man sich mit einer tem­po­rä­ren Aus­stel­lung über die «Ent­deckung von Richard III.», für die man bereits vor der Eröff­nung gros­sen Andrang pro­gno­sti­ziert hatte. Um mög­li­che War­te­zei­ten zu ver­kür­zen, listet die Stadt auf ihrer Web­seite eine Reihe wei­tere Sehens­wür­dig­kei­ten auf. Inklu­sive einem Richard III.-Rundgang.

Die Ent­deckung der sterb­li­chen Über­re­ste des Königs, der es – Shake­speare sei Dank – als düste­rer Des­pot zu Welt­be­rühmt­heit gebracht hat, wurde anfangs Februar als Sen­sa­ti­ons­ge­schichte insze­niert: Auf­grund umfas­sen­der Ana­ly­sen, inklu­sive einem Abgleich von DNA-Pro­ben des Ske­letts mit einem Urgross­nef­fen 17. Gra­des einer Schwe­ster des Königs, sei erwie­sen, dass es sich hier um die sterb­li­chen Über­re­ste von Richard III. handle.

Fast zeit­gleich führ­ten ähn­li­che Unter­su­chun­gen an einem Ske­lett in der Schweiz zu ver­gleich­ba­ren Resul­ta­ten, aber ande­ren Schlag­zei­len. Die Gebeine, die dem 1639 ermor­de­ten Bünd­ner Frei­heits­hel­den Jörg Jena­tsch zuge­schrie­ben wer­den, wur­den eben­falls einer Reihe von Unter­su­chun­gen unter­zo­gen. Wie beim Ske­lett von Lei­ce­ster, lie­ferte auch hier der DNA-Ver­gleich mit Nach­kom­men weit­ge­hende Über­ein­stim­mung, aber kei­nen hun­dert pro­zen­ti­gen Beweis.Während man in Lei­ce­ster selbst­si­cher zur Pres­se­kon­fe­renz lud und die «Ent­deckung von Richard III.» zele­brierte, titelte die Staats­kanz­lei des Kan­tons Grau­bün­den: «DNA-Ana­lyse löst das Rät­sel um Jörg Jena­tsch nicht.» Damit war die Sache vom Tisch – in der Schweiz.

In Gross­bri­tan­nien hin­ge­gen ist mitt­ler­weile ein hef­ti­ger Streit dar­über ent­brannt, wo Richard III. defi­ni­tiv zur letz­ten Ruhe gebet­tet wird: Sowohl Lei­ce­ster wie auch York, woher der König stammte, haben ihren Anspruch kund­ge­tan. Der Wert eines sol­chen Ske­letts ist in Zei­ten des «Kul­tur-Tou­ris­mus» nicht zu unter­schät­zen. Sowohl Lei­ce­ster wie York pokern dar­auf, mit der Ver­mark­tung des längst Ver­bli­che­nen künf­tig Kasse zu machen.

Das Dreh­buch für die «Ent­deckung von Richard III.» stammt von Phil­ippa Lang­ley. Die Schot­tin zeich­net gleich sel­ber für die Insze­nie­rung der «Welt­sen­sa­tion» ver­ant­wort­lich, in der sie – neben Richard III. – die weib­li­che Haupt­rolle über­nimmt. Sie will auf dem Park­platz ste­hend, unter dem die Gebeine begra­ben waren, Richard III. gespürt haben, und dass er gefun­den wer­den wollte. Lang­ley prä­sen­tierte ihre Geschichte der stau­nen­den Welt­öf­fent­lich­keit mit viel Pathos und schil­derte via Pres­se­kon­fe­renz und gleich­zei­tig erschie­ne­nem Doku­men­tar­film, wie sie innert Tagen das not­wen­dige Geld auf­ge­trie­ben und die Uni­ver­si­tät Lei­ce­ster mit der Aus­gra­bung des Ske­letts beauf­tragt habe.

Diese hat ihre Auf­gabe mit Bra­vour erfüllt und die von der Auf­trag­ge­be­rin erhoff­ten Resul­tate gelie­fert. Davon pro­fi­tiert sie auch sel­ber: Wie auf der Web­site der Uni­ver­sity of Lan­ce­ster nach­zu­le­sen ist, wurde die Richard-Geschichte bereits als «For­schungs­pro­jekt des Jah­res» ausgezeichnet.

Was die Geschichte jedoch vor allem ver­dient, ist ein Preis für per­fek­tes Mar­ke­ting: Obschon sich der Beweis auf Indi­zien stützt, die nicht stär­ker sind als jene bei Jörg Jena­tsch, wird kaum jemand auf die Idee kom­men, dass es sich beim Ske­lett aus Lan­ca­ster mög­li­cher­weise doch nicht um Richard III. han­deln könnte…

Gekonnt zau­ber­ten die For­schen­den, gemein­sam mit ihren Auf­trag­ge­be­rIn­nen und den Medien das Traum­bild eines Königs in die Gegen­wart, der vor über 500 Jah­ren gefal­len ist. Damit ern­te­ten sie welt­weit Ruhm und Echo, wäh­rend die Bericht­erstat­tung über den Fall Jena­tsch, wo man sich auf die wis­sen­schaft­li­chen Tat­sa­chen beschränkte, kaum für Schlag­zei­len sorgte. – Zufall, dass man im repu­bli­ka­ni­schen Grau­bün­den den Olym­pia-Plä­nen eini­ger Traum­tän­zer eine Absage erteilt hat, wäh­rend das Ver­ei­nigte König­reich letz­ten Som­mer Olym­pia zelebrierte?

Volle Kraft voraus

Der umstrit­tene «West­ast» der Bie­ler Auto­bahn-Umfah­rung soll um jeden Preis gebaut wer­den. Daran hal­ten sowohl Stadt­be­hör­den wie der Kan­ton fest. Fast schon sym­bo­lisch ist die Tat­sa­che, dass die näch­ste Runde in die­sem bald 50jährigen Trau­er­spiel am Eröff­nungs­tag zum 83. Gen­fer Auto­sa­lon ein­ge­läu­tet wird.

Anläss­lich einer von der Stadt Biel und vom Kan­ton gemein­sam ein­be­ru­fe­nen Pres­se­kon­fe­renz gibt die SP-Bau­di­rek­to­rin des Kan­tons Bern ihrer Freude Aus­druck, dass das Pro­jekt nun an den Bun­des­rat wei­ter gereicht wor­den sei und man die rund 10 Kilo­me­ter Auto­bahn mit­ten durch die Stadt vor­aus­sicht­lich im Jahr 2030 in Betrieb neh­men könne

Dies nach lan­ger Pla­nungs­zeit, wäh­rend der die Bevöl­ke­rung von den Behör­den wie­der­holt mit Fehl­in­for­ma­tio­nen und Halb­wahr­hei­ten abge­spie­sen wor­den ist. Erst auf poli­ti­schen Druck hin wurde schliess­lich im letz­ten Som­mer zu einem «Mit­wir­kungs­ver­fah­ren» gela­den, in des­sen Rah­men, laut Anga­ben der Regie­rungs­rä­tin, rund 140 schrift­li­che Ein­ga­ben von Gemein­den, Orga­ni­sa­tio­nen und Pri­va­ten ein­ge­reicht wor­den seien.

Die guten Ideen und Vor­schläge habe man geprüft, sagt sie. Schliess­lich habe sich das kan­to­nale Tief­bau­amt auf zwei «Anpas­sun­gen» beschränkt: Die offene Auto­bahn­strecke, die künf­tig vier­spu­rig mit­ten durchs Bahn­hof­quar­tier führt, soll um rund 30 Meter ver­scho­ben wer­den. Und der Auto­bahn­tun­nel im Weid­teile-Quar­tier werde «nicht höher zum Boden her­aus­schauen, als das unter­ste Wohn­ge­schoss der umlie­gen­den Hoch­häu­ser.» – Pech für all jene, die im Par­terre wohnen…

Nichts­de­sto­trotz betont Regie­rungs­rä­tin Egger, dass die bei­den «Anpas­sun­gen» der Lebens­qua­li­tät in Biel und Nidau dien­ten und man sich dies auch etwas kosten lasse. Zu teuer hin­ge­gen wäre die Erhal­tung der Lebens­qua­li­tät im Dorf­kern von Ipsach gewe­sen – dort hatte man eine Ver­schie­bung des geplan­ten Tun­nel­por­tals ange­regt, das mit­ten in einem Wohn­quar­tier liegt. – Ein Hohn, in die­sem Zusam­men­hang über­haupt von Lebens­qua­li­tät zu spre­chen: Der dicht besie­del­ten Region wäre mit einem Ver­zicht auf das zwei Mil­li­ar­den teure Pro­jekt näm­lich am besten gedient.

Sol­che Anre­gun­gen, die im Rah­men des Mit­wir­kungs­ver­fah­rens eben­falls ein­ge­gan­gen waren, hat man beim Tief­bau­amt gar nicht erst in Betracht gezo­gen. In Ber­lin gibt es für sol­chen Umgang mit Anlie­gen von Bür­ge­rin­nen und Bür­gern einen schö­nen Aus­druck: Argu­mente der Bevöl­ke­rung, die der Poli­tik und der Ver­wal­tung nicht in den Kram pas­sen, wer­den «weg­ge­wo­gen».

Auch ein Gross­teil der For­de­run­gen, wel­che die Stadt Biel gestellt hatte, wur­den «weg­ge­wo­gen». Trotz­dem hat der Bie­ler Stadt­prä­si­dent, der im Gegen­satz zu gewöhn­li­chen Bür­ge­rin­nen und Bür­gern ein Mit­spra­che­recht hatte, dem Pro­jekt zuge­stimmt. Aus Angst, dass «Bund und Kan­ton man­gels eines mini­ma­len Kon­sens grund­sätz­lich auf den West­ast ver­zich­ten könn­ten.» /​p>

Eine Option, die für den Lokal­po­li­ti­ker offen­bar undenk­bar ist. Nicht zuletzt, weil Bund und Kan­ton die geplante Auto­bahn finan­zie­ren – und sich die Stadt­obe­ren davon eine Gra­tis-Lösung für die (haus­ge­mach­ten) Ver­kehrs­pro­bleme erhof­fen. Eine Hoff­nung nota­bene, die aus den 1960er Jah­ren datiert, als man noch daran glaubte, den Ver­kehr mit dem Bau zusätz­li­cher Stras­sen in den Griff zu bekom­men. – Heute wüsste man es eigent­lich besser.

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