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Stinklangweilig

Ein Wahlvormittag, der Mut macht: Die überwie­gende Mehrheit der ParlamentarierInnen hat sich an ihre im Vorfeld bekannt gegebenen Überlegungen und Strategien gehalten und durch ihr eindeu­tiges Abstimmungsverhalten Ruhe und Klarheit geschaffen. Für einmal statt Ränke- und Machtspielchen politi­sches Verhalten, wie ich es mir von meinen VolksvertreterInnen eigentlich immer schon wünschte. Auf das ich aber kaum noch zu hoffen wagte. 

Ein Desaster hingegen war die Bundesratswahl 2011 für die Medien. Zumindest für all jene, die nicht mehr unter­scheiden können zwischen Unterhaltung und Information. Für sie ist der Spannungsgehalt eines Fussballspiels oder eines Tatortkrimis das Mass aller Dinge. „Stinklangweilig“, lautete in dieser Logik folge­richtig das vernich­tende Fazit der Präsidentin der BundeshausjournalistInnen zur aktuellen Wahl.

Da nützte es auch nichts, dass die ModeratorInnen des deutsch­schweizer Fernsehens durch penetrantes Herbeireden die ach so wohltuend fehlende Spannung doch noch zu erzeugen versuchten. Fast hätten sie einem leid tun können, wie sie verzweifelt versuchten, die Sendezeit über die Runden zu bringen. – Als ihnen trotz aller Bemühungen keine neuen Fragen politi­schen Inhalts mehr einfielen und sie die alten zur Genüge wiederholt hatten, wechselte man in der Not vom Kriminal- ins Regenbogengenre und debat­tierte eingehend über ein so zentrales Thema wie das Krawattentragen.

Nun rächte sich, dass sich die BundeshausjournalistInnen in den letzten Jahren zu sehr daran gewöhnt hatten, dass Bundesratswahlen als wilde Räubergeschichten daher­kamen, für welche die Akteure das Drehbuch auch gleich selber schrieben. Und sie – die JournalistInnen – das Ganze nur abzubilden brauchten.

Mikrofon hinhalten und Kamera drauf. Plattformen bieten für Politikerverlautbarungen, darin erschöpfte sich bereits im Vorfeld der Nationalrats- und Ständeratswahlen ein Grossteil der Medienarbeit. Nicht nur bei der SRG, die ihr gut dotiertes Wahlbudget für eine Werbesause auf dem Bundesplatz und in eigener Sache einsetzte, statt in Recherchen.

Für die Bundesratswahlen wurde das Ganze zusätzlich garniert mit immer neuen Spekulationen und Sandkastenspielchen darüber, wer eventuell mit wem welche Päckchen schnüren könnte. Bis zum Überdruss hat man mögliche und unmög­liche Szenarien herbei­ge­schrieben und ‑geredet. Nur recher­chiert hat (fast) keiner. Wie sonst ist zu erklären, dass Herr Zuppigers unrühm­liche Vergangenheit erst letzte Woche und nur von der Weltwoche aufge­griffen wurde?

Heftig wurde im Nachhinein darüber speku­liert, warum gerade die Weltwoche diese Geschichte gebracht habe und welche strate­gi­schen Überlegungen zum plötz­lichen Fall des Hinwiler Möchtegern-Bundesrats geführt haben mögen.

Viel beunru­hi­gender finde ich jedoch die Frage, weshalb nur die Weltwoche und kein anderes Medium, kein einziger anderer Journalist im Umfeld der nominierten KandidatInnen recher­chiert und Verfehlungen, wie sie Bruno Zuppigers Biografie zieren, an die Öffentlichkeit gebracht hat. Notabene bereits vor den eidge­nös­si­schen National- und Ständeratswahlen.

Die Schande von Bern

Der korea­nische Gastpianist hatte uns für sein Konzert mit dem Berner Symphonieorchester in die Hauptstadt einge­laden. Ein willkom­mener Anlass, sich endlich wieder einmal ins Nachtleben meiner alten Liebe Bern zu stürzen. 

Konzertbeginn um halb acht. Nach längerer Diskussion erhalte ich an der Casino-Kasse sogar die vermeintlich hinter­legten Tickets. Sie sind der Grund für den ersten Dämpfer, an diesem Abend: Die Galerieplätze erlauben nur einen beschränkten Blick auf unseren Freund. Eigentlich war ich davon ausge­gangen, dass die Gäste des Solokünstlers in die Gunst von einiger­massen guten Plätzen kommen würden.

Schwamm drüber, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Und so überhöre ich die trockene Bemerkung meines Begleiters, als er in der Pause meint, schon aus akusti­schen Gründen hätten wir besser Geld in die Hand genommen und uns einen Platz im Parkett geleistet.

Dort wären wir aber den erheb­lichen Intonationsproblemen der Hornfraktion noch direkter ausge­setzt gewesen. Die Missklänge sind so deutlich zu hören, dass ich die unver­meid­liche Bemerkung meines Begleiters – diesmal murmelt er etwas über das Berner Publikum, das halt die Qualität des Tonhalle Orchesters nicht kenne – beim besten Willen nicht einfach als Zürcher Arroganz abtun kann. Obschon ich das, in gewohnter Berner Manier, allzu gerne tun würde.

Erst im Nachhinein erfahren wir, dass die Konzertveranstalter mit Freibilletten derart geizten, dass sogar die Agentin des Solisten ihren Eintritt selber hat berappen müssen. Unsere Plätze musste der Pianist aus dem eigenen Sack bezahlen. Leider vergass er, die Tickets wie vereinbart zu hinter­legen. Mit anderen Worten: Nicht einmal die Galerieplätze, die man uns schliesslich zugewiesen hat, wären ihm als Freibillette zugestanden…

Doch zurück zu besagtem Abend: Sobald der letzte Applaus verklungen ist, freuen wir uns auf eine kulina­rische Fortsetzung des Geniessens und steuern mit gezieltem Schritt Richtung Falken. Ein Blick durchs Fenster lässt mein Herz höher schlagen: Ein freier Tisch – und das, an einem Freitagabend! Kaum stehen wir im Türrahmen, kompli­men­tiert uns jedoch das Kopfschütteln des Kellners wieder hinaus: Es ist gerade mal zwanzig vor Zehn – aber zu Essen gibt’s hier nichts mehr.

Ich kann’s nicht fassen – früher war das anders. Oder erliege ich nostal­gi­scher Verklärung? Zum Glück gibt es noch andere Beizen in Bern. Nur ein paar Meter weiter das gemüt­liche Metzgerstübli. Ein Zettel an der Tür lässt uns wissen: Kein Platz. Auch um die Ecke, im Ratskeller, herrscht reger Betrieb. Gefühlte zehn Minuten stehen wir im Eingang und schauen dem Treiben zu. Man bedeutet uns zwar, dass die Küche noch arbeite, doch die Kellnerin macht einen derart erschla­genen Eindruck, dass wir uns ihrer schliesslich erbarmen und das Weite suchen.

Mein einstiges Lieblingsrestaurant Landhaus ist seit Ewigkeiten «wegen Renovation vorüber­gehend geschlossen», also heissen die nächsten Trümpfe Krone und Webern. Beide Lokale verkö­stigen an diesem schick­sal­haften Abend private Gesellschaften, was meinen Begleiter dazu veran­lasst, über die Selbstgerechtigkeit der Berner zu schnöden, denen Gäste von auswärts nur lästig seien. «Commerce» sage ich – aber auch dort ein Zettel. Langsam vergeht mir der Appetit.

Ins Lorenzini wollen wir nicht, Bindella haben wir in Zürich mehr als genug. Am Weg liegt noch der Goldene Schlüssel. Mittlerweile ist zehn Uhr vorbei, weshalb uns die ansonsten sehr freund­lichen Kellner im geräu­migen Lokal vor lauter Aufräumen gar nicht beachten. – Was schliesslich bleibt, ist der Halbelf-Uhr-Zug nach Zürich, Erschütterung über mein Bern, das mich so im Stich gelassen hat – und ohni Z’nacht ins Bett.

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