Lecker lockt die neckische Forelle im zart-gelben Suppenmeer. Ein Bild aus dem Kochstudio, wie es schöner nicht sein könnte. „Das Rezept dafür möchte ich gerne haben“, sagt mein Besucher voller Begeisterung – man sieht buchstäblich, wie ihm das Wasser im Mund zusammen läuft.
Das kann er haben. Doch bevor es soweit ist, muss er sich durch einen Gewürzladen hindurch kämpfen, Erbsen zählen, Salatsaucen abschmecken oder Fastfood-Pizzas nach seinem individuellen Geschmack aufmotzen.
Auf der letzten Doppelseite der 30seitigen, bunten und aufwändig gestalteten Broschüre dann schliesslich das Rezept zum Bild auf der ersten Seite. Die Bündner Gerstensuppe mit Safran und Forellenfilet wurde vom 18-Punkte-Koch der „Chesa Pirani“ in La Punt bei St. Moritz kreiert. Wie es der mediengewandte Restaurantbesitzer, der in der Sendung „Bumann der Restauranttester“ auf dem Privatsender 3+ regelmässig in Not geratenen Konkurrenzbetrieben mit Gastronomietipps aus der Patsche zu helfen sucht, in die diesjährige offizielle Wahlbroschüre des Bundes geschafft hat, darüber kann nur spekuliert werden.
Vielleicht hängt es mit der bündnerischen Herkunft der Auftraggeberin, Bundeskanzlerin Corina Casanova zusammen? Oder mit dem erlauchten Gästekreis, dessen sich das Restaurant in seinem Pressetext rühmt? Dazu gehören „allen voran das schwedische Königspaar Silvia und Carl Gustav, Ex-Bundesräte wie Ogi und Blocher, Schauspielerin Liz Hurley, Ex-Missen wie Lolita Morena, Patricia Fässler, Tanja Gutmann, Sportler wie Ferdi Kübler, Toni Rominger…
Wie dem auch sei, das Rezept und seine Herkunft sind eigentlich völlig nebensächlich. Das Ziel der Broschüre ist einzig und allein, möglichst vielen stimmberechtigten BürgerInnen dieses Landes das Wählen schmackhaft zu machen und eine Anleitung dafür zu liefern, wie es geht.
In der viel beschworenen guten alten Zeit reichten dafür ein paar eng bedruckte, sachlich gehaltene aber klar formulierte Seiten. Heute, im Zeitalter von Infotainment und Lifestyle, scheint die Bundeskanzlei nicht länger hinter den Parteien und ihren Werbern zurück stehen zu wollen. Die Metamorphose des amtlichen Wahlbulletins in eine Kochanleitung dürfte eine Stange Geld gekostet haben.
Die verschiedenen Parteien erhalten jede ihr Gewürzsäcklein zugeteilt und dürfen sich eine Seite lang selber vorstellen, inklusive ihrem politischen Rezept. Dazu kommt eine Reihe von Metaphern aus der Kochwelt, die unser politisches System erklären und gleichzeitig eine Wahlanleitung vermitteln wollen. Eine Torte mit Zuckerguss, auf der die schweizerische Politik und ihre VertreterInnen auf zwei Achsen mit den Polen links-rechts sowie konservativ-liberal reduziert wird, trägt zur weiteren Verwirrung bei.
Zwar bleiben sachliche Informationen bei diesem Elaborat einmal mehr auf der Strecke. Immerhin hat das Ganze aber einen gewissen Unterhaltungswert: Auf die Idee, dass „Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Glashaus sitzen, wie unser Gemüse im Aspik“ muss man erst einmal kommen. Und die Behauptung „Die Schweiz, die grösste Monarchie“ hat das Potenzial zu einem Cabaretprogramm.
Was das alles in einer Wahlanleitung zu suchen hat, müsste man mir allerdings noch separat erklären. Aber bitte nicht mit einem weiteren Rezeptbuch!