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Ausverkauf der Heimat

Da mag die Herbst­sonne noch so freund­lich lachen: Momen­tan will auch bei der schön­sten Rad­tour über Land keine rechte Freude auf­kom­men. Immer frem­der fühle ich mich in die­sem Land, wo mir von jeder Scheu­nen­wand und aus jedem Feld ent­ge­gen­ge­schrien wird, wie und mit wem meine Schweiz zu ret­ten sei. 

Schon im August mar­schierte am Zür­cher Haupt­bahn­hof eine Wand schwar­zer Schuhe auf uns zu. Die Roll­wer­bung, wo alle paar Sekun­den ein neues Bild erscheint, ist ein­zig und allein mit den immer glei­chen SVP-Pla­ka­ten bestückt. Wie ein teuf­li­sches Per­pe­tuum-mobile tor­pe­diert uns diese Wer­bung end­los mit dem immer glei­chen Spruch.

So wie die­ser Tage der öffent­li­che Raum bestückt ist, käme wohl kein Frem­der auf die Idee, dass wir hier in einer Demo­kra­tie leben. Zu ein­sei­tig und gleich­ge­schal­tet ist, womit wir zuge­deckt werden.

Nicht ein­mal im Kul­tur-Kino Riffraff gibt es eine Ver­schnauf­pause: Auf der Lein­wand, wo gerne kul­tu­rell hoch ste­hende und gesell­schafts­kri­ti­sche Filme gezeigt wer­den, domi­nierte bei unse­rem letz­ten Besuch ein SVP-Spot den Wer­be­block. Damit kann man Geld ver­die­nen. So ver­kauft auch ein Kino­be­sit­zer schnell mal seine Seele – und recht­fer­tigt das Ganze im Nach­hin­ein mit einem rhe­to­ri­schen Salto Mortale.

Da gibt es nur eins: Boy­kott, Gegen­ak­tio­nen, Auf­be­geh­ren. Es kann nicht sein, dass wer genü­gend Geld auf­wirft, sich Zugang zu jeder Facette unse­res All­tags ver­schafft und den öffent­li­chen Raum end­los domi­niert. Hut ab vor all jenen, die mit krea­ti­ven Aktio­nen, wie z.B. dem weis­sen Über­ma­len der Schuh­pla­kate in Schaff­hau­sen oder dem auf besagte Pla­kate gekleb­ten Auf­ruf “Gekauf­ter Poli­tik einen Denk­zet­tel ver­pas­sen” ein Stück Hei­mat zurückerobern.

Sogar die SBB haben reagiert, weil sich viele über die ein­sei­tige Pla­ka­tie­rung in den Bahn­hö­fen beschwert hat­ten: Seit dem 1. Okto­ber kann ein ein­zi­ger Kunde noch maxi­mal die Hälfte der Pla­kat­wände auf ein­mal kau­fen und bespie­len. Ein klei­ner Schritt in die rich­tige Rich­tung. Die Hälfte ist immer noch zuviel, wie aktu­ell in Zürich zu sehen ist: Nach den Schu­hen haben wir nun die mas­sierte FDP-Liebe zur Schweiz. Was kaum bes­ser ist.

Auf ande­ren Bahn­hö­fen ein ähn­li­ches Trau­er­spiel: Das welt­of­fene Basel, eben­falls von der SVP gekauft. In Bern freue ich mich, nach Ver­las­sen der Bahn­hof­pas­sa­gen, über eine BLS-Wer­bung fürs Schilt­horn, das wenig­stens Weit­sicht ver­spricht. Gleich­zei­tig frage ich mich wie­der ein­mal, warum eigent­lich auch noch mit jedem Qua­drat­me­ter des öffent­li­chen Raums Pro­fit gemacht wer­den muss.

Aber wenn es denn schon sein muss, wenig­stens mit Geschmack und Gefühl. Gross war meine Freude beim letz­ten Besuch in Biel. Rich­tig stolz war ich, auf meine alte Hei­mat, wo besag­tes SVP-Pla­kat bloss den Hin­ter­aus­gang ver­un­stal­tet. Die Wände bei den Per­ron-Auf­gän­gen sind bunt durch­mischt – Gesich­ter und Paro­len quer­beet durch die poli­ti­sche Land­schaft. Mit leich­tem Heim­vor­teil für den Hans ins Stöckli. Und beim Haupt­ein­gang wer­ben zwei grosse Pla­kate für die Grünen.

Das ist nicht nur poli­tisch kor­rek­ter und demo­kra­ti­scher als alles andere, was ich in den let­zen Wochen und Mona­ten in Sachen Wahl­wer­bung gese­hen habe. Es ist auch abwechs­lungs­rei­cher und ästhe­ti­scher. Fast ein klei­nes Stück Heimat.

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