Zwei Minuten vor fünf. Der Moderator von DRS3 wünscht sich sehnlichst die Nachrichten herbei, ihm ist der Stoff ausgegangen. Also quasselt er, live aus dem temporären Wahlstudio, irgendetwas von der Sonne, die ihm direkt aufs Zifferblatt scheine. Dass hier beste Stimmung herrsche um Bier zu trinken und es morgen bestimmt wieder einen guten Tropfen zu kosten gebe, weil dann der Kanton Zürich auf dem Bundesplatz zu Gast sei.
Welch ein Aufatmen, als endlich das Signet für die 17-Uhr-Nachrichten ertönt. Und welche Erleichterung, dass kurz nach diesem legendären Herbstnachmittag mit dem sonnengeblendeten Moderator auch die allerletzte SRF-Show überstanden ist.
Zwei Wochen lang inszenierte die SRG, direkt vor dem Bundeshaus, eine Wahlsause. Das Rezept war das gleiche, wie schon bei der unseligen Aktion „Jeder Rappen zählt“: Die Journalistinnen und Journalisten erfinden irgendwelche Happenings, die das Publikum anlocken und zum Mitmachen animieren sollen – und über die man dann berichten kann.
So gab es während vierzehn Tagen täglich neue Überraschungen, wie zum Beispiel öffentliches Politikerjassen mit Publikumsbeteiligung, Fotoshooting mit Schönheitskönigin und Rekruten oder musikalische Highlights dank Life-Auftritten von Schweizer Bands. Aber auch touristisches Schaulaufen der Kantone (inklusive Wein und Wurst) sowie Aufmarsch der Parteien – ebenfalls inklusive Wurst, Wein und Bier.
Politikerinnen und Politiker, meist schon Gewählte und sehr oft Parteipräsidenten, erhielten ausgiebig Zeit und Plattformen, um ihre Programme zu deklarieren, Parolen zu verkünden und sich als Good Guys zu präsentieren. Diese Selbstdarstellungen wurden dann über Radio, Fernsehen und Online-Medien im ganzen Land verbreitet; immer wieder neu aufgekocht und in unzähligen Variationen.
Eine aufwändige Sache, die auch eine Stange Geld gekostet haben dürfte. Wieviel, wollte SRG-Direktor Roger de Weck nicht verraten, rechtfertigte aber die Ausgaben, laut SRG-Bundesplatz-Website, mit den Worten: „Das ist gut investiertes Geld. Das ist eine eidgenössische Wahl.“
Einverstanden, für die Berichterstattung im Umfeld von Wahlen sollten keine Kosten gescheut werden. Sie ist ein zentraler Bestandteil des Leistungsauftrags der SRG und wichtig für das Funktionieren unserer Demokratie. Und sie bietet Stoff für spannende Geschichten.
Aktuelle Beispiele, wie Worte und Taten von PolitikerInnen auseinander driften, hätte es in den letzten zwei Wochen zur Genüge gegeben. Journalistisch fundiertes Nachhaken, Zusammenhänge schaffen und Hintergründe ausleuchten gehörte aber nicht zum Programm auf dem Bundesrummelplatz. Was es da zu hören und zu sehen gab, waren ewig gleiche Parolen, altbekanntes Gezänk – Gemeinplätze und Banalitäten ohne Ende.
Das Ganze war denn auch ziemlich langweilig – das fand auch das Publikum, glaubt man den Einschaltquoten. – Kein Wunder: Weder die Politik noch sogenannte Wahlsendungen werden mehrheitsfähiger oder spannender, wenn man sie ihrer Inhalte beraubt. Kommt dazu, dass es keinen Grund mehr für Konzessionsgebühren gibt, wenn vor lauter ‑tainment die Info auf der Strecke bleibt.
Deshalb, liebe SRG – vertrau» ein nächstes Mal wieder dem Handwerk der JournalistInnen und lass sie tun, was sie am besten können (sollten): Recherchieren, Hintergründe und Zusammenhänge aufzeigen, Missstände aufdecken. Das sind die Investitionen, die es für knackige und quotenträchtige Politsendungen braucht!