«Schwere Schlappe für das garantierte Grundeinkommen» titelte letzte Woche der Tagesanzeiger. Im Echo der Zeit sprach die Moderatorin von einem «Rückschlag für die Idee», mit dem Auslaufen des Pilotprojekts in Finnland sei «die Luft etwas draussen». – Ihr Interviewpartner fabulierte von einem «Abbruch des Experiments», und die NZZ schreibt, das Pilotprojekt werde «bereits» auslaufen.
Das alles ist schlicht falsch und einfach abgeschrieben. Und zwar von einer einzigen Quelle: Business Insider Deutschland verbreitete am 19. April die Meldung «Finnland beendet völlig überraschend sein Grundeinkommen-Experiment». Eine Falschmeldung, die auf einem Artikel in der schwedischen Tageszeitung «Svenska Dagbladet» basierte. *
In der Folge verbreiteten die deutschsprachigen Medien letzte Woche fast unisono die Nachricht, das vielbeachtete Experiment mit dem bedingungslosen Grundeinkommen in Finnland sei gescheitert. Es folgten Analysen und Einschätzungen von sogenannten Experten, die verkünden durften, die Idee des «bedingungslosen Grundeinkommens» habe einen schweren Rückschlag erlitten…
Einige überprüfbare Facts zur Erinnerung: Anfang 2017 hatte die finnische Regierung ein auf zwei Jahre angelegtes Pilotprojekt bewilligt, wonach 2000 der insgesamt rund 175’000 arbeitslosen FinnInnen aus der Arbeitslosenkasse monatlich ein Grundeinkommen von € 560 erhalten sollten.
Ein von vornherein begrenztes Experiment, das nun Ende Jahr wie geplant beendet wird. Erst nach Abschluss dieser Phase werde man die notwendigen Erhebungen in Angriff nehmen, um die Wirkung zu beurteilen, wie Projektleiterin Marjukka Turunen im Interview mit Zeit Online festhält. Weil man die ProbandInnen während der zweijährigen Laufzeit nicht mit Befragungen und Kontrollen unter Druck setzen wollte.
Wie sich das bescheidene Grundeinkommen auf die Lebenssituation der ProbandInnen ausgewirkt hat, wird man also erst nach Beendigung und Auswertung des Experiments beurteilen können.
Tatsache ist:
Bevor diese Auswertung vorliegt, gibt es ausser warmer Luft nichts zu vermelden.
Eine Ausweitung des Experiments auf weitere ProbandInnengruppen sowie eine Verlängerung der Testphase wären aus wissenschaftlicher Sicht wünschenswert gewesen, räumen sowohl die Projektleiterin wie auch Ollis Kangas, Direktor am Forschungsinstitut der finnischen Sozialversicherungen KELA ein. Doch von Anfang an sei klar gewesen, dass das Budget beschränkt sei.
Klar ist auch: Das Pilotprojekt findet nicht im luftleeren Raum statt. So wie die Implementierung wird auch eine denkbare Fortsetzung des Projekts von der Politik bestimmt. Und die hat im Augenblick nur einen Fokus: Im April 2019 wählen die FinnInnen ein neues Parlament. «Bis dahin will die Mitte-Rechts-Regierung keine neuen Experimente wagen, sondern ihr Profil schärfen, um Wähler zu mobilisieren», schreibt die Wirtschaftswoche Online. Dazu gehören Massnahmen, die der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens diametral widersprechen, wie zum Beispiel härtere Strafen für Arbeitslose, die sich aus Sicht der Behörden nicht genügend um einen neuen Job bemühen.
Fazit: Der mediale Hype um das «Scheitern» des bedingungslosen Grundeinkommens in Finnland ist eine Blasé: Fake News vom Ärgerlichsten. Nachdem man zuerst den Mini-Versuch als ersten Durchbruch hochgejubelt hatte, wird nun dessen geplantes Ende als Absturz verkauft. Was dabei auf der Strecke bleibt: Eine faktenbasierte Berichterstattung und Auseinandersetzung über das in der Tat brennende Thema «Sozialpolitik und bedingungsloses Grundeinkommen» (in Finnland und anderswo).