Eigentlich hatten wir das im Frühjahr ganz gut hingekriegt: Die empfohlenen Hygieneregeln wurden weitgehend beachtet, man hat Distanz gehalten – um dem neuartigen Corona-Virus so die Ausbreitung zu erschweren.
Auch wir haben uns selbstverständlich an diese Regeln gehalten. Weil Covid-19 eine Krankheit ist, vor der man in der Tat lieber verschont bleiben möchte. Und wir halten weiterhin Distanz, wenn wir im Büro mit unseren KollegInnen diskutieren. Wir meiden grosse Menschenansammlungen und beschränken Umarmungen und körperliche Nähe auf einen überschaubaren Kreis uns nahestehender Menschen.
Die im März verordneten Massnahmen zeigten Wirkung, die Fallzahlen sind drastisch gesunken. Ohne Ausgehverbote, ohne Maskenzwang. Natürlich half der Lockdown. Keine Massenveranstaltungen, keine Club-Orgien, kein internationaler Reiseverkehr – insbesondere auch keine Flüge – und Homeoffice. Die Menschen waren, wenn überhaupt, zu Fuss und mit dem Velo unterwegs – die Züge fuhren fast leer durchs Land.
Viele haben diese Zeit positiv erlebt. Weniger Stress, weniger Zwänge – mehr Zeit für sich, die Familie. Damit ist längst Schluss. Der Druck von Seiten der Wirtschaft und aus politischen Kreisen war enorm – und hat leider allzu schnell Wirkung gezeigt. Zurück in eine «neue Normalität» hiess: So schnell als möglich wieder «Business as usual».
Statt die positiven Erfahrungen aus der Lockdown-Zeit zu nutzen, um unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben nachhaltig in gesündere Bahnen zu lenken, versucht man jetzt, dem Virus mit reiner Symptombekämpfung beizukommen.
Erstes Opfer sind der öffentliche Verkehr und seine NutzerInnen. Offenbar ertragen es gewisse Kreise in diesem Land nicht, dass Menschen selbstverantwortlich handeln. Und eine Maske fachgerecht aufsetzen, wenn es angezeigt ist. Nämlich dann, wenn Distanzhalten nicht möglich ist.
Also sollen sich nun alle Zug‑, Bus- und Tramreisenden hinter einer Masken verstecken. Angesichts der aktuell bescheidenen Belegung eines Grossteils der öffentlichen Verkehrsmittel ist das schlicht unverhältnismässig. Als regelmässige ÖV-Nutzerin und GA-Inhaberin weiss ich, wovon ich schreibe. Und werde den Verdacht nicht los, dass viele der jetzt in den sozialen Medien laut nach der Maskenpflicht schreienden SelbstdarstellerInnen öffentliche Verkehrsmittel nur von aussen oder vom Hörensagen kennen.
Wer hingegen jetzt mit dem ÖV unterwegs ist, erlebt ein riesengrosses Maskentheater, dessen Wirksamkeit höchstens psychologischer Art sein dürfte. Keine Spur von fachgerechtem Umgang mit Gesichtsmasken. Man trägt sie am Kinn, unter der Nase, steckt sie in die Hosentasche, sobald man aus dem Zug aussteigt oder trägt sie am Handgelenk. Nicht wenige binden sich zudem eine selbstgenähte Stoffmaske vors Gesicht. Obschon allgemein bekannt ist, dass deren Nutzen noch beschränkter ist.
Das obrigkeitlich verordnete Placebo schützt denn auch höchstens indirekt gegen das Virus. Weil uns die maskierten Mitmenschen auf Schritt und Tritt daran erinnern, dass das Virus nicht ausgerottet ist. Im Gegensatz zu Placebos aus Milchzucker könnte diese Maskenpflicht aber böse Nebenwirkungen zeitigen.
Wenn man sich zum gegenseitigen Schutz voreinander hinter Masken versteckt, werden alle Mitmenschen in unserer Wahrnehmung zur potenziellen Gefahr. Der sinnlose Maskenverschleiss führt zu neuen Abfallbergen – Spuren davon sind jetzt schon im öffentlichen Raum wahrnehmbar.
Und last but not least steigen jetzt viele Leute wieder aufs Auto um. Umwelt, Klima – überlebenswichtige Themen, bleiben seit Corona vermehrt auf der Strecke. So, dass wir eines Tages tatsächlich Masken tragen müssen, um wie in asiatischen Städten, unsere Lungen vor der Luftverschmutzung zu schützen.