«Reis für die Welt», unser erster gemeinsamer Dokfilm, wurde vor genau 20 Jahren in der Sendung MTW (Menschen Technik Wissenschaft) des Schweizer Fernsehens uraufgeführt. Es ging um die Frage, ob Gentechnologie oder Biolandwirtschaft der richtige Weg sei, um Hunger und Armut zu überwinden.
Aufgrund gründlicher Recherchen und nach den Dreharbeiten an der ETH und auf den Philippinen, war für uns klar: Statt Hightech-Methoden in den Labors zu fördern, über deren langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und die Ökosysteme man keine gesicherten Erkenntnisse hat, braucht es vermehrt Unterstützung für Kleinbauern, die mit eigenem Saatgut, naturnah und nachhaltig produzieren.
Trotzdem sollte das Fazit unseres Films, auf Druck des damaligen Redaktionsleiters beim MTW, «ausgewogen» ausfallen und offen lassen, ob Bio oder Hightech der Menschheit den besseren Nutzen bringe. Er selber entschied sich für den Gentech-Weg – mit Erfolg: Sein Engagement für die Biotechnologie brachte ihm, nach seiner Zeit beim Schweizer Fernsehen, wiederholt lukrative Mandate ein.
Als unser Film ausgestrahlt wurde, stand die von der Agro-Industrie gepushte grüne Gentechnologie erst in den Startlöchern: 1995 wurde in den USA erstmals gentechnisch verändertes Saatgut für den kommerziellen Anbau freigegeben. In der Folge breiteten sich die Anbauflächen Jahr für Jahr aus: Heute werden laut Statistiken der Agro-Lobbyagentur ISAAA auf 181 Millionen Hektaren gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut — dies entspricht rund 13 Prozent der weltweiten Ackerfläche.
Für Agrokonzerne wie Monsanto oder Syngenta ist die Gentechnologie ein mehrfach lukratives Geschäft: Biotechnologisch hergestellte Pflanzen lassen sich nicht nur patentieren – über die Hälfte der kommerziellen Gentechpflanzen erhielten eine Resistenz gegen Herbizide verpasst, die von den Herstellern gleich mitgeliefert werden. Verwendung findet dieses Saatgut in der industriellen, von Monokulturen dominierten Landwirtschaft in Ländern wie den USA, Kanada, Brasilien, Indien oder China. Am weitesten verbreitet ist das sogenannte Round-up-Ready-Saatgut von Monsanto, das gegen Glyphosat resistent ist.
Die Forscher an der ETH, deren Arbeit wir dokumentierten, distanzierten sich von solch kommerziellen Machenschaften. Sie konstruierten in ihren Labors gentechnisch verbesserte Reissorten, die dereinst den armen Bauern in Asien und Afrika die Überwindung von Armut und Hunger ermöglichen sollten. Die Vision des mittlerweile emeritierten ETH-Professors Ingo Potrykus: Gentechnisch veredelter «Golden Rice» zur Bekämpfung von Vitamin-A-Mangel. Ein technokratischer Ansatz, der an der Realität vorbeizielt: Die Kleinbauern, die wir auf den Philippinen besuchten, waren stolz auf ihr selbstgezüchtetes Saatgut. Sie verzichteten auf den Zukauf von giftigen Pflanzenschutzmitteln und konnten deshalb in den bewässerten Reisfeldern Fische aussetzen und auf den Dämmen Gemüse pflanzen. Damit verbesserten die Biobauern gleichzeitig die Biodiversität auf den Feldern sowie ihre Erträge.
Solche Ansätze für eine nachhaltige Ernährungssicherung werden gerne belächelt. Kritische Stimmen, die vor den Folgen gentechnischer Veränderungen warnen oder den Nutzen der Biotechnologie für die Landwirtschaft in Frage stellen, bekämpft die Agro-Industrie seit zwanzig Jahren mit aller Härte. Dabei schreckt sie auch nicht davor zurück, unliebsame Forschungsresultate unter den Tisch zu kehren und Wissenschaftler, die kritische Fragen stellen, zu diffamieren.
Jüngstes Beispiel dafür ist der amerikanische Biologe Jonathan Lundgren, der von seiner Arbeitgeberin – der US-Agrarbehörde USDA – dispensiert wurde. Dies – so schreibt er in seiner Whistleblower-Klage ans US-Bundesgericht – weil er u.a. auf mögliche Risiken von RNAi-Pestiziden hingewiesen habe. Diese Neuentwicklungen der Grünen Gentechnologie, die von den Agro-Konzernen vorangetrieben wird, zielt darauf, Schädlinge durch das Ausschalten bestimmter Gene in deren Erbgut zu eliminieren.
Die Zulassung von RNAi-modifiziertem Saatgut soll – wie dies in den letzten 20 Jahren immer wieder praktiziert wurde – ohne genügende Risikoabklärungen möglichst rasch durchgewinkt werden. Dies, obschon man heute sogar noch besser als damals weiss, dass Gentechnologie keine Antwort bringt, auf die drängenden Fragen dieser Welt.
Trotzdem wird Risikoforschung von der Agro-Industrie und ihrer Lobby immer noch unterdrückt oder gar verhindert. Und Gentech-Promotoren werden nicht müde zu behaupten, die Biotechnologie rette die Welt. — Unser Film «Reis für die Welt» ist heute noch genauso aktuell wie damals. Ob wir uns darüber freuen sollten?