Erschreckende Parallelen

Schnell ein­mal zei­gen wir mit Fingern auf Ungarn und Polen, wo Rechtspopulisten die Demokratie unter­lau­fen. Distanzieren uns von den Franzosen, die dem Front National zu Mehrheiten ver­hel­fen und ent­set­zen uns über die Pegida-Demonstrationen in Deutschland.

Gleichzeitig üben wir uns in selbst­ge­fäl­li­ger Gelassenheit, wenn es um ähn­li­che Entwicklungen in der Schweiz geht. Der Rechtsrutsch bei den letz­ten Wahlen führ­te eben­so wenig zu einem Aufschrei wie die Machenschaften der SVP, wel­che die Schweizer Demokratie für ihre Zwecke instru­men­ta­li­sie­ren und den Rechtsstaat genau­so aus den Angeln zu heben ver­su­chen, wie ihre Geistesbrüder und ‑schwes­tern in Polen.

Die soge­nann­te Flüchtlingskrise wie auch die Silvesternacht in Köln sei­en halt Wasser auf die Mühlen der Rechten, heisst es schnell ein­mal. Man tut so, als wäre dies natur­ge­ge­ben und völ­lig normal.

Natürlich sind sol­che Ereignisse «Wasser auf die Mühlen der Asylgegner» — vor allem, wenn sie von den Medien ent­spre­chend auf­be­rei­tet wer­den. Wie anders ist sonst zu ver­ste­hen, dass der BLICK den SVP-Imam Blocher zu Köln befragt? Ein Steilpass für sei­ne Hetze.

Schlimmer noch: Nationalrat und Chefredaktor Köppel erhält (ein­mal mehr) bei Schawinski im öffent­lich-recht­li­chen Fernsehen eine Plattform. Obschon – oder etwa weil? – er sich mit sei­nem Editorial in der Weltwoche als heim­li­cher Bewunderer des Nazi-Verbrechers Göring geoutet hat.

Nie hät­te ich gedacht, dass sol­ches hier­zu­lan­de über­haupt mög­lich und salon­fä­hig ist.

Mein Vater, der als 13-Jähriger in Deutschland von der Schule flog, weil er jüdi­scher Herkunft ist, sieht erschre­cken­de Parallelen. Er sagt, den Musliminnen und Muslimen in der Schweiz und in Europa dro­he heu­te, was sie damals erlebt hät­ten: Verfolgung und Diffamierung wegen ihrer Herkunft.

Integration, so mein Vater, sei kei­ne ein­sei­ti­ge Angelegenheit: In Deutschland sei­en damals die gut inte­grier­ten, teil­wei­se seit Jahrhunderten dort leben­den Juden ver­folgt wor­den, weil der Diktator und sei­ne Helfershelfer Sündenböcke brauch­ten. Heute wür­den Musliminnen und Muslimen ähn­li­ches erle­ben… Noch fin­det er, die Situation sei unter Kontrolle, weil unse­re Gesetze Sicherheit böten, vor men­schen­ver­ach­ten­den Exzessen. Die Entwicklung, die sich aber abzeich­net, erfüllt nicht nur mei­nen Vater mit Sorge.

Jüngstes Beispiel: Die Genfer Polizei hat­te im Dezember die Badges von einer Reihe von Flughafen-Mitarbeitern gesperrt. Aus Sicherheitsgründen, lau­te­te die Begründung, wei­te­re Erklärungen wur­den ver­wei­gert. Der Anwalt der Ausgesperrten gab gegen­über Radio SRF bekannt: Der ein­zi­ge gemein­sa­me Nenner sei, dass sie alle mus­li­mi­scher Herkunft seien…

Und im Februar droht mit der SVP-Durchsetzungsinitiative ein wei­te­rer Schritt in eine gefähr­li­che Richtung: Wird sie ange­nom­men, ist man der Abschaffung der Gewaltenteilung ein gros­ses Stück näher. Die Frage ist nur, wer hat’s erfun­den: die Ungarn, die Polen, die SVP oder die Nationalsozialisten? Fehlt nur noch die Wiedereinführung der Todesstrafe. Man kann sich durch­aus vor­stel­len, dass Schriftleiter Dr. Köppel eines Tages auch die­se Idee edi­to­ri­al pro­mo­ten könnte.

Von den Schweizer Intellektuellen ist bis­her kaum Protest zu ver­neh­men. Lange schien es, als ob auch die drit­te Gewalt — die Justiz — wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrt sei. In den letz­ten Wochen wag­ten bloss ver­ein­zel­te ehe­ma­li­ge und amtie­ren­den Bundesrichter den Klartext. Umso wich­ti­ger die heu­ti­ge Veröffentlichung des von 120 RechtsprofessorInnen unter­zeich­ne­ten Manifests, in dem Punkt für Punkt auf­ge­zeigt wird, wie die Durchsetzungsinitiative die schwei­ze­ri­sche Rechtsordnung «mehr­fach und in schwer­wie­gen­der Weise» gefährdet.

Es ist zu hof­fen, dass ihre Argumente brei­tes Gehör fin­den und die StimmbürgerInnen in die­sem Land end­lich erwa­chen! Es ist höchs­te Zeit, dass wir Stellung bezie­hen und uns klar, ohne Wenn und Aber, zum Schweizerischen Rechtsstaat beken­nen: Die SVP ver­dient am 28. Februar eine saf­ti­ge Ohrfeige.

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