Die SRG und das Zeitalter der industriellen Information

Tau­sende haben im letz­ten Früh­jahr ihre Stimme gegen die No-Bil­lag-Initia­tive ein­ge­legt. Obwohl nicht per­fekt und in vie­len Tei­len mit Ver­bes­se­rungs­po­ten­zial: Die SRG gilt Vie­len als Garan­tin für einen unver­zicht­ba­ren Ser­vice Publi­que in Sachen Infor­ma­tion – als wich­ti­ger Gegen­pol zur neo­li­be­ral ange­feu­er­ten Medi­en­kon­zen­tra­tion in der Schweiz.

Oder müsste es viel eher heis­sen galt? Denn was die SRG-feind­li­chen No-Bil­lag-Initi­an­tIn­nen nicht geschafft haben, nimmt die SRG nun tat­kräf­tig sel­ber an die Hand. Als wäre ihr der gute Ruf pein­lich, sägt sie – tat­kräf­tig an ihren bis­he­ri­gen Qua­li­tä­ten und Beson­der­hei­ten und setzt alles daran, ihr dezen­tral funk­tio­nie­ren­des und viel­fäl­ti­ges Ange­bot zu zerstören.

Die neu­sten Mel­dun­gen betref­fen die Abtei­lung Infor­ma­tion: Ab Novem­ber 2018 wird im SRF-Zen­trum Leut­schen­bach ein Gross­raum-News­room in Betrieb genom­men. Ziel ist es, laut NZZ, «schnel­ler und bes­ser Ereig­nisse zu ver­mit­teln und ein­zu­ord­nen» – des­halb müss­ten die Kräfte der bis­he­ri­gen Redak­tio­nen gebün­delt und die Ent­schei­dun­gen zen­tra­li­siert wer­den. Um dies zu errei­chen, soll künf­tig von einer Kom­man­do­zen­trale aus über die Inhalte und Ver­brei­tung der News­sen­dun­gen ent­schie­den werden.

Aus­sa­gen, die unter Medi­en­pro­fis Kopf­schüt­teln pro­vo­zie­ren: Qua­li­täts-Jour­na­lis­mus kann nicht immer noch schnel­ler wer­den. Die Glei­chung, je schnel­ler, desto bes­ser geht im Infor­ma­ti­ons­ge­schäft nicht auf. Aus­ser, man ver­steht unter «bes­ser» Klicks und Klacks, ohne Rück­sicht auf über­prüf­ten Wahr­heits­ge­halt und unter Inkauf­nahme von andau­ern­dem Hin und Her zwi­schen der Ver­brei­tung von Fake-News und anschlies­sen­der Berich­ti­gung (letz­te­res nach Lust und Laune). 

Jour­na­lis­mus, der die­sen Namen ver­dient, braucht Zeit: Quel­len müs­sen über­prüft, Fak­ten mit­ein­an­der in Bezie­hung gesetzt und Zusam­men­hänge auf­ge­deckt wer­den. Nebst dem Sam­meln von Fak­ten und der Recher­ché braucht das auch Raum für Kreativität.

Wenn Inhalte top-down befoh­len, und Redak­tio­nen zu blos­sen Con­tent-Ver­ar­bei­tern degra­diert wer­den, ist es sowohl um die Viel­falt wie um die Qua­li­tät gesche­hen. Natür­lich sol­len sich Redak­tio­nen unter­ein­an­der abspre­chen, sich gegen­sei­tig unter­stüt­zen und aus­tau­schen. Doch das gehört längst zum All­tag in der SRG.

Dabei zeigt sich immer wie­der: Der krea­tive Pro­zess fin­det an der Basis statt und nicht an irgend einem Pro­du­zent­endesk. Des­halb ist die Ver­laut­ba­rung von SRF, man wolle künf­tig ver­mehrt «auf Autoren und Fach­wis­sen» set­zen ein Hohn: Zen­tra­lis­mus, von Pro­du­zen­ten ein­ge­for­derte The­sen­be­richt­erstat­tung und Kon­tent-Dik­tat kil­len erfah­rungs­ge­mäss Eigen­in­itia­ti­ven und per­sön­li­che Hand­schrif­ten von AutorIn­nen. Radi­ka­ler als jeder Monsan­to­spray es könnte.

Man muss sich auf der Zunge zer­ge­hen las­sen, was Rai­ner Stad­ler über die schöne neue SRG-Infor­ma­tion 03-Welt in Erfah­rung gebracht hat: «Über vier Stock­werke ver­teilt will man eine netz­werk­ar­tige Pro­duk­ti­ons­struk­tur ein­füh­ren, die den der­zeit übli­chen medi­en­in­du­stri­el­len Kon­zep­ten der digi­ta­len Ära entspricht.»

Will­kom­men im Zeit­al­ter der indu­stri­el­len Infor­ma­tion! Nun hat man also auch bei der SRG gemerkt, was etwa NZZ-Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent Jor­nod bereits vor Jah­ren ver­kün­det hat und in sei­nem Wir­kungs­feld plan­mäs­sig umsetzt: Das Ver­mark­ten von Infor­ma­tio­nen funk­tio­niert nicht anders als das Geschäft mit Pharmaprodukten.

Wei­ter heisst es über die künf­ti­gen Arbeits­ab­läufe im Leut­schen­bach: «Die zen­trale Steue­rung erfolgt am Decis­ion-Desk, darum herum glie­dern sich Pla­ner, Fach­re­dak­tio­nen, Sto­ry­tel­ler, das Social-Media-Desk und wei­tere Spe­zi­al­be­rei­che.» Dass es in die­sem Fabrik­saal keine per­sön­li­chen Arbeits­plätze mehr geben wird, ver­steht sich von selbst.

«Das Gross­raum­büro killt die Kom­mu­ni­ka­tion» heisst es ein paar Klicks wei­ter in der glei­chen NZZ. Ver­schie­dene Stu­dien zei­gen, dass die viel­ge­prie­sene Effi­zi­enz und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kul­tur im Gross­raum­büro bloss ein Mythos sei. Dies, weil krank­heits­be­dingte Absen­zen in die­sen unper­sön­lich gehal­te­nen Struk­tu­ren häu­fi­ger vor­kom­men, und weil sich diese nega­tiv auf den direk­ten Aus­tausch zwi­schen Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen auswirken.

Die schöne, neue News­fa­brik beim Fern­se­hen ist erst der Anfang. 2024 wird das Radio­stu­dio Zürich auf­ge­ge­ben und einige der ver­blie­be­nen Mit­ar­bei­te­rIn­nen ins Medi­en­zen­trum Leut­schen­bach ver­legt. Und in den näch­sten Wochen wird der Ver­wal­tungs­rat auf Anra­ten sei­ner bera­ten­den Infor­ma­ti­ons-Tech­no­kra­ten ver­kün­den, dass auch die Infor­ma­ti­ons­ab­tei­lung von Radio SRF in Bern in den «Cam­pus Leut­schen­bach» ver­scho­ben wird. Ein Trüpp­lein Bun­des­haus- und Regio­nal­jour­na­li­stIn­nen wer­den logi­scher­weise in Bern blei­ben und auf den Tages­be­fehl von der Kom­man­do­brücke Leut­schen­bach warten. .

Das war nicht unser Ziel, beim Kampf gegen die No-Billag-Initiative!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.