;Das viel gerühmte Kunsthaus von Peter Zumthor in Bregenz ist die Reise wert: Die Milchglas-Fassade verleiht dem Kubus eine gleissende Leichtigkeit. So lädt an diesem Herbstsonntag schon von Weitem das Versprechen eines doppelten Genusses: Gabriel Orozco in den Räumen von Peter Zumthor – ein Gesamtkunstwerk
;In der grosszügigen Eingangshalle schwebt gleichermassen elegant und imposant ein 15 Meter langes Walskelett. Diskret mit wellenförmigen Ornamenten überzogen, versetzt die Skulptur den Betrachter, die Betrachterin in Bewunderung und Staunen. Wäre da nicht das ältere Paar, das angeregt über das Gesehene debattiert, man hörte das Rauschen der Brandung vom Strand, wo Orozco die Überreste des Wals gefunden hat
;Über eine schmale Treppe erreichen wir die nächste Ausstellungsebene. Ein grosser Raum, in sanftes Licht getaucht – als ob ein paar Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Milchglasscheiben an der Decke ins Innere suchten. Die schlichte Architektur mit den Sichtbetonwänden brilliert durch vornehme Zurückhaltung
;Schon wandern unsere Blicke neugierig über den Boden. Bereit, sich von den dort liegenden, kunstvoll bearbeiteten Steinen verführen zu lassen. Da zerschneidet dröhnend eine Stimme den Raum. Beschuhte Füsse suchen sich quietschend ihren Weg zwischen den Exponaten. Im Halbkreis kommen sie zum Stillstand, lauschen dem kunsthistorischen Monolog, der rundum alles ein- und zudeckt
;Wir fliehen in die Richtung, aus der die Invasion gekommen ist und gelangen – wiederum über einen schmalen Treppenaufgang – von der Stein- in die Terrakottawelt. Auf vier Inseln verteilt posieren die erdig-archaischen Skulpturen. Man möchte sich gehen lassen, sich ihrer Schönheit und dem Rhythmus ihrer Inszenierung hingeben
;Doch auch hier übertönen aufdringliche Schuhsohlen, notorische Kommentare und ununterbrochenes Fotoklicken die zarten Klänge der Kunst. Obschon sich die Zahl der Besucherinnen und Besucher in Grenzen hält. Jedes Räuspern, jede noch so diskrete Äusserung hallt von den Glas- und Betonwänden. Als ob die Architektur ihre optische Zurückhaltung akustisch wettmachen wollte
;Das weckt Erinnerungen an die Therme Vals. Ebenfalls ein gefeierter Pilgerort Zumthorscher Architekturkunst, an den es uns einst nach zweitägiger Wanderung verschlagen hatte. Eingestimmt auf die feinen Klänge der Natur, traf uns damals der Lärm völlig unverhofft. Das Echo der Badenden, vom Valser Gneis vielfach aufgenommen und verstärkt, vergällte uns die Freude am schönen Gebäude. Statt Begeisterung, brachten wir Enttäuschung nach Hause
;Diesmal wollen wir es besser machen und setzen uns auf einen der Bänke zwischen den Terrakotta-Inseln. – Ein Film, scheinbar ohne Ende zieht an uns vorbei: Besucherinnen und Besucher tauchen von links her am Bildrand auf. Schlendernd, marschierend, diskutierend und vor allem knipsend arbeiten sie sich durch den Raum. Um ihn schliesslich am rechten Bildrand wieder zu verlassen. Manche bleiben stehen, setzen sich, um sich sogleich wieder zu erheben; andere kommen von der anderen Seite..
;Bis der Besucherstrom unverhofft reisst und unsere Geduld belohnt wird: Stille füllt den Raum. Wir sind allein mit den Terrakottafiguren. Ein kostbarer Moment – 30 Sekunden purer Genuss
;Schon hallen von fern wieder Schritte, nähern sich rasch. Zwei knipsende Männer betreten den Raum, während wir aufstehen und uns zufrieden auf den Heimweg machen