Wieviel Lohn braucht der Mensch?

Die Schallgrenze von einer Million Schweizer Franken pro Jahr sol­le bei sei­nem Lohn auch künf­tig nicht über­schrit­ten wer­den, gibt sich Migros-Boss Hubert Bolliger in der NZZ am Sonntag beschei­den. — Eine Million, geteilt durch 12, macht 80’000 Franken im Monat. – Das sind Monat für Monat 30’000 Franken mehr, als eine Migrosverkäuferin mit ihrer 100%-Stelle in einem gan­zen Jahr verdient.

Das ist schlicht und ein­fach absurd. Das Abstimmungsplakat für die 1:12-Initiative bringt es mit einem erfri­schen­den Augenzwinkern auf den Punkt: Die einen kön­nen einen Berg Hamburger kau­fen, um sich den Magen voll­zu­schla­gen — im Fall der Migros wären es sogar 18 statt bloss 12 für den Chef — wäh­rend sich die Verkäuferin mit einem ein­zi­gen zu begnü­gen hat.

Trotzdem hinkt die Parallele zwi­schen Fastfood und Lohntüte: Wer zu vie­le Hamburger ver­schlingt, ver­dirbt sich den Magen und ist ein nächs­tes Mal ver­mut­lich ger­ne bereit, zu tei­len. Während gros­se Geldmengen den Appetit anre­gen und oft krank­haf­te Raffgier zur Folge haben.

Bis heu­te ver­ste­he ich die Logik unse­res Lohnsystems nicht: Weshalb kas­siert eine Wirtschaftsanwältin mehr als ein Bauer, wes­halb ein Chefredaktor das Vielfache einer Redaktorin? Wer legt den Wert der Arbeit einer Ärztin, eines Krankenpflegers, einer Putzfrau fest? – Die Liste lies­se sich belie­big fortsetzen…

Lohnunterschiede, sagt man mir, sind der Motor unse­rer Gesellschaft: Kaderleute müs­sen mehr ver­die­nen, weil sie Verantwortung tra­gen. Ohne finan­zi­el­le Anreize, erlahmt der Ehrgeiz. Löhne darf man nicht begren­zen, weil sich sonst die Besten ins Ausland abset­zen. Und über­haupt geht es uns bes­ser, je bes­ser es den Reichen geht. Weil Spitzenverdiener pro­zen­tu­al mehr Steuern zah­len, mit ihren Beiträgen die AHV ret­ten und durch ihren Konsum die Wirtschaft ankurbeln.

Für Schlagzeilen sorg­te die­se Woche eine «wis­sen­schaft­li­che» Studie der Uni St. Gallen, die behaup­tet, dass eine Lohnbeschränkung auf 500’000 Franken im Jahr schweiz­weit zu mas­si­ven Einbussen bei Steuern und AHV führt. Bis zu 4 Milliarden Franken könn­ten es sein, liess der Gewerbeverband ver­lau­ten, der die Studie in Auftrag gege­ben hat. Womit wir es hier ein­deu­tig mit gekauf­ter «Wissenschaft» zu tun haben, bezahlt von der feder­füh­ren­de Organisation im Abstimmungskampf gegen die 1:12-Initiative.

Wenn man in die­sem Fall über­haupt von Wissenschaft spre­chen kann. Je nach Fragestellung und Weltanschauung las­sen sich näm­lich rei­hen­wei­se kon­tro­ver­se Auswirkungen einer Annahme der 1:12-Initiative errech­nen. Wobei auch Szenarien unter­sucht wer­den müss­ten, die Zusammenhänge zwi­schen Lohnverteilung und den Kosten im Sozialbereich auf­zei­gen. Oder die mög­li­chen Auswirkungen auf die Unternehmenskultur, wenn bei der Wahl von Kaderleuten nicht mehr die Höhe der Bezahlung im Zentrum steht.

Solche Untersuchungen wären natür­lich extrem kom­plex und kom­pli­ziert. Aber es geht auch ein­fa­cher. Mit einer ein­zi­gen, simp­len Frage: Wofür braucht ein Mensch monat­lich 80’000 Franken Lohn?

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