Tourismus-Krise?

Die neu­ste Mel­dung von der Schwei­zer Tou­ris­mus­front: Das Lon­do­ner Nobel-Kauf­haus Har­rods ist mit Schwei­zer Flag­gen geschmückt, vor sei­nen Toren steht ein Wer­be­cha­let… Der Ort ist gut gewählt, denn wer bei Har­rods ein­kauft, ist in der Regel so gut betucht, dass er sich nicht durch einen schlech­ten Wech­sel­kurs von einem Trip in die Schweiz abhal­ten lässt. Der starke Schwei­zer Fran­ken, so war in den letz­ten Wochen immer wie­der zu ver­neh­men, schade dem Tou­ris­mus­ge­schäft enorm.

Wirk­lich zu bele­gen aller­dings, war die her­bei­ge­schrie­bene Krise nicht. Die Zahl der Logier­nächte stieg im letz­ten Jahr gar um 619’000 auf 36,2 Mil­lio­nen. In der Region Zürich zum Bei­spiel, wo 8,1 Pro­zent mehr Über­nach­tun­gen regi­striert wur­den als im Vor­jahr, sprach man sogar von einem Boom. Also muss­ten Pro­gno­sen her: So klagte Schweiz Tou­ris­mus, dass man für die lau­fende Win­ter­sai­son mit einem Rück­gang von 5 Pro­zent rech­nen müsse – und legte als Beweis fix die Dezem­ber­zah­len vor. – Bei kon­kre­ter Nach­frage in ver­schie­de­nen Desti­na­tio­nen aller­dings, klang es dann ganz anders:

Chri­sten Bau­mann zum Bei­spiel, CEO der Zer­mat­ter Berg­bah­nen, wollte mitte Februar, trotz hart­näcki­gem Nach­fra­gen der Jour­na­li­stin von Radio DRS, par­tout nichts von einem Ein­bruch wis­sen: Zer­matt sei aus­ge­bucht – wie immer zu die­ser Jah­res­zeit. Ähn­lich tönte es auch aus Wen­gen und wei­te­ren Win­ter­sport­de­sti­na­tio­nen. Trotz­dem, die Kla­gen der Tou­ris­mus-Lob­by­isten waren nicht ohne Grund. Und sie haben ihr Ziel erreicht: Am 23. Februar bewil­ligte das Par­la­ment zusätz­li­che 12 Mil­lio­nen Fran­ken für die Unter­stüt­zung der Tou­ris­mus­wer­bung im Aus­land. Steu­er­gel­der für die För­de­rung einer präch­tig flo­rie­ren­den Indu­strie, die vie­ler­orts gar an Über­hit­zung krankt.

Vor allem in den gros­sen, inter­na­tio­nal bewor­be­nen Tou­ris­mus­de­sti­na­tio­nen unse­res Lan­des ist zu befürch­ten, dass der eigene Erfolg weit­aus grös­se­ren Scha­den anrich­tet, als der hohe Fran­ken­kurs. Zer­matt zum Bei­spiel: Das ein­stige Berg­dorf hat sich zum Nobel­re­sort gemau­sert. Nach wie vor wird kräf­tig inve­stiert, Jahr für Jahr ste­hen mehr Luxus­woh­nun­gen und Hotel­bet­ten zur Ver­fü­gung. Das führt unwei­ger­lich zu einer Kan­ni­ba­li­sie­rung, die Aus­la­stung der ein­zel­nen Ange­bote geht zurück – trotz wei­ter­hin stei­gen­der Besucherzahlen.

An schö­nen Som­mer­ta­gen ist auf der Dorf­strasse kaum mehr ein Durch­kom­men. Tages-Tou­ri­stIn­nen aus aller Welt absol­vie­ren das obli­gate Mat­ter­horn-Vie­w­ing auf ihrer Euro­pa­tour im Eil­schritt – inklu­sive Sou­ve­nir­shop­ping. Den klei­nen Hun­ger stillt man bei Mac­Do­nalds, wer bes­ser bei Kasse ist (und etwas Zeit hat), lei­stet sich ein Fon­due… Ganz anders im Win­ter: Da kon­zen­triert sich Zer­matt auf jene Gäste, die rich­tig gut bei Kasse sind. Und scheut dafür keine Inve­sti­tio­nen: Hotels und pri­vate Feri­en­un­ter­künfte wer­den immer luxu­riö­ser und der Ski­zir­kus mit jähr­lich neuen Bah­nen, Beschnei­ungs­an­la­gen und Pisten hat längst indu­stri­elle Dimen­sio­nen erreicht. In den Stras­sen des «auto­freien» Resorts herrscht ein Ver­kehrs­chaos – und auch der Luft­ver­kehr ist beträcht­lich: Dank Helis­ki­ing erobern die wohl­be­tuch­ten Gäste auch jene Gip­fel der Zer­mat­ter Berg­welt, die noch durch keine Bahn erschlos­sen sind…

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