Gute Nacht, Grindelwald

Nun also der Spa­ten­stich. In Grin­del­wald wird ab sofort an der neuen V‑Bahn gebaut. Ein 470-Mil­lio­nen­pro­jekt zur schnel­le­ren Erschlies­sung des Jung­frau­jochs. Mit der neuen Gon­del­bahn soll die Stun­den­ka­pa­zi­tät auf den «Top of Europe» im Som­mer von heute 888 Per­so­nen auf 1’160 erhöht wer­den. Die Fahr­zeit ab Grin­del­wald Grund beträgt dann nur noch 45 Minu­ten – etwa halb so lange wie heute.

Ange­strebt wer­den auch mas­sive Kapa­zi­täts­er­hö­hun­gen für den Win­ter­tou­ris­mus. Hier will man die Stun­den­ka­pa­zi­tät von Grin­del­wald bis Eiger­glet­scher von heute 1900 Per­so­nen auf 3480 hoch­schrau­ben. Das wird ein wun­der­ba­res Gewim­mel auf den Pisten!

Seit Mona­ten hat sich abge­zeich­net, dass die­ser Wahn­sinn wohl Wirk­lich­keit wird: Ende Februar zogen die letz­ten ver­blie­be­nen Kämp­fer ihre Ein­spra­chen gegen das Mon­ster­pro­jekt zurück. Dies laut Medi­en­be­rich­ten auch, um den Neu­bau der Gon­del­bahn auf den Männ­li­chen, deren Kon­zes­sion die­ses Jahr abläuft, nicht zu gefährden.

Die Jung­frau­bah­nen hat­ten die bei­den Pro­jekte geschickt mit­ein­an­der ver­knüpft. Trotz­dem gab es lange Wider­stand. Um die ange­strebte Kapa­zi­täts­er­wei­te­rung für den Mas­sen­tou­ris­mus aufs Jung­frau­joch durch­zu­bo­xen, haben die Jung­frau­bah­nen des­halb in den letz­ten Jah­ren wie­der­holt auch zu bra­chia­len Metho­den gegriffen.

Schliess­lich ist die Geg­ner­schaft – inklu­sive Umwelt­ver­bände – dem star­ken Druck wei­chen. Das Power­play der Jung­frau­bahn Hol­ding AG, die zu den wich­tig­sten Arbeit­ge­bern in der Region gehört, hat gesiegt.

Was als tou­ri­sti­scher Mei­len­stein für Grin­del­wald und die Jung­frau­re­gion ver­kauft wird, könnte sich aller­dings schon bald ins Gegen­teil ver­keh­ren: Der «Fahr­zeit­ge­winn» von über 40 Minu­ten aufs Joch bedeu­tet, dass eilige Tou­ri­stIn­nen aus Asien und anderswo bald nicht mehr in der Region über­nach­ten werden.

Geplant ist unter ande­rem auch ein «Ter­mi­nal mit Geschäf­ten» in Grin­del­wald Grund. So muss gar nie­mand mehr ins Dorf hin­auf zum Shop­ping. Zudem ent­steht ein neues Park­haus mit 1000 Park­lät­zen und «direk­tem Zugang zum Terminal».

Ob der ange­peilte Mas­sen­tou­ris­mus je die erwar­te­ten Früchte tra­gen wird, ist mehr als frag­lich. Tat­sa­che ist, dass er andere Gäste ver­trei­ben wird. Bereits heute ist das Jung­frau­joch zu einem «Event­zen­trum» ver­kom­men, wo die fas­zi­nie­rende Berg­welt höch­stens noch eine Neben­rolle spie­len darf.

Frag­lich ist zudem, ob es die ange­peil­ten Kapa­zi­täts­er­wei­te­run­gen für den Win­ter­tou­ris­mus künf­tig über­haupt noch braucht: Auch die Jung­frau­re­gion lei­det unter dem Kli­ma­wan­del. Wenn die Win­ter­mo­nate immer wär­mer wer­den, ist auch das aggres­siv­ste Auf­rü­sten mit Schnee­ka­no­nen letzt­end­lich für die Katz’.

Das Pro­jekt, des­sen Spa­ten­stich von Poli­ti­ke­rIn­nen, Inve­sto­ren und Medien als «Mei­len­stein in der Geschichte der Jung­frau­bah­nen» gefei­ert wird, ist das Gegen­teil des­sen, was heut­zu­tage als «nach­hal­ti­ger Tou­ris­mus» age­strebt und pro­pa­giert wird.

Schade für Grin­del­wald. Schade fürs Ber­ner Ober­land. Schade für Eiger, Mönch und Jung­frau. – Ich werde euch künf­tig wohl nur noch aus der Ferne geniessen…

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