Der umstrittene «Westast» der Bieler Autobahn-Umfahrung soll um jeden Preis gebaut werden. Daran halten sowohl Stadtbehörden wie der Kanton fest. Fast schon symbolisch ist die Tatsache, dass die nächste Runde in diesem bald 50jährigen Trauerspiel am Eröffnungstag zum 83. Genfer Autosalon eingeläutet wird.
Anlässlich einer von der Stadt Biel und vom Kanton gemeinsam einberufenen Pressekonferenz gibt die SP-Baudirektorin des Kantons Bern ihrer Freude Ausdruck, dass das Projekt nun an den Bundesrat weiter gereicht worden sei und man die rund 10 Kilometer Autobahn mitten durch die Stadt voraussichtlich im Jahr 2030 in Betrieb nehmen könne
Dies nach langer Planungszeit, während der die Bevölkerung von den Behörden wiederholt mit Fehlinformationen und Halbwahrheiten abgespiesen worden ist. Erst auf politischen Druck hin wurde schliesslich im letzten Sommer zu einem «Mitwirkungsverfahren» geladen, in dessen Rahmen, laut Angaben der Regierungsrätin, rund 140 schriftliche Eingaben von Gemeinden, Organisationen und Privaten eingereicht worden seien.
Die guten Ideen und Vorschläge habe man geprüft, sagt sie. Schliesslich habe sich das kantonale Tiefbauamt auf zwei «Anpassungen» beschränkt: Die offene Autobahnstrecke, die künftig vierspurig mitten durchs Bahnhofquartier führt, soll um rund 30 Meter verschoben werden. Und der Autobahntunnel im Weidteile-Quartier werde «nicht höher zum Boden herausschauen, als das unterste Wohngeschoss der umliegenden Hochhäuser.» – Pech für all jene, die im Parterre wohnen…
Nichtsdestotrotz betont Regierungsrätin Egger, dass die beiden «Anpassungen» der Lebensqualität in Biel und Nidau dienten und man sich dies auch etwas kosten lasse. Zu teuer hingegen wäre die Erhaltung der Lebensqualität im Dorfkern von Ipsach gewesen – dort hatte man eine Verschiebung des geplanten Tunnelportals angeregt, das mitten in einem Wohnquartier liegt. – Ein Hohn, in diesem Zusammenhang überhaupt von Lebensqualität zu sprechen: Der dicht besiedelten Region wäre mit einem Verzicht auf das zwei Milliarden teure Projekt nämlich am besten gedient.
Solche Anregungen, die im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens ebenfalls eingegangen waren, hat man beim Tiefbauamt gar nicht erst in Betracht gezogen. In Berlin gibt es für solchen Umgang mit Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern einen schönen Ausdruck: Argumente der Bevölkerung, die der Politik und der Verwaltung nicht in den Kram passen, werden «weggewogen».
Auch ein Grossteil der Forderungen, welche die Stadt Biel gestellt hatte, wurden «weggewogen». Trotzdem hat der Bieler Stadtpräsident, der im Gegensatz zu gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürgern ein Mitspracherecht hatte, dem Projekt zugestimmt. Aus Angst, dass «Bund und Kanton mangels eines minimalen Konsens grundsätzlich auf den Westast verzichten könnten.» /p>
Eine Option, die für den Lokalpolitiker offenbar undenkbar ist. Nicht zuletzt, weil Bund und Kanton die geplante Autobahn finanzieren – und sich die Stadtoberen davon eine Gratis-Lösung für die (hausgemachten) Verkehrsprobleme erhoffen. Eine Hoffnung notabene, die aus den 1960er Jahren datiert, als man noch daran glaubte, den Verkehr mit dem Bau zusätzlicher Strassen in den Griff zu bekommen. – Heute wüsste man es eigentlich besser.