Ob in Gärten, auf Sportplätzen oder auf dem Feld: Die Zugabe von Dünger aller Art zur Förderung von Pflanzenwachstum und Ernteertrag ist allgegenwärtig. Das Geschäft mit den Granulaten und Flüssigkeiten für buntere Blumen, robustere Rasen und ertragreichere Ernten floriert, auch in Zeiten von Bioboom und Trinkwasserinitiative…
Trotzdem stehen beim grössten Schweizer Düngerhersteller momentan die Zeichen auf Sturm: Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen machen der Hauert HBG Dünger AG im Berner Seeland zu schaffen. Wiederholt hat sie in den letzten Monaten die Preise für ihre Produkte erhöht, um die Herstellungskosten decken zu können.
«Für viele Rohstoffe zahlen wir im Moment etwa das Dreifache der früheren Preise», klagt Geschäftsführer Philipp Hauert im Bieler Tagblatt vom 27. Oktober. Er leitet das (laut Economie Suisse) älteste Familienunternehmen der Schweiz in 12. Generation. Wie er 2016 in einem Interview mit dem Wirtschaftsverband verriet, lautet sein Motto: «Wir pflegen die Tradition, Veränderungen nicht zu scheuen.»
Angefangen hatte alles vor bald 360 Jahren – anno 1663. Als die Gerberei seiner Vorfahren mit der Konkurrenz in der Lederproduktion nicht mehr mithalten konnte, spezialisierte man sich auf die Verwertung eines anderen Nebenprodukts aus der Tierschlachtung und produzierte fortan Pflanzendünger aus Knochenmehl. Ein kluger Schachzug, wie sich herausstellen sollte.
Ob Gülle, Mist, Horn‑, Feder- oder Knochenmehl – tierische Produkte sind seit jeher wichtige Helfer im Gemüsegarten und auf dem Acker. Entsprechend erfolgreich war das neue Businessmodell von Hauert. Irgendwann begnügte man sich jedoch nicht mehr mit Knochenmehl. Neue Rezepturen wurden entwickelt, mit neuen, auch mineralischen und synthetisch hergestellten Stoffen, die das Pflanzenwachstum noch stärker und auf kurze Frist stimulieren sollten. Nach dem 2. Weltkrieg kamen die ersten Langzeitdünger auf den Markt, das Angebot wurde immer weiter ausgebaut: Heute umfasst das Hauert-Sortiment nicht nur massgeschneiderte Düngemittel für jede Rasen‑, Rosen- oder Gemüsesorte, sondern auch gezielt für jede Wachstumsphase – diese Düngung im Frühjahr, eine andere im Sommer, eine dritte im Herbst…
Längst basiert der Hauert-Erfolg nicht mehr auf Knochenmehl. Heute verbraucht die Firma für ihre Düngerproduktion vor allem grosse Mengen von Stickstoff, Phosphor, Kali – und sehr viel Energie. Was jahrelang ein florierendes Geschäft war, wird jetzt zum Problem: Bereits im April 2022 habe das Unternehmen mehr für Gas und Strom ausgegeben als im gesamten letzten Jahr – die Mehrkosten würden pro Betriebsstunde im Moment stolze 500 Franken betragen, hat Hauert ausgerechnet.
Am stärksten sind die Preise beim Stickstoff gestiegen, für dessen Herstellung sehr viel Erdgas benötigt wird. Die massive Teuerung beim Gas hat laut Hauert dazu geführt, dass die europäischen Stickstoffhersteller nicht mehr konkurrenzfähig sind. Diese hätten ihre Produktion stark gedrosselt oder gar eingestellt, weshalb Hauert neue Lieferanten suchen musste. Jetzt importiert der Düngerproduzent seinen Stickstoff statt aus Belgien aus Ägypten und Nordamerika.
Auch die Beschaffung von Kali und Phosphor ist kompliziert und teuer geworden: Kali wurde bis vor kurzem vor allem aus Russland importiert, was mit der Verhängung der Sanktionen nun nicht mehr geht. Und Hauptlieferant für Phosphor ist China, das zwischenzeitlich wegen hohem Eigenbedarf den Export auch mal gestoppt hatte.
«Die Situation für uns als Firma ist aktuell ungemütlich», gab denn auch Philipp Hauert gegenüber dem Bieler Tagblatt zu Protokoll. Er befürchtet, dass der Düngerverkauf wegen der Teuerung, von der auch seine Produkte betroffen sind, einbrechen könnte.
Für die Natur, das Klima und die Biodiversität ist das eine gute Nachricht. Die ressourcen-verschleissende Produktion von Düngemitteln aus importierten Rohstoffen hat keine Zukunft. Je eher sie eingestellt wird, umso besser.
Es geht nämlich auch anders, auch bei der Firma Hauert: Unter dem Label Biogra hat sie eine biologische Produktelinie geschaffen, die laut Eigenwerbung «wo immer möglich auf Basis lokaler, nachwachsender Rohstoffe» hergestellt wird. So enthält der Biogra-Stickstoffdünger etwa «Federmehl, Hornspäne, Tierhörner, Fleischknochenmehl» – die Rohstoffe also, mit denen die Hauert-Erfolgsgeschichte begonnen hat.
Höchste Zeit, dass sich Philipp Hauert auf die Anfänge des Familienunternehmens zurückbesinnt. Statt den Markt mit immer neuen und immer aufwändiger produzierten Produkten zu überschwemmen, ist jetzt der Moment, sich auf eine nachhaltige Produktion von umweltverträglichem, biologisch und regional produziertem Dünger zu beschränken.
Ganz nach dem Motto: «Wir pflegen die Tradition, Veränderungen nicht zu scheuen.»