WWB – Weiter-wie-bisher?

Die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen auf unse­rem Pla­ne­ten geben wenig Anlass für Hoff­nung. Viel­mehr scheint es, als sei die Mensch­heit wild ent­schlos­sen, ihren eige­nen Unter­gang mit aller Kraft herbeizuführen.

Das End­zeit­sze­na­rio spielt auf ver­schie­de­nen Ebe­nen, und doch geht es eigent­lich immer ums Glei­che: Wir Men­schen zer­stö­ren Tag für Tag unnö­tig und mut­wil­lig die Res­sour­cen, die uns allen ein men­schen­wür­di­ges Leben im Ein­klang mit der Natur ermög­li­chen würden.

Das geschieht auf unter­schied­li­chen Ebe­nen, die aber von­ein­an­der nicht zu tren­nen sind. So schürt etwa der Krieg in der Ukraine hier­zu­lande die Furcht vor teu­rer und knap­per wer­den­der Ener­gie. Und schwups lan­den die (wahr­lich nicht ehr­gei­zi­gen) Kli­ma­ziele und Umwelt­schutz­ge­setze auf dem Abstell­gleis. Die Beschlüsse des Natio­nal- und Stän­de­rats zur Aus­he­be­lung von Natur- und Gewäs­ser­schutz zugun­sten der Strom­ge­win­nung sind nur ein Bei­spiel von vielen.

Was tun, als eine von 8 Mil­li­ar­den Erdbewohner:innen, in Zei­ten wie die­sen? Wäh­rend Waf­fen­schmie­den und Ener­gie­kon­zerne die Gunst der Stunde nut­zen und kas­sie­ren was das Zeug hält, bemü­hen sich heil­los über­for­derte Politiker:innen, mit Mil­li­ar­den­be­trä­gen an eben­diese Täter, das «Weiter-wie-bisher»-Geschäft zu sichern.

Auch wenn dies dem Wil­len einer Mehr­heit hier­zu­lande ent­spre­chen sollte: Ein «Wei­ter-wie-bis­her» darf und wird es nicht geben. Noch tun wir gerne so, als sei unser Lebens­stan­dard das Mass aller Dinge: Wir fin­den immer eine Aus­rede, wenn wir, um Zeit und Geld zu spa­ren, ins ein Flug­zeug stei­gen statt in den Nacht­zug. Wenn wir die Kin­der mit dem SUV von der Nach­hil­fe­stunde zum Bal­lett­trai­ning kar­ren und daselbst wie­der abho­len, wenn wir die Woh­nung auf bar­füs­sige 24 Grad hei­zen und gei­zist­geile Kon­sum­ar­ti­kel vom andern Ende der Welt mit Kurier­dien­sten bestel­len und die Hälfte wie­der retournieren…

Ganz anders Julia Stein­ber­ger. Die 48jährige Pro­fes­so­rin für öko­lo­gi­sche Öko­no­mie an der Uni­ver­si­tät Lau­sanne hat heute Mor­gen, zusam­men mit ande­ren Aktivist:innen, die Ein- und Aus­fahrt der A6 im Ber­ner Wank­dorf blockiert. Sie hat ihre Hand am Asphalt fest­ge­klebt – ein Vor­ge­hen, das in den letz­ten Mona­ten auch andern­orts Schule gemacht hat. In der Schweiz war die Blockade im Wank­dorf die fünfte Aktion der Klimaaktivist:innen von «Reno­vate Switz­er­land» inner­halb einer Woche.

Julia Stein­ber­ger gehört zu den Autor:innen des jüng­sten IPPC-Berichts, der im April die­ses Jah­res publi­ziert wurde. Damals for­derte die Pro­fes­so­rin im Gespräch mit der WOZ eine System­trans­for­ma­tion und stellte fest: «In der Schweiz wird Kli­ma­po­li­tik als etwas wahr­ge­nom­men, was teuer ist und weh­tut. Dabei wäre Ver­än­de­rung der Struk­tur von Syste­men ein sehr mäch­ti­ger Hebel, und eine syste­mi­sche Kli­ma­po­li­tik hätte viele posi­tive Nebeneffekte.»

Ermu­ti­gende Worte eigent­lich, die jedoch – wie so viele War­nun­gen und For­de­run­gen von Expert:innen mit Bezug auf den Kli­ma­wan­del – unge­hört ver­hall­ten. Es erstaunt des­halb nicht, dass immer mehr Wissenschaftler:innen sich nicht län­ger damit begnü­gen, im Rah­men von For­schung und Expert:innengesprächen auf die Gefah­ren der Kli­ma­ka­ta­stro­phe auf­merk­sam zu machen, son­dern ver­su­chen, sich mit «Stör­ak­tio­nen» Gehör zu verschaffen.

Damit ris­kie­ren Aktivist:innen ihr Leben: Im Wank­dorf kam es heute Mor­gen zu einer gefähr­li­chen Situa­tion, als ein Last­wa­gen ver­suchte, in die Demon­strie­ren­den hin­ein­zu­fah­ren… Schliess­lich griff die Poli­zei hart durch – gegen die Demon­strie­ren­den. Julia Stein­ber­ger und ihre Mitstreiter:innen wur­den vom Asphalt los­ge­ris­sen und fest­ge­nom­men. Die Aktion dau­erte gerade mal 30 Minu­ten – aus­ge­löst hat sie ein Uni­sono-Echo von Wutbürger:innen.

Blan­ker Hass tönt aus den Kom­men­tar­spal­ten der sozia­len Medien. Von Ein­sicht keine Spur. Im Gegen­teil: «Wei­ter-wie-bis­her!» schreit es laut und lau­ter aus dem Inter­net. Und wir stel­len uns die Frage, ob es wirk­lich reicht, die­ses Jahr die Weih­nachts­be­leuch­tung auf dem Bal­kon von 23.00 bis 05.30 Uhr aus­zu­schal­ten und anson­sten auf dem «Weiter-wie-bisher!»-Zug mitzufahren.

Glei­chen­tags:

«Die Zeit drängt!» – aber…

Gros­ses Stell­dich­ein der Vogelfreund:innen am ersten Okto­ber­wo­chen­ende: Anläss­lich des Inter­na­tio­na­len Zug­vo­gel­tags tra­fen sich Vogel­schutz­grup­pen und Ornitholog:innen an zahl­rei­chen Orten in Europa, um den aktu­el­len Vogel­zug zu beob­ach­ten und um Vogel­ar­ten zu zäh­len. Bereits zum 29. Mal luden Bird­Watch, die Orts­gruppe Walds­hut-Tien­gen des Natur­schutz­bun­des und der Natur­schutz­ver­ein Bach­ser­tal gemein­sam auf den Wan­nen­berg, an der deutsch-schwei­ze­ri­schen Grenze am Hoch­rhein gelegen.

Wir hat­ten zufäl­lig von die­sem Anlass erfah­ren und machen uns trotz reg­ne­ri­schem Sonn­tag­vor­mit­tag auf den Weg. Zuerst mit der S‑Bahn nach Hünt­wan­gen, von dort dem idyl­li­schen Rhein­ufer ent­lang, dann über Waster­kin­gen durch Wald und Wiese hin­auf auf den Wan­nen­berg. Nach den ange­sag­ten Regen­güss­chen bricht die Sonne durch die Wol­ken – die Land­schaft erstrahlt in war­mem Licht, in den Bäu­men rauscht der Wind.

Schon von wei­tem erken­nen wir den bun­ten Info­wa­gen und eine Men­schen­gruppe, die sich auf dem Wan­nen­berg ein­ge­fun­den hat. Als wir den Treff­punkt errei­chen, hält einer der Orga­ni­sa­to­ren gerade einen ein­dring­li­chen Vor­trag über die schwin­dende Bio­di­ver­si­tät und den Kli­ma­wan­del, der auch die Vogel­welt bedroht. «Die Ver­än­de­run­gen gehen so schnell, dass die Evo­lu­tion längst nicht mehr mit­hal­ten kann», kon­sta­tiert er und ergänzt: «Was wir aktu­ell erle­ben, ist nicht bloss Kli­ma­er­wär­mung oder Kli­ma­wan­del, son­dern eine Klimakatastrophe…»

Viel­sa­gen­des Nicken bei den Zuhö­ren­den. Nach dem letz­ten Hit­ze­som­mer, geprägt von Über­schwem­mun­gen und Dür­ren, dürf­ten alle Anwe­sen­den mit dem Fazit des Red­ners über­ein­stim­men: «Die Zeit drängt – wir müs­sen handeln!»

Ein wenig ver­söhn­lich und hoff­nungs­voll stimmt die anschlies­sende Zwi­schen­bi­lanz der Zug­vo­gel­sta­ti­stik: Seit sich der Regen ver­zo­gen hat, wur­den sogar einige Vögel gesich­tet, die hier eher sel­ten zu sehen sind. Bereits habe man an die­sem Sonn­tag über 700 Zug­vö­gel gezählt, sagt der für die Sta­ti­stik zustän­dige Vogelbeobachter.

Tat­säch­lich zie­hen, vom Rhein her­kom­mend, gerade zahl­rei­che Rauch­schwal­ben über unsere Köpfe. Sie kom­men im Wind ange­tanzt, als woll­ten sie sich von uns ver­ab­schie­den und sagen: «Wir kom­men wie­der, im näch­sten Sommer…»

Wäh­rend die Schwal­ben von ihren Flü­geln getra­gen durch die Lüfte und gen Süden in ihr Win­ter­quar­tier segeln – in Bezug auf das Klima quasi emmis­si­ons­frei – dröh­nen immer wie­der Flug­zeuge Rich­tung Anflug­schneise zum Flug­ha­fen Klo­ten über den Wan­nen­berg. Und auch die Naturfreund:innen der Gat­tung «Homo sapi­ens» haben in unüber­seh­ba­rer Zahl ihre Motor­fahr­zeuge auf dem Wan­nen­berg par­kiert. Wir fra­gen uns, wann die Men­schen end­lich begin­nen vom Reden und Nicken zum Han­deln zu schrei­ten, statt zu motor­fah­ren. Ohne Wenn und Aber.

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