Neopren im Swimmingpool

Seit Wochen gehen die Wogen hoch: Stei­gende Ener­gie­preise, ange­drohte Strom­knapp­heit bis hin zum Black­out schü­ren Angst und Panik. Keine Frage: Wegen der teils enor­men Preis­stei­ge­rung für Gas, Elek­tri­zi­tät und Oel wird es für viele finan­zi­ell eng und enger. Fakt ist aber auch: Seit Jah­ren haben wir uns daran gewöhnt, dass Ener­gie all­zeit ver­füg­bar und bil­lig ist.

Eigent­lich weiss man schon lange, dass dies ein Trug­schluss und nicht nach­hal­tig ist. Nun holt uns die Rea­li­tät ein. Und was tun wir, was tun unsere Behör­den? Es wird gefeilscht und gejam­mert, was das Zeug hält. Dabei gibt es viel, ja sehr viel Luft, wie Res­sour­cen gespart wer­den kön­nen, ohne dass es wirk­lich ans Leben­dige geht.

Ein Bei­spiel ist die Pole­mik rund um die Behei­zung der Schwimm­bä­der. So haben etwa die Städte Basel und Zürich ver­kün­det, in den städ­ti­schen Hal­len­bä­dern die Luft- und Was­ser­tem­pe­ra­tur um je ein Grad zu redu­zie­ren. Kon­kret heisst das: Die Tem­pe­ra­tur des Was­sers in den Schwimm­becken wird von bis­lang 28 Grad auf 27 reduziert.

Hallo? Gäbe es da nicht ein deut­lich grös­se­res Spar­po­ten­zial? Wenn ich im Som­mer im See oder im Frei­bad schwim­men gehe, rei­chen 20 bis 22 Grad Was­ser­tem­pe­ra­tur voll­ends. Warum also bie­ten Hal­len­bä­der und Well­ness­zen­tren Was­ser­tem­pe­ra­tu­ren bis zu 35 Grad? 

Rei­ner Luxus. Recher­chen zei­gen jedoch: Für Was­ser­sport­wett­kämpfe gel­ten 27 bis 28 Grad als ideale Was­ser­tem­pe­ra­tur, für Trai­ning und Fit­ness rei­chen 26 Grad – im Lern­schwimm­becken wird für Kin­der eine Tem­pe­ra­tur von 29 Grad emp­foh­len, für Babies 32 Grad – diese brau­chen jedoch wohl nicht einen gan­zen Pool…

Schon wer­den Stim­men laut, die als Kom­pen­sa­tion für die ange­kün­dig­ten Tem­pe­ra­tur­ab­sen­kung in Schwimm­bä­dern das Tra­gen von Neo­pren­an­zü­gen pro­pa­gie­ren. Absur­der geht’s nim­mer! Zumal diese «Bade­be­klei­dung» ja prak­tisch ohne Ener­gie her­ge­stellt wird, oder?

Fakt ist und bleibt, dass das Erzeu­gen von Wärme – egal ob im Hal­len­bad oder für das Hei­zen der eige­nen Woh­nung – enorm viel Ener­gie benö­tigt. Schon eine Reduk­tion der Tem­pe­ra­tu­ren um wenige Grad zeigt grosse Wir­kung. Und tut in der Regel nicht weh: Statt die eigene Woh­nung als Pri­vat-Sauna zu betrei­ben, kann man auch im 21. Jahr­hun­dert auf Pull­over und Socken zurück­grei­fen. Und fürs Schwim­men in einem Sport­becken rei­chen 24 Grad. Ohne Neo­pren­an­zug oder Bikini aus Merinowolle.

Krankes Gesundheitswesen oder: Selbstbedienungsladen für Ärzt:innen

In den Schwei­zer Spi­tä­lern herr­sche aku­ter Per­so­nal­man­gel, wird immer wie­der ver­lau­tet. Not­fall­bet­ten wer­den redu­ziert, ganze Sta­tio­nen müs­sen schlies­sen, an man­chen Orten wer­den wie­der Ope­ra­tio­nen auf­ge­scho­ben. Wegen Corona, heisst es. Aber vor allem auch, weil zuwe­nig Fach­per­so­nal zur Ver­fü­gung stehe.

Ganz andere Erfah­run­gen kann man in gewis­sen spe­zia­li­sier­ten Pra­xen in Zürich machen. Dort scheint es nicht an Per­so­nal, son­dern an Patient:innen zu man­geln. Wie anders ist zu erklä­ren, dass man ganz allein in gross­zü­gig ein­ge­rich­te­ten War­te­zim­mern sitzt, wäh­rend sich unter­be­schäf­tigte Mit­ar­bei­tende über Feri­en­pläne und Frei­zeit­er­leb­nisse austauschen?

Natür­lich war ich froh, innert kür­ze­ster Zeit einen Ter­min für eine Schmerz­spritze zu erhal­ten. Die Behand­lung war gut und zeigte auch Wir­kung. Stut­zig wurde ich dann aber, als aus der einen Spritze plötz­lich zwei wur­den – und mir der Arzt par­tout noch eine dritte Injek­tion ver­kau­fen wollte.

Mehr noch: Als ich seine Frage, ob ich mit der ersten Behand­lung zufrie­den gewe­sen sei, mit ja beant­wor­tete, bat er um Wer­bung für seine Pra­xis: «Emp­feh­len Sie mich doch in Ihrem Bekann­ten- und Freun­des­kreis» bet­telte er. Offen­bar ist sein mit teu­ren Gerä­ten und Per­so­nal bestens aus­ge­rü­ste­tes Eta­blis­se­ment nicht aus­ge­la­stet. Und es scheint nicht das ein­zige zu sein…

Nach­dem das Blut­druck­mess­ge­rät bei einer ärzt­li­chen Kon­trolle mal wie­der besorg­nis­er­re­gende Werte gezeigt hatte, schickte mich die Haus­ärz­tin zum Spe­zia­li­sten. Eine 24-Stun­den-Mes­sung sollte zei­gen, wie es wirk­lich um mei­nen Blut­druck steht.

In der Herz­pra­xis wurde ich als erstes zum EKG beor­dert. Dies, obschon ich die Pra­xis­hilfe dar­auf auf­merk­sam machte, dass ein sol­ches bereits vor einem Monat gezeigt habe, dass alles in Ord­nung sei. «Wir machen rou­ti­ne­mäs­sig immer ein EKG», lau­tete ihre Antwort.

Nach dem EKG schnallte sie mir das 24-Stun­den-Mess­ge­rät an und stellte mir in Aus­sicht, dass bei der Kon­sul­ta­tion am Fol­ge­tag eine Ultra­schall­un­ter­su­chung des Her­zens und mög­li­cher­weise auch ein Bela­stungs­test anste­hen wür­den. Ich nahm das zur Kennt­nis und machte mich auf den Heimweg.

Am näch­sten Tag dann zuerst wie­der war­ten im lee­ren Wart­zim­mer. In der gross­zü­gi­gen Pra­xis – eine Atti­ka­woh­nung mit min­de­stens acht Räu­men – sind Stim­men zu hören. Freund­li­ches Per­so­nal. Nach der Aus­wer­tung der Mes­sung teilt mir der Arzt mit, alles sei im grü­nen Bereich. Und bit­tet mich in den Neben­raum zum Ultra­schall. Immer­hin: Auf den Bela­stungs­test wird ver­zich­tet, ver­mut­lich, weil sonst alles ok ist…

Eine Woche spä­ter dann der schrift­li­che Bericht aus der Pra­xis: In unglaub­lich vie­len Wor­ten wird hier erklärt, dass mit mei­nem Her­zen (zum Glück) alles in Ord­nung sei und sich der Blut­hoch­druck im «hoch­nor­ma­len Bereich» bewege.

Ein Blick auf die Rech­nung zeigt: Die Unter­su­chung hat sich für die Pra­xis gelohnt. Fein säu­ber­lich ist auf­ge­führt, für wel­che Unter­su­chung wie­viel ver­rech­net wurde, resp. ver­rech­net wer­den darf. Wäh­rend die eigent­li­che 24-Stun­den Blut­druck­mes­sung mit beschei­de­nen CHF 95.73 zu Buche schlägt, kostete der Ultra­schall CHF 309.98.

Die Gesamt­rech­nung der Herz­pra­xis beläuft sich auf sage und schreibe CHF 673.80. – Genau die glei­chen Abklä­run­gen bei einem ähn­lich gela­ger­ten Fall koste­ten in einer ande­ren Pra­xis gerade mal ein Drit­tel! Unter ande­rem, weil man dort aufs EKG und die Ultra­schall­un­ter­su­chung ver­zich­tet hatte.

Was wohl auch in mei­nem Fall ver­tret­bar gewe­sen wäre, ange­sichts der Tat­sa­che, dass ja schon ein EKG vor­lag, sich die gemes­se­nen Werte im grü­nen Bereich beweg­ten und die «Pati­en­tin» null Beschwer­den hatte.

Der Schluss liegt nahe, dass die Herz­pra­xis den Zusatz­auf­wand betrie­ben hat, um sich sel­ber gesund­zu­stos­sen: Je län­ger der Fach­arzt mit der Pati­en­tin spricht, je mehr Appa­rate invol­viert sind, je län­ger die Dia­gno­se­texte aus­fal­len, desto mehr kann man dem Unter­su­chungs­ob­jekt verrechnen…

Fakt ist: Abzocke im Gesund­heits­we­sen ist genauso an der Tages­ord­nung, wie der unmensch­li­che Druck auf das Per­so­nal dort, wo es um Grund­ver­sor­gung und Spi­tal­all­tag geht.

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