Stopp dem Wachstumswahn!

Wach­sen, wach­sen und ver­dich­ten. – In der Stadt Zürich scheint der Bau­wahn keine Gren­zen zu ken­nen. Fast uni­sono wer­ben sonst ver­nünf­tige Zeit­ge­nos­sIn­nen aktu­ell für eine Abstim­mungs-Vor­lage, die in dia­me­tra­lem Wider­spruch steht zu den Anfor­de­run­gen an eine lebens­werte und men­schen­freund­li­che Stadt. Und des­halb drin­gend abge­lehnt wer­den müsste.

Lei­der wird es anders kom­men. Dies nicht zuletzt, weil die Stadt­re­gie­rung fürs Abstim­mungs­wo­chen­ende vom 28. Novem­ber ein hin­ter­li­sti­ges Päckli geschnürt hat: Sie legt der stimm­be­rech­tig­ten Bevöl­ke­rung der Stadt Zürich gleich zwei Richt­pläne zur Abstim­mung vor – zwei Vor­la­gen mit unter­schied­li­cher Stoss­rich­tung, die sie und (prak­tisch alle) Par­teien als ein­ei­iges Zwil­lings­paar promoten.

Beim einen Richt­plan geht es um die Revi­sion der heute gül­ti­gen Pla­nungs­grund­lage für den Ver­kehr. Sie stammt aus dem Jahr 2004 und muss drin­gend den Bedürf­nis­sen der heu­ti­gen Zeit ange­passt wer­den. Das heisst etwa: Kon­se­quente Fokus­sie­rung und För­de­rung von nach­hal­ti­gen Mobi­li­täts­for­men wie Fuss- und Vel­over­kehr, Reduk­tion des moto­ri­sier­ten Individualverkehrs.

Die Vor­lage trägt den Anfor­de­run­gen an eine zeit­ge­mässe Ver­kehrs- und Mobi­li­täts­pla­nung weit­ge­hend Rech­nung. So soll etwa der moto­ri­sierte Indi­vi­du­al­ver­kehr künf­tig auf soge­nann­ten Sam­mel­stras­sen gebün­delt wer­den. Auf kom­mu­na­len Stras­sen gilt grund­sätz­lich Tempo 30, Stras­sen­park­plätze sol­len dra­stisch redu­ziert wer­den, um «zusätz­li­chen Raum für Fuss‑, Velo- und öffent­li­chen Ver­kehr sowie hit­ze­min­dernde Mass­nah­men zu schaffen.»

Das sind wich­tige Vor­aus­set­zun­gen für eine Mobi­li­täts­ent­wick­lung, die auf die Her­aus­for­de­run­gen von Kli­ma­wan­del und schwin­den­den Res­sour­cen reagiert. Des­halb werde ich für diese Vor­lage – ohne Wenn und Aber – ein JA in die Urne legen.

Dies, obschon auch diese Vor­lage auf längst über­hol­ten Wachs­tums­fan­ta­sien basiert und zum Bei­spiel eine starke Zunahme des Wirt­schafts- und Güter­ver­kehrs in Aus­sicht stellt. Offen­sicht­lich sind die Eltern der Richt­plan-Zwil­linge – sprich die rot-grüne Zür­cher Stadt­re­gie­rung – noch nicht im 21. Jahr­hun­dert ange­kom­men. Sie träu­men wei­ter­hin vom unauf­hör­li­chem Wachs­tum, oder gehen zumin­dest davon aus, dass die­ses sowohl natur­ge­ge­ben wie erstre­bens­wert sei und nur von Gutem für die Menschheit. 

Der Cha­rak­ter des zwei­ten Richt­plan-Zwil­lings mit dem schö­nen Namen «Kom­mu­na­ler Richt­plan Sied­lung, Land­schaft, öffent­li­che Bau­ten und Anla­gen» ist durch und durch von die­ser Wachs­tums­eu­pho­rie geprägt.

In der Stadt Zürich leben heute 75’000 Ein­woh­ne­rIn­nen mehr als noch vor 20 Jah­ren. Gemäss den in den Abstim­mungs­un­ter­la­gen zitier­ten Pro­gno­sen könnte sich die Bevöl­ke­rungs­zahl von heute 435’000 in den kom­men­den 20 Jah­ren um wei­tere 80’000 auf 515’000 erhö­hen. Die Fol­gen die­ses Wachs­tums wer­den wie folgt umschrie­ben: «Der Bedarf an Woh­nun­gen, öffent­li­chen Bau­ten und Frei­räu­men würde stei­gen. Auch die Anzahl Arbeits­plätze könnte zuneh­men. Dafür wird inner­halb der Stadt­gren­zen Raum benötigt.»

Des­halb will die Stadt­re­gie­rung noch stär­ker, als dies bereits heute der Fall ist, mit dem neuen Richt­plan ver­dich­ten und zudem die Mög­lich­keit schaf­fen, zusätz­li­che (Grün-)Flächen zu über­bauen. Zwar ent­hält die aktu­elle Bau­zo­nen­ord­nung Reser­ven zur Schaf­fung von Wohn­raum für sage und schreibe wei­tere 260’000 Per­so­nen. Doch damit nicht genug! Mit dem neuen Richt­plan sol­len diese Reser­ven noch­mals mar­kant ver­grös­sert werden.

Das ist nichts ande­res als ein Frei­pass für die wei­tere Ver­be­to­nie­rung der Stadt, die heute schon viel von ihrem ein­sti­gen Charme ver­lo­ren hat. Über­hitzte Immo­bi­li­en­preise und unstill­ba­rer Pro­fit­hun­ger haben bereits in der Ver­gan­gen­heit zu unsen­si­blen Ver­dich­tun­gen und Zer­stö­rung von Lebens­qua­li­tät in vie­len Quar­tie­ren geführt. Mit dem neuen Richt­plan würde diese Poli­tik nicht nur fort­ge­setzt, son­dern wei­ter verstärkt. 

Dar­auf gibt es nur eine Ant­wort: NEIN!

Lei­der haben das jedoch die mei­sten rot-grü­nen Poli­ti­ke­rIn­nen bis­her über­se­hen. Sogar der kli­ma­be­wegte Jung­po­li­ti­ker Domi­nik Waser, der als Stadt­rat für die Grü­nen kan­di­diert, wie auch anson­sten pro­gres­sive Orga­ni­sa­tio­nen wie umver­kehR, wer­ben fleis­sig für ein dop­pel­tes Richt­plan-JA – und win­ken den Beton-Zwil­ling ein­fach durch.

Ganz anders die kleine Par­la­ments­gruppe der EVP. Sie scheint als ein­zige Par­tei erkannt zu haben, um was es geht. Ihr Argu­ment ist über­zeu­gend: «Nein zu einer mass­lo­sen und grün ver­schlei­er­ten Ver­dich­tung. Beton bleibt Beton, auch wenn er grün gestri­chen wird.»

Eine Antwort auf „Stopp dem Wachstumswahn!“

  1. Die Schweiz gehört noto­risch zu den Län­dern der Welt mit dem besten “Busi­ness Envi­ron­ment” die­sem “Asset” sind unsere Normpolitiker/​innen von links bis rechts – und deren Wähler/​innen anschei­nend ebenso – alles zu opfern bereit, was sich nicht im BIP aus­drückt, mit­hin den Lebens­raum Stadt.
    Das Orts­bild der Kern­stadt wird mit Kurio­si­tä­ten zustellt, von nam­haf­ten Schöp­fern natür­lich, als Argu­mente für die Rei­se­bü­ros (beim neuen PJZ muss die City Tour ja nicht anhal­ten). Am Stadt­rand wer­den die her­bei­ge­trom­mel­ten Daten‑, Finanz‑, Han­dels- und Medi­zi­nal­fach­kräfte ange­sie­delt, in hoch gesta­pel­ten Appar­te­ments. Der Stadt­rat und seine Mar­ke­ting­ab­tei­lung wer­den nicht nach­las­sen, mit Events auf dem Sech­se­läu­ten­platz, Gon­del­bah­nen über den See und ande­rer Bes­pas­sung den Zufluss von Immo­bi­li­en­ka­pi­tal dubio­ser Her­kunft zu erleichtern.
    Der ver­heis­sene Segen der Wachs­tums­kir­che ist teuf­lisch: die Kurie, etwa die Bau­äm­ter, schwim­men im Geld und set­zen es ein, die Stadt zu Tode zu gestal­ten, d.h. so zu ver­wü­sten, wozu es andern­orts Krieg braucht. Dies betreibt das Tief­bau­de­par­te­ment der­art akri­bisch, dass bei mir auch der Asphalt­z­wil­ling (Ver­kehrs­plan) durch­fällt, man denke nur schon an das Pro­jekt See­damm-Deckel (geplant, aber nicht kom­mu­ni­ziert, sind Wohn­hoch­häu­ser an bei­den Enden des sog. Parks, PJZ und Bhf. Wie­di­kon). Einige wer­den sich wun­dern, was an Schand­ta­ten noch alles mit der „Fach­pla­nung Hit­ze­min­de­rung“ gerecht­fer­tigt wer­den wird. Die Pro­pa­gan­da­zug ist längst unter­wegs, und wie gesagt, am Geld fehlt’s lei­der nicht.
    Aber was ver­aus­gabe ich mich hier… Klar wird es anders kom­men. S Covid-Gsetz isch halt inter­es­san­ter, und zu Waser und zu Umver­kehR sag ich mal bes­ser nichts.

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