Die falsche Frage

Drei ältere Frauen im Zug, auf dem Heim­weg von einer Früh­lings­wan­de­rung im Jura. Ange­regte Unter­hal­tung, über dies und jenes – von Hazel Brug­gers Auf­tritt bei Scha­win­ski bis zur «Flücht­lings­krise». Zur Spra­che kommt auch das bedin­gungs­lose Grund­ein­kom­men, über das wir am 5. Juni abstimmen.

«Eine gute Idee, aber 2500 Fran­ken im Monat sind viel zu viel», sagt die eine. «Ich glaube nicht, dass die Leute mit soviel Geld noch gerne arbei­ten wür­den.» Die Hälfte wäre viel­leicht ok, sagt eine andere, so aber habe es wirk­lich keine Chance.

Die Dritte führt wei­tere Beden­ken auf: Ein Grund­ein­kom­men für alle, anstelle der Unter­stüt­zung von Bedürf­ti­gen mit­tels Für­sorge- und Arbeits­lo­sen­ein­rich­tun­gen, würde unser aktu­el­les System völ­lig auf den Kopf stel­len. Zu viel sei unklar, auch die Finan­zie­rung. Das mache Angst. Und eben, hier­zu­lande halte man den Wert der Arbeit hoch…

Zum glei­chen Schluss kommt eine Vox­pop in der Radio­sen­dung «Ren­dez-vous am Mit­tag» auf SRF 1. Thema ist das bedin­gungs­lose Grund­ein­kom­men: Ein Repor­ter besucht die Aus­stel­lung «<span class=“st”>Geld. Jen­seits von Gut und Böse» im </span>Stapferhaus Lenz­burg und fragt Besu­che­rIn­nen nach dem «Wert von Arbeit». Die Voten gehen von «Arbeit ist ein not­wen­di­ges Übel» bis zum Bekennt­nis des Taxi­fah­rers, der trotz Ren­ten­al­ter immer noch unter­wegs ist: «Arbeit macht glücklich.»

Kurzum: Die Umfrage hat keine neuen Erkennt­nisse zum Thema gebracht – konnte sie auch nicht, denn der Repor­ter hat schlicht die fal­sche Frage gestellt: Beim bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­men geht es eben gerade nicht um die Arbeit, son­dern – wie der Name deut­lich sagt – um das Ein­kom­men. Um die Mit­tel, die wir alle brau­chen, um unse­ren All­tag zu bestreiten.

Die Ver­knüp­fung von Arbeit und Ein­kom­men in der heu­ti­gen Gesell­schaft liegt auf der Hand. Uns allen wurde von klein auf ein­ge­impft, man müsse ler­nen und arbei­ten, um Geld zu ver­die­nen und «es zu etwas zu brin­gen». Ange­sichts der aktu­el­len Ent­wick­lun­gen wird dies aber je län­ger desto mehr zum Aus­lauf­mo­dell. Ein Grund­ein­kom­men wird es irgend ein­mal geben müs­sen – das bestä­ti­gen viele kluge Köpfe, wie zum Bei­spiel letzte Woche der US-Öko­nom Robert Reich im Gespräch mit dem Tages-Anzeiger.

Den Wert von Arbeit über das Ein­kom­men zu defi­nie­ren, ist ohne­hin pure Ideo­lo­gie. Damit wird die ver­kaufte Arbeits­kraft – wie die Lohn­ar­beit Marx beschrie­ben hat – höher gewer­tet als alle ande­ren Arbei­ten und Enga­ge­ments. Kommt dazu, dass Ban­ke­rIn­nen oder Pro­fes­so­rIn­nen beim Ver­kauf ihrer Arbeit wesent­lich bes­sere Preise erzie­len als etwa Bäue­rIn­nen, Pfle­ge­rIn­nen, Schrei­ne­rIn­nen… Über den Wert einer Arbeit sagt jedoch deren Preis auf dem Markt nichts, aber auch gar nichts aus.

Die Abstim­mung über das bedin­gungs­lose Grund­ein­kom­men bie­tet die Chance, über eine zen­trale Frage unse­rer Gesell­schaft, die uns allen nahe geht, nach­zu­den­ken. Und für die Zukunft neue Schwer­punkte zu setz­ten. Das Ganze ist kom­plex, viele Fra­gen sind offen. Umso wich­ti­ger wäre – ein­mal mehr – eine hörens­werte Lei­stung des Ser­vice Public-Radios. Sim­pel gestrickte Repor­ta­gen wie jene aus dem Stap­fer­haus hin­ge­gen, die längst Bekann­tes wie­der­ho­len und über­holte Ideo­lo­gien zemen­tie­ren, sind überflüssig.

Das Gespräch im Zug übri­gens, nahm eine über­ra­schende Wende: Nach­dem die eine der drei Freun­din­nen das Pro­blem der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit im Zusam­men­hang mit der Ein­füh­rung eines Grund­ein­kom­mens ange­spro­chen und ihr Gegen­über dazu bemerkt hatte, dann kämen plötz­lich auch noch die Tür­ken, been­dete die Dritte das Gespräch mit einem dezi­dier­ten Votum: «Ich stimme trotz­dem Ja.»

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