WOZ-Abo – das war’s

Heute ist der 1. Mai und ich habe soeben mein WOZ-Abo gekün­digt. Damit kommt eine jah­re­lange Bezie­hung zu einem trau­ri­gen Ende. Was habe ich für diese Zei­tung gewor­ben, Freund:innen und Nef­fen mit Pro­be­a­bos ange­fixt, immer wie­der zitiert, gelobt, ver­tei­digt – und ja, auch ab und an für sie geschrieben…

Natür­lich war und bin ich nicht immer mit allem ein­ver­stan­den, was in der WOZ steht. Trotz­dem bin ich dabei geblie­ben, aus der Über­zeu­gung, dass WOZ-Journalist:innen ihr Hand­werk beherr­schen und sich an den Stan­dards eines pro­fes­sio­nel­len und fak­ten­ba­sier­ten Recher­che­jour­na­lis­mus orientieren. 

Lei­der ist diese Über­zeu­gung in den letz­ten Jah­ren immer öfter ins Wan­ken gera­ten. Stra­pa­ziert wurde sie etwa mit dem salop­pen Eti­ket­ten-Schimpf­wort «Coronaleugner:innen», das all jenen, die auch nur leise Kri­tik an der Schwei­zer Corona-Poli­tik wag­ten, ver­passt wurde. Inbe­grif­fen die Unter­stel­lung eines Rechtsd­ralls und dem Hang zu Verschwörungstheorien.

Immer öfter neh­men WOZ-Schrei­bende für sich in Anspruch, die ein­zig­wahre Wahr­heit links der poli­ti­schen Mitte zu ver­tre­ten. Das ist nicht nur anmas­send, son­dern auch lang­wei­lig und dumm. Guter Jour­na­lis­mus heisst näm­lich, dass sich der Leser, die Lese­rin auf­grund recher­chier­ter Infor­ma­tio­nen sel­ber eine Mei­nung bil­den kann.

Die WOZ gebär­det sich aber lie­ber als hel­ve­ti­sche Prawda im Taschen­for­mat. Ins­be­son­dere, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht: Argu­mente und Bestre­bun­gen für Ver­hand­lun­gen und ein bald­mög­lich­stes Ende der Kampf­hand­lun­gen haben in der Wochen­zei­tung kei­nen Platz. Ein­heits­front heisst das seit je im lin­ken Voka­bu­lar. Wer sich also nicht ein­reiht unter die Waffenforderer:innen zur «Unter­stüt­zung der Ukraine» und zur «Ver­tei­di­gung unse­rer west­li­chen Werte», wird nie­der­ge­schrien und mit Häme über­gos­sen. Ein beson­ders häss­li­ches Bei­spiel war etwa im Februar die unsäg­li­che Dif­fa­mie­rung von Sahra Wagen­knecht und Alice Schwar­zer, die sich erlaubt haben, eine Frie­dens­demo in Ber­lin zu organisieren.

In der jüng­sten Aus­gabe brei­tet die WOZ-Repor­te­rin Anna Jik­har­eva, auf einer Dop­pel­seite aus­ge­walzt, eine Schimpf­ti­rade gegen all jene Lin­ken aus, die nicht in die main­strea­mige Kriegs- und Waf­fen­lo­gik ein­stim­men wol­len. Und kommt zum Schluss: «Die Grä­ben, die sich im letz­ten Jahr auf­ge­tan haben, wer­den sich so schnell nicht zuschüt­ten las­sen. Das würde nicht nur ein Zuhö­ren und Wis­sen­wol­len vor­aus­set­zen, son­dern auch eine ehr­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit lin­ker Gewalt­ge­schichte und ihrer Sym­bo­lik, einen Abschied von alten Feind­bil­dern und beque­men Gewissheiten.»

Nun, aus pazi­fi­sti­scher Sicht muss man, bei einer ehr­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung mit Gewalt­ge­schichte, zu einem ande­ren Schluss kom­men: Wahr ist, dass Links und Pazi­fis­mus per se keine Syn­onyme sind. Und dass es in Bezug auf Waf­fen und Krieg gerade in der Lin­ken schon immer Debat­ten, Streit und Frak­ti­ons­bil­dung gege­ben hat. Das ist heute nicht anders als vor 100 Jahren.

Umso wich­ti­ger wären gegen­sei­ti­ges Zuhö­ren, Wis­sen­wol­len und Debat­tie­ren. Genau das haben aber Anna Jik­har­eva und ihre Kol­le­gen von der WOZ-Redak­tion anläss­lich einer Podi­ums­dis­kus­sion am Vor­abend des 1. Mai ver­hin­dert: Anläss­lich der Ver­nis­sage zum jüng­sten WIDER­SPRUCH-Heft mit dem Titel «Ukraine, Krieg, linke Posi­tio­nen» kamen sie, um zu stören.

Statt zuzu­hö­ren und sich ein­zu­brin­gen, hat die WOZ-Redak­ti­ons­de­le­ga­tion mit thea­tra­lisch zur Schau gestell­ter Her­ab­las­sung und aggres­si­ven Inter­ven­tio­nen eine kon­struk­tive Dis­kus­sion im Keim erstickt.

State­ments vom Podium quit­tier­ten sie mit Grin­sen, per­ma­nen­tem Getu­schel und halb­lau­ten Kom­men­ta­ren. Dies, und ihr stän­di­ges Her­um­spie­len auf den Smart­phones störte und ärgerte jene, die gekom­men waren, um sich ernst­haft mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Daran hat­ten die anwe­sen­den WOZ-«Journalist:innen» null Inter­esse – wozu auch: Ihre eigene Mei­nung ist längst gemacht, sie steht Woche für Woche im Blatt. Andere Posi­tio­nen und Argu­mente woll­ten sie gar nicht hören. Im Gegen­teil: Mit halt­lo­sen Vor­wür­fen und Ver­zer­run­gen ver­such­ten sie, die neue Aus­gabe des WIDERSPRUCH niederzumachen.

So nicht, liebe WOZ. Nach­dem ich gestern Abend gese­hen habe, wie ihr «arbei­tet», gibt es für mich nur eins: Ich kün­dige mein Abo per sofort. Und werde mich künf­tig damit begnü­gen, monat­lich den «Monde diplo­ma­tique» zu lesen – ein For­mat, das ein paar Num­mern grös­ser ist als die Wochenzeitung.

2 Antworten auf „WOZ-Abo – das war’s“

  1. Tja, Gabriela Neu­haus, dem kann ich wenig bei­fü­gen. Es dürfte nicht mehr allzu lange dau­ern bis die WoZ einen Nato-Bei­tritt for­dert und offen für eine (mili­tä­ri­sche) Unter­stüt­zung von Tai­wan auf­ruft. Molina macht ihr das schon seit län­ge­rem vor.
    Man kann bedau­ern, dass es nicht zu inhalt­li­chen Dis­kus­sio­nen kommt. Nur: sol­che sind immer schwie­rig bis unmög­lich, wenn ant­ago­ni­sti­sche Wider­sprü­che im Raum ste­hen. Der Begriff « Linke » ist dif­fus, und ich glaube daher, dass wir uns von der Idee, inner­halb der « Lin­ken » inhalt­li­che Debat­ten füh­ren zu wol­len, ver­ab­schie­den soll­ten. Zuerst wäre zu defi­nie­ren, wer wel­che grund­sätz­li­che Posi­tion zur kapi­ta­li­sti­schen Gesell­schafts­ord­nung und ihrem Wesen vertritt.
    Die gest­ri­gen Voten der Waffenbefürworter:innen waren zu erwar­ten und konn­ten eigent­lich nicht wirk­lich stö­ren, sie waren ledig­lich ein wenig lästig. Eher pein­lich für sie war, dass sie ihren Stand­punkt mit kei­nem Wort begrün­den woll­ten und sich wie trot­zige Kin­der benah­men. Da denke ich bei­spiels­weise an das Votum, es sei ein Skan­dal, dass keine ukrai­ni­sche Frauen auf dem Podium seien. Was kann man da noch antworten?
    Ich habe schon vor eini­ger Zeit beschlos­sen, mein Abo nicht zu ver­län­gern und werde das lau­fende vor­zei­tig kündigen.
    Ber­nard Rambert

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