Wer zu früh schreibt…

NZZ-Aus­land­chef Peter Rásony dürfte heute nicht gerade sei­nen besten Tag gehabt haben. In gros­sen Let­tern titelte sein Blatt am 19. Januar 2023: «Greta Thun­berg ver­rät ihr eige­nes jun­ges Lebens­werk» – und im Lead folgt die Begrün­dung: «Die berühmte Kli­ma­ak­ti­vi­stin Greta Thun­berg zieht den Schlamm des Koh­le­ab­baus bei Lüt­zer­ath dem Glanz des Welt­wirt­schafts­fo­rums in Davos vor.»

Nur Stun­den spä­ter ist sein Text Maku­la­tur. Tat­sa­che ist: Die bei­den Kli­ma­ak­ti­vi­stin­nen Greta Thun­berg und Luisa Neu­bauer sind direkt aus Lüt­zer­ath kom­mend in Davos ein­ge­trof­fen. Um zusam­men mit Mit­strei­te­rin­nen im Rah­men eines CNBC-Panels ihren Auf­ruf für einen sofor­ti­gen Aus­stieg aus den fos­si­len Ener­gien zu bekräftigen.

Ein wohl­über­leg­ter, klu­ger Schach­zug, der die «Ana­lyse» von Rásony dumm aus­se­hen lässt. Die­ser hatte näm­lich in sei­nem Arti­kel mit fast rüh­ren­den Wor­ten sei­nem Bedau­ern Aus­druck gege­ben, dass aus der «unschul­di­gen, um die Zukunft der Jugend besorg­ten Schü­le­rin» eine Akti­vi­stin gewor­den sei, die heute «Lüt­zer­ath als Bühne für ihre Mis­sion» wähle.

Dort, räso­niert Rásony wei­ter, werde fürs glo­bale Klima nichts gewon­nen. Wohin­ge­gen auf dem Par­kett der Mäch­ti­gen in der Ver­gan­gen­heit, nicht zuletzt dank der Kli­ma­ju­gend, «poli­ti­sche Wei­chen­stel­lun­gen und wirt­schaft­li­che Inve­sti­ti­ons­ent­schei­dun­gen zum Aus­bau des Kli­ma­schut­zes von immenser Trag­weite beschlos­sen» wor­den seien. Aller­dings muss auch der NZZ-Redak­tor ein­räu­men, dass diese völ­lig unge­nü­gend sind. Und wünscht sich des­halb «mehr Ein­fluss Thun­bergs auf die Mäch­ti­gen der Welt auf der gros­sen Bühne des WEF oder an den Klimakonferenzen.» 

Was er nicht begrif­fen hat: Ohne Kli­ma­streik und dem dar­aus resul­tie­ren­den Druck von der Strasse, hätte Greta Thun­berg gar nie eine Ein­la­dung ans WEF erhal­ten. Sie hat kei­nes­wegs die Bühne gewech­selt – gute Aktivist:innen zeich­nen sich eben dadurch aus, dass sie ihre Mis­sion agil und gescheit ver­tre­ten – mit den je nach Situa­tion pro­ba­ten Mitteln. 

Die vier jun­gen Frauen haben heute ihren ein­stün­di­gen Auf­tritt am WEF jeden­falls genutzt und Klar­text gespro­chen. Ihre For­de­rung ist so ein­fach wie radi­kal: Keine wei­te­ren Inve­sti­tio­nen in fos­sile Energien!

Es braucht einen raschen Aus­stieg, ohne Wenn und Aber, das beto­nen nicht nur die vier Akti­vi­stin­nen auf dem Podium, unter­stützt wird ihre For­de­rung auch vom Direk­tor der Inter­na­tio­na­len Ener­gie­agen­tur IEA, der eine Ver­viel­fa­chung der Inve­sti­tio­nen in grüne Ener­gien for­dert, um den Umstieg zu beschleunigen.

Wie drin­gend Han­deln gefor­dert ist, macht Kli­ma­ak­ti­vi­stin Vanessa Nekate deut­lich: Mit ersticken­der Stimme erzählt sie von erschüt­tern­den Begeg­nun­gen in afri­ka­ni­schen Dör­fern, wo Men­schen infolge der zuneh­men­den Dürre ster­ben. Für die aktu­el­len Dis­kus­sio­nen zur Ener­gie­krise fin­det sie deut­li­che Worte: Alles drehe sich immer nur um die Befind­lich­keit der rei­chen Län­der des Westens. «Die dis­ku­tierte Beschrän­kung auf 1,5 Grad Kli­ma­er­wär­mung ver­mag viel­leicht Europa zu schüt­zen – es gibt aber Regio­nen in Afrika, wo schon 1,2 Grad Erwär­mung kata­stro­phale Fol­gen haben.»

Die Vierte im Bunde, Helena Gualinga, unter­streicht die For­de­rung nach einer «gerech­ten Trans­for­ma­tion». Der an der Kli­ma­kon­fe­renz in Ägyp­ten beschlos­sene Kli­ma­fonds zugun­sten armer Län­der sei bis­lang ein «lee­rer Korb», die Dring­lich­keit der gefor­der­ten Mass­nahme spiegle sich bis­her nicht in Massnahmen.

Ein­drück­lich, wie sach­lich die vier gut infor­mier­ten Frauen ihre Bot­schaft ver­tre­ten, wie gut sie argu­men­tie­ren – wie logisch und ein­deu­tig ihre Mes­sage ist. Trotz­dem – oder gerade des­halb – ist zu befürch­ten, dass auch die­ser Appell im Selen­ski-Sperr­feuer weit­ge­hend unge­hört verhallt.

Auf die Frage, wie es wei­ter­ge­hen soll, fasst Vanessa Nekate zusam­men: «Viele sagen, dass es uns braucht und loben unser Enga­ge­ment – aber nur wenige schlies­sen sich uns an. Das ist fru­strie­rend.» Ihre drei Mit­strei­te­rin­nen stos­sen ins glei­che Horn. Luisa Neu­bauer betont, dass die Erfah­run­gen der letz­ten Tage in Lüt­zer­ath, wo sich Landwirt:innen, Gross­el­tern – ganze Dorf­ge­mein­schaf­ten dem Pro­test ange­schlos­sen hät­ten, ermu­ti­gend gewe­sen seien.

Und Greta Thun­berg bringt es noch­mals auf den Punkt: «Die Ent­wick­lung geht mit Voll­gas voran – aber in die fal­sche Rich­tung. Die Hoff­nung, dass wir das stop­pen kön­nen, kommt von den Leu­ten, die sich unse­rer Bewe­gung anschlies­sen. Wir sind schon viele. Aber wir müs­sen viele viele mehr wer­den.…». Nicht wahr, Peter Ràsony?

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