Wenn Tänzer nicht mehr tanzen

Ein Spät­som­mer­abend wie aus dem Bil­der­buch. Auf der Lan­di­wiese fröh­li­ches Thea­ter­spek­ta­kel-Trei­ben. Ich gra­tu­liere mir zum tol­len Auf­trag, der uns zwei Tickets für das jüng­ste Stück von Boy­zie Cekwana beschert hat

Zuge­ge­ben, den Namen hatte ich vor­her noch nie gehört. Dank Inter­net-Recher­chen habe ich aber schnell her­aus­ge­fun­den, dass Boy­zie Cekwana einer der berühm­te­sten Cho­reo­gra­fen Süd­afri­kas ist, der an Thea­ter- und Tanz­fe­sti­vals rund um den Glo­bus auf­tritt und gefei­ert wird

Die Infor­ma­tio­nen und Kri­ti­ken, die ich online lese, wis­sen uni­sono nur Loben­des über den 43jährigen zu berich­ten. Er stammt aus Soweto, fand schon früh zum Tanz. Und the­ma­ti­siert in sei­nen Per­for­man­ces soziale Miss­stände, Pri­vi­le­gien, Unge­rech­tig­kei­ten, Macht. Böse Zun­gen wür­den sagen: Genau die The­men, mit denen sich ein Künst­ler aus die­sem berühm­ten Town­ship im rei­chen Westen ver­mark­ten kann..

Das aktu­elle Stück heisst «In Case of Fire run for the Ele­va­tor» – ein Titel vol­ler Schalk, für eine Per­for­mance sprü­hend von Ideen und Bil­dern, die sich um das poli­tisch bri­sante Thema Hun­ger dreht. So zumin­dest steht es im Pro­gramm. Es han­delt sich dabei um den letz­ten Teil einer Tri­lo­gie mit dem Titel «Influx Con­trols» – so hies­sen einst die Gesetze in Süd­afrika, die Schwar­zen den Zutritt zum gesell­schaft­li­chen Leben der Weis­sen ver­wehr­ten. – Dies, wie auch das Hun­ger­thema unmiss­ver­ständ­li­che Hin­weise auf feine Kost für ein poli­tisch enga­gier­tes Publikum..

Der Anfang lässt hof­fen: Auf der Bühne ein Käfig, darin drei echte Hüh­ner, ein Tram­po­lin und ein Hell­raum­pro­jek­tor, der den Satz «Vege­te­ri­ans – go home» an die Wand pro­ji­ziert. Die anfäng­li­che Wir­kung ist jedoch längst ver­klun­gen, als end­lich zwei Män­ner die Bühne betre­ten, und eine gefühlte halbe Stunde lang erklä­ren, dass sie uns etwas zu bie­ten hätten

Natür­lich in Varia­tio­nen und mit klug gemein­ten Wort­spie­len über Sprach­hür­den und andere Unwäg­bar­kei­ten die­ser Welt. Trotz­dem wan­dert der Blick ver­stoh­len auf die Uhr. Um dann wie­der auf die Bühne zurück zu keh­ren, wo mitt­ler­weile drei kostü­mierte Gestal­ten Radies­chen essen, mit Huhn im Arm Tram­po­lin sprin­gen und Wör­ter auf dem Hell­raum­pro­jek­tor ausbreiten

«Dancers do not dance any­more» sagt irgend­wann einer der Prot­ago­ni­sten. Was in die­sem Stück lei­der tat­säch­lich zutrifft und eine grosse Leere hin­ter­lässt. Ab und zu zwar blitzt eine wit­zige Idee auf – der Ansatz zu einem Dia­log, auf den man sich gerne ein­las­sen würde – eine schräge Sequenz. Nur um gleich wie­der zu ver­puf­fen. So reiht sich Funke an Funke, ohne je zu zünden

Im Publi­kum machen sich Lan­ge­weile und Rat­lo­sig­keit breit. Nach einer lan­gen Stunde ein dür­rer Applaus. Erleich­tert strömt man hin­aus, in den mil­den Abend. Und wagt die Frage, ob Boy­zie Cekwana, käme er nicht aus Süd­afrika und hätte er in der Pro­gramm­vor­schau nicht von Wut und Hun­ger geschrie­ben, gleich­wohl ans Thea­ter­spek­ta­kel ein­ge­la­den wor­den wäre

Spä­ter, bei der Lek­türe der NZZ, drängt sich die näch­ste Frage auf: Sind die Kri­ti­ke­rIn­nen tat­säch­lich alle so begei­stert von Cekwa­nas jüng­ster Pro­duk­tion? Oder spie­len auch hier Her­kunfts­ort und Absichts­er­klä­rung des Künst­lers eine ent­schei­dende Rolle, sowie die Tat­sa­che, dass auch die Kol­le­gIn­nen nur Gutes geschrie­ben haben

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