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Wenn die Masken fallen…

Gerade wird sehr viel geschrie­ben und gere­det über den unbe­strit­ten ver­stö­ren­den «Polit­stil» des neuen US-Prä­si­den­ten und sei­ner Entou­rage. In Europa bewegt vor allem seine Absage an das «west­li­che Bünd­nis» und die damit ver­bun­dene Unter­stüt­zung des Kriegs in der Ukraine die Gemüter.

So sehr, dass sowohl Pri­vat­per­so­nen wie Politiker:innen, Journalist:innen oder andere (selbst­be­ru­fene) «Expert:innen» in redak­tio­nel­len wie sozia­len Medien zu For­mu­lie­run­gen und Sprach­bil­dern grei­fen, die zuwei­len mehr über sie sel­ber aus­sa­gen als über die Weltlage.

Das beginnt beim pri­mi­ti­ven Kraft­aus­druck, den der Schwei­zer SP-Prä­si­dent am Abend des Eklats im Weis­sen Haus über seine sozia­len Medi­en­ka­näle ver­brei­tete. Ganz im Stil des Mr. Trump, dem der Fluch gegol­ten hat. Und genau wie Trump, lässt sich auch Wer­muth von sei­nen Anhänger:innen für die­sen bil­li­gen Post feiern.

Ein ande­rer Wut­bür­ger for­mu­lierte den schö­nen Satz: «Was für ein schänd­li­ches, durch­trie­be­nes, elen­des Mist­stück ist die­ser Bar­bare Trump!» Ein fran­zö­si­scher Sena­tor krönte ihn zum «Kai­ser Nero», der Spie­gel bezeich­net Trump als «Pha­rao unse­rer Zeit» und der Jour­na­list Daniel Bins­wan­ger tut im Online-Maga­zin Repu­blik kund: «Trump agiert nun in aller Offen­heit als der, der er ist: ein vul­gä­rer Kri­mi­nel­ler, ein zyni­scher Macht­mensch, ein patho­lo­gi­scher Lüg­ner und Nar­zisst. Gelei­tet von ein paar bizar­ren Obses­sio­nen, anson­sten aber ohne Plan.»

Hat er tat­säch­lich kei­nen Plan? Ich wäre mir da nicht so sicher… Genauso wenig dür­fen wir uns dar­auf ver­las­sen, dass Trump ein «Voll­idiot» ist, wie das man­che gerne in die Welt posau­nen. Oder gar ein «heim­tücki­scher, Putin-lie­ben­der Voll­idiot», wie es der US-ame­ri­ka­ni­sche Kult­au­tor Ste­phen King for­mu­liert hat. Andere beschrei­ben Trump als «Putins nütz­li­chen Idio­ten». Und der eme­ri­tierte ETH-Mili­tär­pro­fes­sor Albert Sta­hel schreibt auf Inside Para­de­platz: «Washing­ton D.C. dürfte heute unter einem geschei­ter­ten Immo­bi­lien-Spe­ku­lan­ten und mut­mass­li­chen Putin-Vasal­len dahindämmern.» 

Eine Wahr­neh­mung, ganz nach dem Motto: Ame­rika, unser natür­li­cher Ver­bün­de­ter ist viel­leicht gerade nicht in bester Ver­fas­sung, aber das wirk­lich Böse sitzt ein­zig und allein in Russ­land. Ein uralter Reflex, dem nicht nur der alte kalte Krie­ger Sta­hel huldigt.

Was beson­ders nach­denk­lich stimmt: Im Namen von «Gerech­tig­keit» (für die Ukraine) und dem «Schutz der Frei­heit und der west­li­chen Werte» hat auch eine Mehr­heit der Men­schen in die­sem Land, die einst für Abrü­stung und Frie­den auf die Strasse gin­gen, ihre dama­li­gen Über­zeu­gun­gen über Bord gewor­fen. Sie geben Sätze von sich wie, der Russe müsse defi­ni­tiv besiegt wer­den und Ver­han­deln mit einem wie Putin sei nicht möglich.

Laut rufen sie nach wei­te­ren Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukraine und nach Auf­rü­stung in ganz Europa. Sie ver­lan­gen Krieg bis zum bit­te­ren Ende, und blen­den dabei aus, dass jeder wei­tere Kriegs­tag Hun­der­ten von Men­schen das Leben kostet und die Kluft zwi­schen den Par­teien wei­ter vergrössert.

Wer nicht in den Lob­ge­sang des «gerech­ten Kriegs» und der Ret­tung Euro­pas durch Auf­rü­stung ein­stim­men mag, wird schnell ein­mal nie­der­ge­schrien. Erschreckend die Ver­ro­hung des Ton­falls und die schwin­dende Bereit­schaft zur Debatte. Statt­des­sen wird doziert, eti­ket­tiert, geflucht und ver­dammt, was das Zeug hält. Zuhö­ren, nach­den­ken, reflek­tie­ren – Fehlanzeige.

Wäh­rend die Armeen in Europa mili­tä­risch noch am Auf­rü­sten sind, ist der Krieg in den Medien und am Stamm­tisch längst aus­ge­bro­chen. «Wir sind im Begriff, den Infor­ma­ti­ons­krieg zu ver­lie­ren, noch ohne über­haupt rich­tig gekämpft zu haben», schreibt einer auf FB und beklagt sich, dass junge Men­schen in der Schweiz zu Russ­land-freund­lich den­ken würden.

Zum Glück gibt es auch die ande­ren. Wie den ehe­ma­li­gen grie­chi­schen Finanz­mi­ni­ster und Mit­be­grün­der der euro­päi­schen Demo­kra­tie­be­we­gung Diem25 Yanis Varou­fa­kis, der die aktu­elle Mili­ta­ri­sie­rung Euro­pas mit schar­fen Wor­ten kri­ti­siert. Europa als Frie­dens­pro­jekt, so Varou­fa­kis werde nun in Brüs­sel end­gül­tig in Schutt und Asche gebombt und die Euro­päi­sche Union in eine Kriegs­union verwandelt.

Trotz­dem hält Varou­fa­kis wei­ter­hin am euro­päi­schen Traum fest und schlägt ein Sie­ben­punkte-Pro­gramm vor, um die­sen zu ver­wirk­li­chen. Dazu gehö­ren u.a. der sofor­tige Aus­tritt aller euro­päi­schen Län­der aus der NATO, eine Locke­rung der Sank­tio­nen gegen Russ­land und das Aus­han­deln eines neu­tra­len Sta­tus für die Ukraine.

Oder Ursus Wehr­lin vom Künstler:innenduo Ursus und Nadesch­kin, der im Inter­view mit Tame­dia klipp und klar sagt, Auf­rü­stung sei keine Lösung: «In wel­cher Form auch immer man sich am Krieg betei­ligt, man spielt nach den Regeln des Kriegs und spielt das Spiel des Kriegs mit. Von daher: Nein, meine Ein­stel­lung zur Armee hat sich nicht ver­än­dert. Aufrüstung ist keine Lösung. Ich bin ein stu­rer Pazi­fist und ver­su­che wei­ter­hin, Pro­jekte zu unter­stüt­zen, die den Dia­log, den Aus­tausch, die Ver­bun­den­heit und den Humor fördern.»

Diese Stim­men, die sich dem Auf­rü­stungs­wahn wider­set­zen, sind heute wich­ti­ger denn je. Es darf nicht sein, dass sie wei­ter­hin nie­der­ge­schrien und von Kriegs­ge­heul über­tönt wer­den. Wer uns glau­ben machen will, dass Gerech­tig­keit durch Krieg und Sicher­heit durch Mili­ta­ri­sie­rung erreicht wer­den, ist ent­we­der sel­ber ein Opfer die­ser Angst- und Pro­pa­gan­da­lüge oder ein Pro­fi­teur der Waf­fen- und Kriegsindustrie.

Eine Antwort auf „Wenn die Masken fallen…“

  1. Aus­ge­zeich­net for­mu­liert! In den 80ger Jah­ren war ich Teil, der Men­schen­ket­ten gegen die Sta­tio­nie­rung der ame­ri­ka­ni­schen Marsch­flug­kör­per in Europa gegen die Sowjet­union. Wo bleibt heute die Ver­nunft? Danke für Deine wich­ti­gen Worte und Dei­nen Mut.

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