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Weg frei für eine moderne Mobilitätspolitik!

Am Mon­tag nach der kla­ren Abstim­mungs­nie­der­lage in Sachen Auto­bahn­aus­bau lecken sich Rechts­bür­ger­li­che und all jene, die immer noch Spur­aus­bau gegen Staus for­dern, die Wunden.

Der­weil ver­sucht sich Bun­des­rat Rösti in Scha­dens­be­gren­zung für seine miss­glückte Kam­pa­gne. Nach dem glei­chen Muster, wie er bereits in den Abstim­mungs­kampf gezo­gen ist: Flotte Sprü­che, ein­fa­che Bot­schaf­ten, die nur berück­sich­ti­gen, was sei­ner Sache nützt. Los­ge­löst von Tat­sa­chen und Fakten.

Wäh­rend diese Stra­te­gie noch vor weni­gen Wochen bei der Abstim­mung über die Bio­di­ver­si­täts-Initia­tive auf­ge­gan­gen ist, hat es dies­mal nicht geklappt. Rösti und seine Influen­cer-Armada haben die Lage völ­lig falsch ein­ge­schätzt und den Bogen schlicht über­spannt haben.

Die Abstim­mungs­re­sul­tate – auch jene zu den Miet­vor­la­gen – zei­gen: Die Bevöl­ke­rung lässt sich nicht jedes Mär­chen auf­ti­schen. Das Unter­schla­gen von Fak­ten, die Ver­brei­tung von Behaup­tun­gen und Angst­ma­che­rei funk­tio­nie­ren, haben aber nicht zum von Bun­des­bern gewünsch­ten Ergeb­nis geführt

Trotz­dem macht Rösti wei­ter wie bis­her. Dabei stellt sich die Frage: Ist er schlecht bera­ten? Oder ein­fach unbe­lehr­bar? Mit dem Refe­ren­dum gegen die sechs Auto­bahn-Aus­bau­pro­jekte kas­sierte der erfolgs­ver­wöhnte Ex-Lob­by­ist am 24. Novem­ber 2024 bereits seine erste Nie­der­lage als Bun­des­rat. Dies, obschon er wäh­rend Wochen für die Vor­lage wei­belte, als wäre er noch immer Inter­es­sen­ver­tre­ter der Auto- und Öl-Lobby in unse­rem Land und nicht ein Bun­des­rat, der ein Sach­ge­schäft zu ver­tre­ten hat.

Nach der Abstim­mungs­nie­der­lage geht es im glei­chen Stil wei­ter: Unter dem Motto «Poli­tik ist zum Glück nie alter­na­tiv­los» stellt er in Aus­sicht, dass der Auto­bahn­aus­bau auf die eine oder andere Art trotz­dem wei­ter­ge­trie­ben werde. Man habe es nicht geschafft, so die Behaup­tung von Rösti, die nicht direkt betrof­fe­nen Regio­nen von einem Ja zu überzeugen.

Eine Behaup­tung, die völ­lig aus der Luft gegrif­fen ist, aber trotz­dem von einer Reihe von Journalist:innen unhin­ter­fragt auf­ge­nom­men und wei­ter­ver­brei­tet wurde. Dabei ist genau das Gegen­teil der Fall, wie das Bei­spiel des Kan­tons Bern zeigt: Wäh­rend der Gesamt­kan­ton mit bemer­kens­wer­ten 56 Pro­zent Nein-Stim­men die Aus­bau­pro­jekte ablehnte, stimm­ten im direkt vom 6- und 8‑Spurausbau betrof­fe­nen Ber­ner Mit­tel­land mit 62 Pro­zent anteils­mäs­sig noch mehr Bürger:innen gegen den Auto­bahn­aus­bau, mit dem man sie beglücken wollte…

Das glei­che Bild zeigt sich auch in den Kan­to­nen Basel-Stadt, Genf und Waadt: dort, wo Aus­bau­pro­jekte zur Debatte stan­den, lehn­ten die Leute teils wuch­tig ab. Und in St. Gal­len und Schaff­hau­sen, wo die Vor­lage auf Kan­tons­ebene ange­nom­men wurde, stimm­ten die direkt Betrof­fe­nen in den Städ­ten dagegen.

Eine deut­li­che Bot­schaft, würde man mei­nen. Statt sie unter den Tisch zu wischen und über neue Wege für das Durch­bo­xen von ver­al­te­ten Stras­sen­pro­jek­ten zu sin­nie­ren, wäre es an der Zeit, jetzt end­lich neue und wir­kungs­volle Wege zur Ver­kehrs­op­ti­mie­rung und Stau­ver­min­de­rung auch auf den Schwei­zer Natio­nal­stras­sen zu einzuschlagen.

Die Rezepte sind bekannt, ihre Wirk­sam­keit ist nicht nur wis­sen­schaft­lich belegt, son­dern bereits viel­fach in der Pra­xis erprobt.

Der Ver­kehrs­fach­mann Tho­mas Sau­ter-Ser­waes, Pro­fes­sor für Ver­kehrs­sy­steme an der Zür­cher Hoch­schule für Ange­wandte Wis­sen­schaf­ten plä­diert für «Clicks statt Bricks» im Ver­kehrs­be­reich und gab schon vor Jah­ren zu beden­ken: «Wir müs­sen uns bewusst wer­den, was wir uns mit den bis­he­ri­gen Ansät­zen an Lebens­qua­li­tät verbauen.»

Dank dem Wider­stand der loka­len Bevöl­ke­rung hat man in Biel auf den Bau der West­ast-Auto­bahn durch die Stadtl ver­zich­tet. Ohne dass die von Auto­bahn­be­für­wor­tern vor­aus­ge­sag­ten, kata­stro­pha­len Aus­wir­kun­gen ein­ge­tre­ten wären. In der Stadt Luzern hat sich die Bevöl­ke­rung erfolg­reich gegen die soge­nannte «Spange-Nord» – einen vier­spu­ri­gen Auto­bahn­zu­brin­ger mit­ten durch die Stadt – gewehrt. Jetzt ist es erst­mals auf natio­na­ler Ebene gelun­gen, das Per­pe­tuum-Mobile der stän­di­gen Kapa­zi­täts­er­wei­te­run­gen für den Auto­ver­kehr zu bremsen.

Aber statt das Votum vom 24. Novem­ber als Chance für die längst fäl­lige Mobi­li­täts­wende zu lesen, jam­mert die Auto­bahn­lobby über den «Sieg der Fort­schritts­ver­wei­ge­rer» und malt immer noch Schreckens­bil­der von einer sta­gnie­ren­den Wirt­schaft und zusam­men­bre­chen­den Ver­kehrs­sy­ste­men an die Wand.

Nicht die Stau­stun­den auf unse­ren Auto­bah­nen sind das Pro­blem, son­dern die Stur­heit und Inno­va­ti­ons­feind­lich­keit der star­ken bür­ger­li­chen Lobby, die wei­ter­hin – koste es was es wolle – am Aus­bau unse­rer Stras­sen­in­fra­struk­tur fest­hält. Zeit­ver­lust, nicht auf der Auto­bahn, son­dern in den Pla­nungs­bü­ros, die ihre Ener­gie immer noch an ver­al­tete, nicht mehr mehr­heits­fä­hige Spur-Aus­bau­pro­jekte verschwenden.

Die Alter­na­ti­ven lie­gen auf dem Tisch und wur­den bereits wäh­rend der Abstim­mungs­kam­pa­gne immer wie­der genannt: Von Mobi­lity-Pri­cing über eine Tem­po­re­duk­tion auf 80 km/​h auf den Auto­bah­nen bis zur För­de­rung von E‑Bikes und Velo-Schnell­ver­bin­dun­gen… Die Palette an Mög­lich­kei­ten ist schier uner­schöpf­lich und müsste krea­tive Gei­ster eigent­lich beflügeln.

Sogar die Auto­bahn-freund­li­che NZZ ortet am Tag nach der Abstim­mung Hand­lungs­be­darf. So kommt etwa Inland­re­dak­tor David Von­plon zum Schluss, dass es nun gelte, Mass zu hal­ten: «Wer über­mü­tig wird, den pfeift das Stimm­volk frü­her oder spä­ter zurück. Das gilt auch für jene, die von flä­chen­decken­den sechs­spu­ri­gen Auto­bah­nen träumen.»

Sein Fazit: «Im urba­nen Raum sind ver­mehrt Lösun­gen gefragt, um die ver­schie­de­nen Ver­kehrs­trä­ger bes­ser zu kom­bi­nie­ren. Sonst besteht die Gefahr, dass auch die näch­ste Auto­bahn­vor­lage durchfällt.»

Na also, geht doch. Wenn es selbst die NZZ sagt.

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