Vollmond über Juba

Wir sit­zen an einem lan­gen Holz­tisch unter lau­schi­gen Ästen. Vor uns träge der Fluss, ein altes Schiffs­wrack ragt aus dem brau­nen Was­ser. Jugend­li­che besprit­zen sich gegen­sei­tig und genies­sen das Bad in vol­len Zügen, ein Fischer­boot tuckert vorbei.

Die Sonne steht bereits tief – roman­ti­sche Fei­er­abend­stim­mung am weis­sen Nil. Rundum fül­len sich die Bänke, vor­wie­gend mit Weis­sen. Die Habi­tués grüs­sen nach links und nach rechts. Man kennt sich und kommt bei Bier und Ziga­ret­ten schnell ins Gespräch.

Ein­zig die Schil­der an den Bäu­men, die dar­auf hin­wei­sen, dass Foto­gra­fie­ren streng ver­bo­ten ist, erin­nern daran, dass wir uns hier in einer Hoch­si­cher­heits­zone befin­den: Bevor wir Zugang zum Park­platz des Restau­rants erhiel­ten, muss­ten wir zwei Sicher­heits­schleu­sen pas­sie­ren. Unser Gelän­de­wa­gen wurde rundum gecheckt.

Meine Tisch­nach­ba­rin arbei­tet seit bald zwei Jah­ren in Juba. Sie ist Bot­schafts­an­ge­stellte und zustän­dig für die Hilfs­pro­jekte ihrer Regie­rung im Süd­su­dan. Als sie hört, dass wir am Vor­abend aus dem Nor­den zurück­ge­kom­men sind, löchert sie uns mit Fra­gen. Alles will sie wis­sen und noch mehr:

Wie leben die Men­schen in Aweil? Was kann man auf dem Markt kau­fen? Wie steht es um die Gesund­heits­ver­sor­gung? Das Was­ser, die Ernäh­rungs­si­tua­tion – was haben die Leute erzählt, über ihre Reli­gion, die Tra­di­tio­nen – ihre Hoff­nun­gen und Ängste?

Ent­schul­di­gend fügt sie hinzu: «Ich bin seit einem hal­ben Jahr nicht mehr «im Feld» gewe­sen und weiss eigent­lich kaum etwas über die Men­schen, denen wir mit unse­ren Pro­jek­ten hel­fen wol­len.» Des­halb sauge sie auf, soviel sie könne, wenn sie jeman­dem begegne, der aus­ser­halb der Haupt­stadt war.

Fakt ist: Nicht ein­mal in Juba kom­men die inter­na­tio­na­len Hel­fe­rin­nen und Hel­fer wirk­lich in Kon­takt mit den Ein­hei­mi­schen. Aus Sicher­heits­grün­den bewe­gen sie sich aus­ser­halb ihrer mit Sta­chel­draht gesi­cher­ten und bewach­ten Com­pounds nur im Gelän­de­wa­gen. Sie kau­fen in aus­ge­wähl­ten Super­märk­ten ein und ver­keh­ren in eini­gen weni­gen, als «sicher» klas­si­fi­zier­ten Restaurants.

Aber auch sonst beschränkt sich ihr Kon­takt zu Süd­su­da­ne­sin­nen und Süd­su­da­ne­sen auf ein Mini­mum: Die inter­na­tio­nale Gemein­schaft hat beschlos­sen, dass man mit dem Unrechts­re­gime von Prä­si­dent Salva Kiir May­ar­dit nichts zu tun haben will. Die mei­sten Hilfs­ein­sätze wer­den des­halb ohne Ein­be­zug der süd­su­da­ne­si­schen Poli­tik oder Ver­wal­tung geplant und durchgeführt.

Wie man unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen in einem Land arbei­ten könne, frage ich meine Tisch­nach­ba­rin. Sie schüt­telt resi­gniert den Kopf und sagt: «Es ist schon eine eigen­ar­tige Stim­mung – wir blei­ben unter uns, und reden mit uns selber…»

Gerne hätte ich mehr erfah­ren. Doch plötz­lich heisst es Auf­bre­chen – es ist kurz vor Sie­ben. Noch ein paar Minu­ten, dann ist Aus­gangs­sperre für die mei­sten Expats: Um sie­ben Uhr müs­sen alle hin­ter den Mau­ern des eige­nen Com­pounds «in Sicher­heit» sein.

Also eilen wir zum Auto. Sanft brei­tet sich die Däm­me­rung über die Stadt. Wäh­rend wir durch holp­rige und stau­bige Stras­sen fah­ren, geht über den Dächern der Voll­mond auf. Gross, ver­heis­sungs­voll – und unwirk­lich schön.

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