Der Druck ist enorm: Schon ruft das Olympische Komitee der USA dazu auf, dass SportlerInnen, die wegen des Zika-Virus um ihre Gesundheit besorgt sind, auf einen Start in Rio verzichten sollen. Die lautstarken Beteuerungen, die Olympischen Spiele 2016 dürften dem Zika-Virus nicht zum Opfer fallen, lassen erahnen, wie ernst die Situation ist: Organisatoren zittern um ihr Prestigeprojekt, Investoren um ihre Einnahmen…
Noch ist der Zusammenhang zwischen den gehäuft auftretenden Mikrozephalie-Fällen in Brasilien und weiteren Teilen Lateinamerikas und dem Zika-Virus wissenschaftlich nicht erwiesen. Trotzdem hat die WHO den globalen Gesundheitsnotstand erklärt. Dies kurz nachdem zwei Forscher in einer US-amerikanischen Fachzeitschrift der Weltgesundheitsorganisation zu grosse Passivität in Bezug auf Zika vorgeworfen hatten. Eine Überreaktion der WHO nach dem Versagen bei Ebola? Ein weiser Entscheid? Oder steckt noch anderes dahinter?
Laut WHO steht fest: In Lateinamerika haben sich in den letzten Monaten Hunderttausende von Menschen mit dem Zika-Virus infiziert. In den meisten Fällen verlief und verläuft eine solche Infektion harmlos – weitgehend harmloser als zum Beispiel bei Dengue-Fieber, einer Viruskrankheit, die von der gleichen Mücke wie das Zika-Virus übertragen wird.
Ein öffentliches Thema ist das Zika-Virus auf der nördlichen Halbkugel deshalb erst, seit publik wurde, dass in zwei der ärmsten Regionen Brasiliens seit einiger Zeit ungewohnt viele Kinder mit deformierten Köpfen auf die Welt kommen: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Mütter dieser Kinder mit eben diesem Virus infiziert sind. Fazit der Gesundheitsbehörden: Es braucht vermehrt Moskito-Bekämpfung, um der Epidemie Einhalt zu gebieten.
Bereits 2011 wurden in Brasilien im Rahmen eines Pilotprojekts zur Bekämpfung von Dengue gentechnisch veränderte Moskitos ausgesetzt: Die britische Firma Oxitec hatte männliche Mücken so manipuliert, dass ihre Nachkommen nicht überlebensfähig sind. Damit konnte sie, laut eigenen Angaben, in den Versuchsregionen den Mückenbestand um über 80 Prozent reduzieren.
Als die brasilianische Biosicherheitsbehörde daraufhin Oxitec die Zulassung zur kommerziellen Nutzung der Gentech-Mücke erteilte, wähnte sich die Firma kurz vor dem Durchbruch. Die umstrittene Aussetzung von gentechnisch veränderten Insekten war zuvor in anderen Ländern aus Sicherheitsgründen abgelehnt worden. Aber auch in Brasilien ging es nicht so einfach, wie erhofft: Bis heute verweigert die Gesundheitsbehörde Anvisa ihre Einwilligung und verlangt von Oxitec die Offenlegung der Versuchsresultate sowie einen Nachweis, dass die Gentech-Mücken tatsächlich zur Reduktion von Dengue beitrügen.
2015 wurden in zwei Versuchsregionen trotzdem erneut Millionen von Gentechmücken ausgesetzt – gleichzeitig erreichten die Dengue-Erkrankungen Rekordwerte. Ein erneuter Rückschlag für Oxitec.
Umso willkommener nun das Zika-Virus: Unter Führung der WHO, sucht die Welt dringend nach Lösungen. Laut einem Bericht der New York Times investiert Oxitec bereits in eine neue Fabrik, um genügend Moskitos für die erhoffte Nachfrage zu züchten. Offenbar rechnet man damit, dass die Gesundheitsbehörde dem Druck demnächst nachgeben muss…
Doch auch die Konkurrenz schläft nicht: Eine Methode, die ebenfalls kurz vor dem Durchbruch stehen soll und entsprechend propagiert wird, ist die Infektion der Mücken mit Wolbachia-Bakterien – dadurch taugen sie nicht mehr als Wirte von Viren und übertragen keine Krankheiten mehr auf Menschen.
Damit nicht genug – schon wird ein neues Wundermittel propagiert: Mittels «Gene Drive» könnten die Moskitos steril gemacht und ausgerottet werden, stellt Anthony A. James von der University of California in Irvine in Aussicht. Eine weitere Gentech-Methode, die allerdings in der Öffentlichkeit noch wenig Akzeptanz geniesse, meint der Professor. Angesichts der traurigen Babybilder aus Brasilien könnte sich dies jedoch bald ändern.
Die Pharmaindustrie ist elektrisiert: Dem, der es schafft, noch vor den Olympischen Spielen einen Impfstoff gegen das böse Virus durch die Bewilligungsbehörden und auf den Markt zu bringen, blüht ein besonders lukratives Geschäft. Auch daran wird geforscht.
Aktuell hat Brasilien 220’000 Soldaten für den Kampf gegen das Zika-Virus aufgeboten. Sie sollen die Mücken, die das Virus übertragen, dezimieren, um so weitere Mikrozephalie-Fälle zu verhindern. Doch wie erwähnt: Erwiesen ist der Zusammenhang nicht. Es gibt ForscherInnen, die darauf hinweisen, dass die Schädelfehlbildungen ebenso in Zusammenhang stehen könnten mit anderen Viren, Impfstoffen, Fehlernährung oder Umweltgiften.
Und gegen die Mücken, die Wasserlachen lieben und vor allem in armen urbanen Gebieten grassieren, gäbe es einfachere, sicherere und nachhaltigere Bekämpfungsmethoden als Chemiekeulen und Gentechnologie. Aber damit liesse sich nicht soviel Geld verdienen.