Es ist wieder soweit. Hört die Kriegstrompeten! Sie rufen zum Schlachten und Geschlachtetwerden. Krieg, lautet die Parole, sei der Preis für unsere Sicherheit. Wer heute noch für Frieden ohne Waffen, für Verhandlungen, Abrüstung und gewaltfreie Kommunikation eintritt, wird ausgegrenzt. Politiker:innen von links bis rechts fordern unisono Milliarden, um die Armeen Europas aufzustocken und aufzurüsten.
Seit Beginn des Ukrainekriegs haben sich auch hierzulande Grüne- und SP-Politiker:innen für eine Lockerung des Waffenausfuhrverbots stark machen. Mehr noch: Sogar der Schweizer Friedensrat hat sich zum Kriegsunterstützer gewandelt und wirbt aktuell unter dem Motto «Ukraine – the shield of Europe!» mit einem raketenbestückten Kriegsposter für eine Solidaritäts-Demo am 24. Februar. Anlass ist der 2. Jahrestags des russischen Angriffs auf die Ukraine. Von «Frieden schaffen ohne Waffen» keine Spur mehr.
Im Gegenteil, die Spirale dreht sich immer schneller – die Kriegspropaganda wird immer drastischer, die Beträge für den Kauf von neuen Waffensystemen immer astronomischer.
In der NZZ fordert der Militärjournalist Georg Häsler – zusätzlich zum bereits aufgestockten Militärbudget – eine «zeitlich begrenzte Wehrabgabe», um die Schweizer Armee auf Vordermann zu bringen. «Es geht jetzt um einen Kraftakt des Landes und auch der Bevölkerung für eine glaubwürdige Landesverteidigung», stellt Häsler in Aussicht und macht unmissverständlich klar, dass nun Schluss sei mit «Friedensdividenden» und gedrosselten Militärausgaben. Jetzt müsse eben nachgeholt werden, was jahrelang vernachlässigt worden sei, weil man aufs falsche Ross gesetzt habe, nämlich auf Wirtschaftswachstum und soziale Sicherheit – statt auf die Armee.
Einen weiteren Akzent setzten die Kriegstrommler mit der lautstarken Forderung nach Atomwaffen für die EU. Dabei kamen Trumps Drohungen, die USA würde nur noch schützen, wer bezahle, gerade recht: Das neue Narrativ heisst, Europa müsse soweit aufrüsten, dass es sich selbst, auch ohne die USA, verteidigen könne… Dazu gehöre auch die «atomare Abschreckung».
Mir kommt dies alles wie ein Albtraum vor. Ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten des Kalten Kriegs. Allerdings war es kein vergreister Ex-General, der die EU-Atombomben-Debatte angeschoben hat. Nein, es war die deutsche EU-Sozialdemokratin Katarina Barley, die das Thema lanciert hat – und damit auf erschreckend viele offene Ohren gestossen ist. Was hätte ihr Parteikollege Willy Brandt, der grosse Kämpfer für Frieden und Völkerverständigung, wohl dazu gesagt?
Während heute rundum soziale Errungenschaften wie faire Löhne, menschenwürdige Arbeitszeiten oder eine sichere Altersrente als blosse Kostentreiber gebrandmarkt werden, prosten sich die Militarist:innen zu. Seit Monaten klettern die Aktien der Rüstungskonzerne in schwindelerregende Höhen. Der Rubel rollt, ihr Geschäftsmodell hat Hochkonjunktur.
Und alle marschieren mit. «Die Weltlage ist zu ernst, um als Europäer weiter in der Rolle der Halbstarken zu verharren», schreibt etwa der deutsche Publizist Jacques Schuster in der Zeitung «Die Welt». Und im «Echo der Zeit» malt Jens Oliver Schmitt, Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Wien, buchstäblich den Teufel an die Wand: «Wir erleben im Moment nicht einen Krieg Russland gegen die Ukraine, sondern das ist der erste Schritt zur Herstellung einer russischen Hegemonie über den ganzen Kontinent.» Der Historiker mit Basler Wurzeln verknüpft seine Behauptung mit dem Ruf nach rascher Aufrüstung, um «die Armeen wieder kriegsfähig zu machen».
Sätze, die wir von der Kriegspropaganda des 1. Weltkriegs kennen. Damals sprachen die Kriegstreiber vom «reinigenden Gewitter des Krieges» – heute vertickt man uns, dass ein solcherart reinigendes Stahlgewitter Putin, den Popanz, und mit ihm halb Russland ausradieren muss. Oder die Hamas, um den Terrorismus ein für allemal zu bodigen. Die Menschen, die diesen «Gewittern» zum Opfer fallen, die getötet, verstümmelt und vertrieben werden: Kollateralschaden, das gehört zum Krieg.
Die Gesinnung ist die gleiche geblieben wie vor über hundert Jahren. Trotz zweier schrecklicher Weltkriege und dem Aufschrei «NIE WIEDER!» anno 1945… Schlimmer noch: Die heutige Kriegsmaschinerie ist tödlicher und zerstörerischer denn je.
Und trotzdem hält sich das verheerende Narrativ hartnäckig, dass es zum Schutz von Frieden und Freiheit eine starke, gut ausgerüstete Armee brauche. Gleichzeitig führen uns die Bilder aus Kriegsgebieten wie Gaza oder der Ukraine vor Augen, wieviel Leid und Zerstörung, welches Elend diese Kriegsmaschinerie bewirkt.
Für mich steht nach wie vor fest: Waffen sind und bleiben in jedem Fall der falsche Weg. Sie werden nie Frieden und Sicherheit bringen, im Gegenteil. Eine Armee, die trainiert und ausgerüstet ist, wird früher oder später auch in den Krieg geschickt. Wenn die Erzählung von der Abschreckung durch Aufrüstung tatsächlich funktionieren würde, wie man uns glauben machen will, warum werden dann trotzdem so viele Kriege geführt?
Die Leidtragenden sind die Tausenden von Menschen, die als «Kollateralschaden» der Weltgeschichte ihre Existenz verlieren, die Soldat:innen, die in den Tod geschickt werden, die Umwelt, das Klima – wir alle… Weil die Kriegsmaschinerie mit Milliarden-Investitionen weiter geölt wird. Denn Waffen schaffen erst mal Profit für jene, die fern vom Bombenhagel in ihren Villen hocken..
Es ist an der Zeit, die lauten Kriegstrommler:innen zu übertönen. Und jenen Menschen Gehör zu verschaffen, die für andere Wege einstehen. Weil sie gelernt haben, dass durch Waffengewalt erzwungener Friede immer den Keim für den nächsten Krieg enthält. – Dieser Teufelskreis kann durchbrochen werden, wenn wir Menschen uns ohne Wenn und Aber für Frieden ohne Waffen entscheiden – und uns gemeinsam, ernsthaft und mit Entschlossenheit auf allen Ebenen dafür einsetzen.