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Überraschende Zusammenhänge

Wie­der musste ich auf unse­rem Nach­mit­tags­spa­zier­gang mein Handy zücken. Dies­mal keine erhal­tens­werte Stadt­villa, die dem Erd­bo­den gleich­ge­macht wer­den soll – nein, heute ist eine ganze Wohn­sied­lung an der Reihe. Vom Typus Genos­sen­schafts­sied­lung aus den 1950er Jah­ren. Mini­mal unter­hal­ten, wohl um deren Abriss und die Errich­tung von ver­dich­te­ten «Ersatz­neu­bau­ten» zu rechtfertigen.

Aber hoppla: Hier han­delt es sich nicht um eine Genos­sen­schafts­sied­lung, die Wohn­häu­ser gehö­ren einer Pen­si­ons­kasse. Diese will sämt­li­che 250 Woh­nun­gen dem Erd­bo­den gleich­ma­chen. Alle Mieter:innen erhiel­ten die Kün­di­gung, sie haben bis Sep­tem­ber 2025 Zeit, sich eine neue Bleibe zu suchen.

Die geplante Neu­über­bau­ung mit dem idyl­li­schen Namen «Gar­ten­stadt Köschen­rüti» soll Ende 2028 bezugs­be­reit sein und 300 Woh­nun­gen umfas­sen. Die Mie­ten «wer­den sich im Rah­men der Markt­mie­ten in Zürich See­bach bewe­gen», stellt die Bau­herr­schaft in Aussicht.

Im Klar­text: Die heute ver­gleichs­weise gün­sti­gen Woh­nun­gen wer­den durch teu­ren Wohn­raum ersetzt. In der Über­bau­ung ist nicht ein­mal ein mini­ma­ler Pro­zent­satz an Woh­nun­gen zur Kosten­miete vor­ge­se­hen – die pri­vate Bau­herr­schaft hat freie Hand zur Profitmaximierung…

Viel mehr als ein paar nichts­sa­gende Visua­li­sie­run­gen nach alt­be­kann­tem Strick­mu­ster ist bis­lang über die Neu­bau­ten nicht in Erfah­rung zu brin­gen. Für deren Archi­tek­tur zeich­net das Büro Fie­der­ling Haber­sang Archi­tek­ten ver­ant­wort­lich – zwei Archi­tek­ten aus Deutsch­land, die sich in Zürich nie­der­ge­las­sen haben.

Laut Bau­ge­such sol­len auf dem gut 2,5 Hektar gros­sen Areal neun Wohn­häu­ser mit zwei Tief­ga­ra­gen für 112 Autos sowie 21 Auto­ab­stell­plät­zen im Freien erstellt wer­den. Ein­ge­reicht wurde das Bau­ge­such von der All­real AG, einem Unter­neh­men, des­sen Wur­zeln auf den Bührle-Rüstungs­kon­zern zurückgehen.

Auch die Bau­herr­schaft sel­ber hat enge, sogar aktu­elle Bande zum Kriegs­ge­schäft: Das gesamte Areal mit den Wohn­häu­sern gehört der Pen­si­ons­kasse Rheinmetall.

Die Schwei­zer Toch­ter des deut­schen Rüstungs­gi­gan­ten, des­sen Gewinne seit dem Ukrai­ne­krieg durch die Decke gehen, hat ihren Haupt­sitz an der Birch­strasse 155 in Oer­li­kon, gerade mal 1,5 Kilo­me­ter von der Köschen­rüti-Sied­lung ent­fernt – mit­ten in der Stadt. Dort, wo einst Bührle seine Kano­nen­fa­brik gebaut hat, die seine Erb:innen 1999 an den deut­schen Rüstungs­kon­zern ver­kauft haben.

Noch vor ein paar Jah­ren war die Rede davon, dass Rhein­me­tall die Stadt Zürich ver­las­sen wolle und das gesamte Kriegs-Indu­strie-Areal frei werde für eine Umnut­zung zu attrak­ti­vem Wohn- und Lebensraum.

Das Gegen­teil ist ein­ge­tre­ten: Das rie­sige Areal an der Kreu­zung Birch­strasse-Binz­müh­le­strasse dient wei­ter­hin der Rüstungs­pro­duk­tion – mehr noch: Diese wird jetzt sogar noch hoch­ge­fah­ren! Allein im ver­gan­ge­nen Jahr hat die Rhein­me­tall Air Defence AG 300 neue Stel­len geschaf­fen Das Spek­trum rei­che von der Buch­hal­te­rin bis zum Inge­nieur, wie deren CEO Oli­ver Dürr gegen­über der NZZ erklärte.

Grund dafür ist der aktu­elle Ver­kaufs­schla­ger, den die Schwei­zer Rhein­me­tall-Toch­ter in Oer­li­kon ent­wickelt hat: Der «Sky­ran­ger 30» ist das jüng­ste Kind der «Sky­ran­ger-Fami­lie – die All-in-Online-Lösung für die drin­gen­den Bedürf­nisse von heute», wie es auf der Kon­zern­web­site heisst .

Die High-Tech-Kriegs­ge­räte wer­den aber nicht nur mit­ten in Oer­li­kon pro­du­ziert, Rhein­me­tall miss­braucht – ganz in alter Bührle-Tra­di­tion – auch den Namen unse­res Stadt­teils als Label für ihr Kriegs­ge­rät «OERLIKON SKYRANGER®».

Die Schlag­kraft des «Sky­ran­ger 30» wurde im Herbst 2024 anläss­lich einer Promo-Ver­an­stal­tung einer hand­ver­le­se­nen inter­na­tio­na­len Kund­schaft vor­ge­führt – auf «neu­tra­lem» Schwy­zer (Ochsen-)Boden. Das idyl­lisch gele­gene Gebiet – 1952 vom VBS an die Bührle-Kano­nen­schmiede ver­kauft – dient heute der Rhein­me­tall als Test­ge­lände für deren Kriegs­ma­schi­nen. «Die Begei­ste­rung war rie­sig, viele Natio­nen sind am Sky­ran­ger inter­es­siert und wol­len bestel­len», liess sich der Schwei­zer Rhein­me­tall-CEO Dürr in der NZZ zitie­ren. Als erstes habe Öster­reich einen Seri­en­auf­trag erteilt, gefolgt von Deutsch­land und Dänemark.

Auf­grund der Mil­li­ar­den-Auf­träge soll die Pro­duk­tion in Oer­li­kon nun wei­ter hoch­ge­fah­ren wer­den: Der «Sky­ran­ger 30» habe Seri­en­reife erlangt, erklärte der Lei­ter Mon­tage, Inte­gra­tion und Test der Rhein­me­tall Air Defence AG im Novem­ber 2024 gegen­über der NZZ. Das Ziel sei, ab Ende 2025 Sky­ran­ger-Flug­ab­wehr-Türme im Wochen­rhyth­mus aus­zu­lie­fern. Bei einem Stück­preis von über einer hal­ben Mil­lion Euro ein Riesengeschäft.

Im Gleich­schritt mit der Ver­kaufs- und Pro­duk­ti­ons­ab­tei­lung rüstet auch die Schwei­zer Rhein­me­tall Pen­si­ons­kasse ihre Per­for­mance auf: 2023 lag sie mit einer Gesamt­ren­dite von 7,4 Pro­zent deut­lich über dem Schwei­zer Durch­schnitt. Mass­geb­lich zu die­sem Ergeb­nis bei­getra­gen haben «die Lie­gen­schaf­ten mit einer Ren­dite von 8,4 Pro­zent», wie im Jah­res­be­richt 2023 nach­zu­le­sen ist.

Mit ihren 300 neuen Miet­woh­nun­gen in der «Gar­ten­stadt Köschen­rüti» wird die Pen­si­ons­kasse künf­tig noch höhere Pro­fite ein­fah­ren: Die Markt­mie­ten in Zürich stei­gen unge­bremst wei­ter – nicht zuletzt «dank» dem brum­men­den Kriegs­ge­schäft von Rheinmetall…

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