Tunnelblick

Vier Monate noch, bis zur Eröffnung des Gotthardbasistunnels: Im Juni wird mit gros­sem Pomp der letz­te Abschnitt der NEAT ein­ge­weiht. Ziel und Versprechen des 23 Milliarden Franken teu­ren Jahrhundertprojekts ist die Verlagerung des alpen­que­ren­den Verkehrs von der Strasse auf die Schiene.

Doch noch bevor es mit der Umlagerung am Gotthard rich­tig los­geht, haben Parlament und Bundesrat bereits das nächs­te Loch am Gotthard beschlos­sen. Kostenpunkt: Mindestens drei Milliarden CHF. Dank Referendum haben wir die Chance, dies noch zu ver­hin­dern. Aktuell sieht es aller­dings schlecht aus: Laut SRG-Umfrage Ende Januar sol­len 64% der Befragten für ein Ja plä­diert haben.

Weshalb, ist schwer zu ver­ste­hen. Ewiggestrige Auto- und Wirtschaftsvertreter, tat­kräf­tig unter­stützt von Bundesrätin Leuthard, wei­beln laut­hals für die zwei­te Strassenröhre. Sie sei not­wen­dig, um den Verkehr wäh­rend der anste­hen­den Sanierung des 1980 erstell­ten Gotthardstrassentunnels sicher­zu­stel­len, heisst es.

Auf der Frontseite der Gratiszeitung der Befürworter steht in gros­sen Lettern: Gotthardtunnel JA! – Als gäbe es noch kei­nen… Dazu pro­mi­nent auf der ers­ten Seite ein alt­be­kann­tes Gesicht, sozu­sa­gen eine Ikone der Schweiz. Man reibt sich zwei­mal die Augen bis man begreift: Clown Dimitri wirbt für eine zwei­te Strassenröhre durch den Gotthard!

Dabei kämpf­te er in den 1990er Jahren an vor­ders­ter Front für die Alpeninitiative, die 1994 denn auch vom Volk ange­nom­men wur­de. Leider lässt ihre Umsetzung bis heu­te auf sich war­ten. 2011 for­der­te Dimitri des­halb das neu­ge­wähl­te Parlament in einem offe­nen Brief dazu auf, mit dem Alpenschutz end­lich vor­wärts zu machen: «Im Gesetz steht, dass 2018 nur noch halb so vie­le Lastwagen durch die Schweiz fah­ren dür­fen wie heute.»

Statt die gesetz­lich gefor­der­te Reduktion des alpen­que­ren­den Strassenverkehrs end­lich umzu­set­zen, zie­hen es Regierung und Parlament vor, mit  einer zwei­te Strassenröhre am Gotthard noch mehr (LKW-) Verkehr zu gene­rie­ren: Die Annahme der 2. Röhre führt so über kurz oder lang zu einer Aushebelung des Alpenschutzartikels in der Verfassung.

Wer glaubt, dass man bei dro­hen­dem Stau dem in- und aus­län­di­schen Druck nach Ausnützung der vor­han­de­nen vier Fahrspuren nicht nach­ge­ben wird, ist blau­äu­gig. Das wäre ja auch schlicht und ein­fach dumm: Ein Dreimilliarden-Bauwerk, bloss um den Tunnelbetrieb wäh­rend einer begrenz­ten Sanierungszeit auf­recht zu erhal­ten, ist ein Luxus, den man sich nicht ein­mal in der Schweiz leis­ten wird. Dass dank dem zwei­ten Tunnel die Sicherheit am Gotthard ver­bes­sert wird, ist zudem Propaganda am fal­schen Objekt: Will man die Schweizer Strassen wirk­lich siche­rer machen, setzt man die drei Milliarden Franken bes­ser dort ein, wo drin­gen­der Handlungsbedarf besteht.

Besonders stos­send ist die Tatsache, dass die zwei­te Strassenröhre der­art gepusht wird, obschon eine vom ASTRA (!) in Auftrag gege­be­ne Studie deut­lich gezeigt hat, dass mit der Gesamtsanierung des Gotthard-Strassentunnels locker bis 2035 zuge­war­tet wer­den kann. Wörtlich heisst es im Bericht, der letz­ten November ver­öf­fent­licht wur­de: «Gemäss der aktu­el­len Beurteilung von 2015 kann der Gotthard-Strassentunnel bei einer Verschiebung der Gesamterneuerung bis 2035 betrie­ben wer­den, ohne dass umfas­sen­de Überbrückungsmassnahmen mit Vollsperrungen erfor­der­lich sind.»

Zudem schla­gen die Experten wei­te­re Abklärungen vor, die bis Ende 2016 durch­ge­führt wer­den müss­ten. Vernunft ist also gefragt und nicht auto­mo­bi­les Bauchgefühl: Der Entscheid, ob wir eines Tages eine zwei­te Strassenröhre über­haupt brau­chen, wenn der inter­na­tio­na­le LKW-Verkehr ver­fas­sungs­ge­mäss auf die Bahn ver­la­gert wor­den ist, kann getrost auf­ge­scho­ben werden.

Clown Dimitri übri­gens, hat in der Zwischenzeit die Abstimmungsvorlage und ihre Hintergründe näher stu­diert und vor einer Woche dem SonntagsBlick gesagt: «Ich wer­de Nein stim­men. – Ich habe mei­ne Meinung geän­dert – und schä­me mich nicht dafür.»

Schämen soll­ten sich hige­gen ande­re. Diejenigen, die den Alpenschutzartikel in der Verfassung miss­ach­ten und in die­sem Fall nicht im Traum dar­an den­ken, Unterschriften für eine Durchsetzungsinitiative zu sammeln.

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