Drastische Massnahmen sind möglich. Dies haben uns die letzten Wochen gezeigt. Wenn es um die eigene Gesundheit geht, sind wir Menschen bereit, auf einiges, das uns lieb ist, zu verzichten, unseren Lebensstil zu verändern.
Das ist eine gute Nachricht. Denn Veränderungen tun Not – mehr denn je. Zuoberst auf der Agenda stehen (immer noch) Massnahmen gegen den Klimawandel. Hier müssen wir jetzt endlich durchgreifen – und zwar mit der gleichen Konsequenz und Entschlossenheit, mit der wir uns vor einer Ansteckung mit dem Corona Virus zu schützen versuchen.
Dabei können wir auf den Corona-Massnahmen aufbauen. So ergreifen zum Beispiel zahlreiche Städte in Europa die Chance und gestalten ihre Innenstädte weiträumig und sofort fussgänger- und velofreundlicher: In Mailand oder Berlin etwa, erhält der «Langsamverkehr» mehr Raum und deutlich breitere Spuren. Dies, damit die Menschen zu Fuss und auf dem Fahrrad die Distanzregeln einhalten können.
Gleichzeitig beschränken diese Städte den Platz für den motorisierten Verkehr, auch mit Blick in die Zukunft. Damit der Autoverkehr nicht wieder zu- sondern abnimmt, heben sie Fahrspuren und Parkplätze auf. Das verbessert die Lebensqualität in den Städten und belastet das Klima weniger.
Auch beim Flugverkehr könnte die Corona-Erfahrung helfen, das auf unersättlichem Wachstum basierende Fluggeschäft zu redimensionieren. Dies zumindest die Hoffnung, nachdem das Aviatik Business weltweit fast zum Stillstand gekommen ist. Eine Branche notabene, die das Klima extrem schädigt, und die sich bis heute erfolgreich gegen griffige Umweltmassnahmen gewehrt hat.
Dafür forderte Swiss-Chef Thomas Klühr bereits Mitte März, als einer der ersten Firmenbosse, Staatshilfe für seine Airline, deren fette Gewinne der letzten Jahre offenbar der Lufthansa-Konzernrechnung zugeführt worden sind. Zeitgleich mit dem dreisten Vorstoss von Klühr lancierte der Verein umverkehR eine Petition «gegen Staatshilfe für den Flugverkehr ohne Klimaziele», die am 28. April mit 11’440 Unterschriften eingereicht worden ist.
Ohne Erfolg: Nur einen Tag später, am 29. April, gibt der Bundesrat bekannt, dass er die Bürgschaft für Kredite in der Höhe von knapp zwei Milliarden CHF für die Lufthansa-Töchter Swiss und Edelweiss übernehme. Dies, obschon die Swiss Anfang April schon für ihre gesamte Belegschaft von 9500 Angestellten Kurzarbeit angemeldet hat. Somit profitiert sie nun von doppelter Unterstützung durch den Bund.
Die Begründung von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga: «Die Luftfahrt gehört zu den kritischen Industrien der Schweiz, sie trägt dazu bei, die internationale Anbindung sicherzustellen, die Schweiz ist darauf angewiesen: Mehr als ein Drittel unserer Exporte verlassen per Flugzeug das Land, und rund ein Sechstel der Importe gelangt via Luftfracht zu uns. Das heisst, daran hängen dann auch viele Firmen, Lieferketten und Arbeitsplätze.»
Ist das nachhaltig und zukunftsfähig? Corona hat uns gezeigt, dass es sinnvoll und mitunter sogar überlebenswichtig ist, wenn gewisse Waren weder ein- noch ausgeflogen, sondern an Ort und Stelle produziert werden. Die hiesigen Spargeln sind frischer und besser als jene aus Peru. Wir brauchen auch weder Rosen aus Kenia noch frische Feigen aus Südafrika oder Trauben aus Indien.
Der Verzicht auf solche Flugfracht und die Rückbesinnung auf saisonale, regionale Produkte verschlechtert unsere Lebensqualität um kein Bisschen. Im Gegenteil. Vielmehr werden dadurch regionale Wirtschaften auf eine nachhaltige Basis gestellt, im Süden wie im Norden.
Das erfordert allerdings mutige, klare Entscheidungen. Die Milliarden für die Airlines sind hingegen ein vollkommen falsches Signal: zurück in die Vergangenheit, statt vorwärts in die Zukunft.