Sommerferien in Amerika

Eigent­lich wollte ich nicht weg: Seit Tagen lachte die Sonne. Es war heiss, ein Wet­ter, das zum Baden ver­lockte – hätte man sich die Zeit dafür genom­men. Doch ich musste packen, für die Repor­ta­ge­reise nach Boli­vien. Gemischte Gefühle, die beim Blick auf die Wet­ter­karte von La Paz nicht beschwing­ter wur­den: Tem­pe­ra­tu­ren um den Gefrier­punkt. Win­ter halt, und auf 3600 Metern über Meer. 

Präch­ti­ges Som­mer­wet­ter hier­zu­lande hin oder her: Auf dem Flug­ha­fen ein Gedränge und ein Durch­ein­an­der, wie ich es noch kaum je erlebt habe. Anste­hen trotz Web Check-in schon beim Bag­gage Drop, so dass ich schliess­lich im Galopp Rich­tung Gate eilen muss. Auch dort ein Rie­sen­an­drang – die ganze Schweiz scheint weg zu wollen.

Feri­en­zeit ist Rei­se­zeit. Und die­ses Jahr wird geflo­gen, was das Zeug hält. Schliess­lich ist das Aus­land bil­lig wie noch nie. Keine Spur von Krise, Besin­nung oder Umwelt­be­wusst­sein. Fuss­ab­druck hin oder her – einen solch for­mi­da­blen Fran­ken­kurs gibt’s viel­leicht nie wie­der! Der Dol­lar unter einem Fran­ken – da muss man profitieren.

Also flie­gen Herr und Frau Schwei­zer nach Über­see. Mit Kind und Kegel – schon die Klein­sten kom­men heut­zu­tage in den Genuss von Som­mer­fe­rien in Ame­rika. Und trin­ken sich auf dem Weg dort­hin schon mal in Stim­mung: „Ich hab keine Cola mehr“, stellt eine erstaunte Flight Atten­dant mit­ten über dem Atlan­tik fest. „All die vie­len Kin­der haben Cola bestellt!“

Nie­mand nimmt’s tra­gisch – hat es keine Cola, trinkt man halt Sprite oder Oran­gen­saft… Haupt­sa­che, es kann genascht wer­den – so ver­geht die Zeit schnel­ler. Essen, trin­ken und knab­bern auf 10’000 Metern Höhe. Die Über­fluss­ge­sell­schaft, unter­wegs ins Vergnügen.

Der­weil lese ich im Eco­no­mist die neu­sten Schreckens­mel­dun­gen vom Horn von Afrika, wo eine Hun­gers­not das Leben von Mil­lio­nen von Men­schen bedroht: Schät­zungs­weise 60 Pro­zent des Vieh­be­stan­des sind bereits ein­ge­gan­gen. In Soma­lia stieg der Preis für Hirse seit letz­tem Herbst um 240 Pro­zent. Und in Kenia kostet der Mais heute drei­mal soviel wie noch vor ein paar Monaten.

Was ist das für eine Welt? Wäh­rend die ohne­hin Ver­wöhn­ten und Pri­vi­le­gier­ten für ihren Aus­flug ins Dis­ney­land von bil­li­gen Prei­sen pro­fi­tie­ren, ver­hun­gern anderswo Men­schen, weil die Dürre ihr Vieh getö­tet und ihre Fel­der zer­stört hat. Und sie kein Geld haben, um sich auf dem Markt auch nur das Not­wen­dig­ste zum Über­le­ben zu kaufen.

Natür­lich sind die Gründe für die Hun­ger­ka­ta­stro­phen in Afrika kom­plex. Und die sat­ten Kin­der und Jugend­li­chen im Flug­zeug kön­nen nichts dafür, dass ihre Alters­ge­nos­sin­nen und ‑genos­sen in Afrika dahin­sie­chen und ster­ben. Zumin­dest nicht direkt.

Trotz­dem: In unse­rer glo­ba­li­sier­ten Welt hängt alles mit allem zusam­men. Laut Aus­sa­gen eines Wis­sen­schaft­lers der bri­ti­schen Meteo­ro­lo­gi­schen Behörde dürfte zum Bei­spiel auch der Kli­ma­wan­del dazu bei­getra­gen haben, dass der Regen in Ost­afrika so lange aus­ge­blie­ben ist – und mög­li­cher­weise noch wei­ter aus­blei­ben wird.

Dass Flie­gen der Umwelt scha­det, ist längst bekannt. Umso unver­ständ­li­cher die Unbe­schwert­heit, mit der wei­ter­hin und immer öfter um die Welt gejet­tet wird. Nur um sich zu vergnügen.

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