Angesichts der laufend schlimmer werdenden Schreckensmeldungen von der japanischen AKW-Front ist es naheliegend, dass sich Menschen überall auf der Welt vermehrt Sorgen machen und Fragen stellen betreffend Risiken und Sicherheit der Atomanlagen in ihrer näheren Umgebung.
Zumal bisherige Beteuerungen betreffend Sicherheit heute nur noch hohl klingen – so war zum Beispiel bis gestern auf der Website des AKWs Gösgen zu lesen: «Durch sicheres Bauen und die sorgfältige Wahl des Baugrunds können Kernkraftwerke auch sehr starke Beben ohne wesentliche Schäden überstehen. Das belegen die Erfahrungen aus Japan und Kalifornien, wo vergleichsweise oft schwere Erdbeben auftreten.» – Der zweite Satz ist mittlerweile aus aktuellem Anlass vom Internet entfernt worden…
Dabei gibt es durchaus Gründe zu vermuten, dass die Anlagen sowohl den Erdbeben wie auch dem Tsunami baulich Stand gehalten haben. Die atomare Katastrophe dürfte durch Probleme bei der Schnellabschaltung ausgelöst worden sein – weil die Notstromsysteme nicht richtig funktioniert haben, reimt sich ein aufmerksamer Beobachter aus den diffusen Meldungen zusammen.
Falls dies zutrifft, müsste damit gerechnet werden, dass notfallmässige Schnellabschaltungen auch bei anderen AKWs Probleme machen könnten. Eine Befürchtung, die Geologieprofessor Walter Wildi, bis 2007 Präsident der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit in Kernanlagen, heute im Echo der Zeit aufgrund seiner Erfahrungen mit Schweizer AKWs bestätigt hat: «Unsere Kommission hatte damals schon festgestellt, dass es regelmässig Probleme gibt mit den Notstromgruppen, also entweder laufen sie nicht an, oder sie hatten Probleme mit Ölbädern – alle möglichen Zustände haben wir da beobachtet, waren auch sehr beunruhigt.»
Eine bemerkenswerte Aussage, nachdem Energieministerin Doris Leuthard noch gestern mit grossen Augen verkündet hatte, unsere Atomanlagen in der Schweiz seien absolut sicher, weil sie laufend überprüft würden…
Dazu noch einmal Professor Wildi: «Wir stiessen nicht auf sehr viel Gegenliebe mit unseren Bemerkungen. Die Betreiber haben in der Regel bei einem Problem Arbeiten an der betroffenen Notfallausrüstung unternommen, aber das System haben sie nie in Frage gestellt.»
Dies könnte sich nun ändern. Gestern wurden die laufenden Rahmenbewilligungsverfahren für Ersatz-AKWs in der Schweiz sistiert. Bevor in dieser Sache entschieden werden könne, so Bundesrätin Leuthard, müssten die Ereignisse in Japan genau analysiert und allfällige Schlüsse daraus gezogen werden. Dieses Vorgehen fand breite Unterstützung, auch von Seiten der atomfreundlichen Wirtschaft und der Stromkonzerne.
Allerdings ist zu befürchten, dass der angekündigte Marschhalt bloss ein Manöver in Sachen Schadensbegrenzung für die Atomenergie ist und ein Spiel auf Zeit, bis sich die Gemüter wieder beruhigt haben. – Schon wieder sind nämlich altbekannte Drohungen zu vernehmen, dass ein Verzicht auf Atomstrom zu Engpässen führen und unseren Wohlstand gefährden würde. Doch auch darauf gibt es eine aktuelle Antwort: Japan leidet momentan massiv unter Strommangel. Gerade weil es auf Atomstrom gesetzt hat.