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Perfekt getaktete Kampagne

Am 7. Juli – pünkt­lich zum Start der media­len «Som­mer­flaute», prangte auf der Titel­seite der Sonn­tags­Zei­tung in gros­sen Let­tern: «Die JUSO zwin­gen mich zum Aus­wan­dern.» Der Hil­fe­schrei kommt von Peter Spuh­ler. Der alt-SVP-Poli­ti­ker und Bahn­in­du­stri­elle ist einer der weni­gen Schwei­zer Mil­li­ar­däre, die das Bad in der Öffent­lich­keit nicht scheuen.

Der 65jährige bangt um sein Ver­mö­gen und sorgte nicht nur für fette Schlag­zei­len auf der Front – im Innern des Blatts sind sei­nen Kla­gen und Dro­hun­gen zwei zusätz­li­che Sei­ten gewid­met. Stein des Anstos­ses ist die von der JUSO im Februar ein­ge­reichte Initia­tive «Für eine soziale Kli­ma­po­li­tik – steu­er­lich gerecht finan­ziert (Initia­tive für eine Zukunft)», die Pri­vat­ver­mö­gen, wel­che einen Frei­be­trag von 50 Mil­lio­nen Fran­ken über­stei­gen, mit einer Erb­schafts- und Schen­kungs­steuer in der Höhe von 50 Pro­zent bele­gen will.

Die Ein­nah­men aus die­ser Steuer sol­len zweck­ge­bun­den ver­wen­det wer­den: «Der Bund und die Kan­tone ver­wen­den den Roh­ertrag der Steuer zur sozial gerech­ten Bekämp­fung der Kli­ma­krise sowie für den dafür not­wen­di­gen Umbau der Gesamt­wirt­schaft …. », lau­tet die Bestim­mung im Initiativtext.

Eine kluge Vor­lage, die nur auf den ersten Blick krass erscheint. Zur Kasse gebe­ten wer­den näm­lich nur Super­rei­che – schät­zungs­weise han­delt es sich dabei um rund 2600 Per­so­nen in der Schweiz, die über ein Ver­mö­gen von über 50 Mil­lio­nen Fran­ken ver­fü­gen. Dar­un­ter eine Reihe von Grossaktionär:innen soge­nann­ter Fami­li­en­un­ter­neh­men, aber auch einige Steu­er­flücht­linge etwa aus Nor­we­gen, Deutsch­land oder Italien.

Ihnen allen ist gemein­sam: Bei der Grös­sen­ord­nung ihres Reich­tums ist die Abgabe von 50 Pro­zent des in der Hand eines Ein­zel­nen kon­zen­trier­ten Ver­mö­gens für die Betrof­fe­nen locker ver­kraft­bar. Die ver­fas­sungs­kon­forme Besteue­rung von Milliardär:innen würde nam­hafte Beträge erzie­len für den drin­gend not­wen­di­gen und bis­lang sträf­lich unter­do­tier­ten Klimaschutz.

Eine Vor­lage aber auch, die bei den in die­sem Land ton­an­ge­ben­den Mil­li­ar­dä­ren und Mil­lio­nä­ren Schnapp­at­mung her­vor­ruft, wie das Bei­spiel Spuh­ler zeigt. 1,5 bis 2 Mil­li­ar­den Fran­ken müss­ten seine drei Kin­der als Erb­schafts­steuer zah­len, sollte die Initia­tive ange­nom­men wer­den – um dies zu stem­men, müss­ten sie Anteile des Spuh­ler­schen Fir­men­im­pe­ri­ums ver­kau­fen, so die Klage.

Schwei­zer Unter­neh­men, so Spuh­ler wei­ter, drohe so der Ver­kauf etwa an sau­di­sche oder chi­ne­si­sche Gross­in­ve­sto­ren. Ein Non­sens ohne­glei­chen – vor­aus­ge­setzt natür­lich, die sich von Fall zu Fall patrio­tisch geben­den Schwei­zer Milliardär:innen ver­kau­fen ihre Anteile, soweit nötig zur Steu­er­be­glei­chung, nicht an ara­bi­sche, chi­ne­si­sche oder rus­si­sche Olig­ar­chen, son­dern an Schwei­zer Inve­sto­ren, pri­vate und institutionelle.

Gerade Peter Spuh­ler, der heute über ein Fir­men-Impe­rium ver­fügt, des­sen Bör­sen­wert von der Bilanz 2023 mit 4,3 Mil­li­ar­den Fran­ken bezif­fert wurde, ist ein leuch­ten­des Bei­spiel dafür, wie pro­ble­ma­tisch die Kon­zen­tra­tion von Reich­tum in einer Hand ist: Ange­sichts der offe­nen Fra­gen um Nach­fol­ge­lö­sun­gen für sein Impe­rium bezeich­net die NZZ (!) Peter Spuh­ler als ein Klum­pen­ri­siko für die Schweiz. – Wer­den wir also ein Klum­pen­ri­siko los, wenn Spuh­ler, nach Ita­lien oder Öster­reich auswandert?

Nichts­de­sto­trotz gefällt sich der inter­na­tio­nal agie­rende Mil­li­ar­där nach wie vor in der Rolle des Schwei­zer Muster-Unter­neh­mers. Er nimmt für sich und sei­nes­glei­chen in Anspruch, die Basis des Wohl­stands in unse­rem Land zu schaf­fen. Genauso wie seine SVP- und Kol­le­gin im Mil­li­ar­därs­club, Mag­da­lena Mar­tullo-Blo­cher. Ihr cle­ve­rer Vater Chri­stoph Blo­cher hat beträcht­li­che Ver­mö­gens­werte längst an sie und ihre Geschwi­ster wei­ter­ge­ge­ben – so wie sie es auch mit ihren Kin­dern tun wird. Und so wei­ter, und so fort…

Mar­tullo-Blo­cher liess sich, nur wenige Tage nach Spuh­lers Don­ner­schlag in der Sonn­tags­Zei­tung, im BLICK mit dem glei­chen Nar­ra­tiv ver­neh­men: «Meine Kin­der müss­ten auf einen Schlag 2,5 Mil­li­ar­den Fran­ken bezah­len.» Was sie dabei unter­schlägt: Die ver­blei­ben­den 2,5 Mil­li­ar­den Fran­ken, plus ein «Taschen­geld» von 50 Mil­lio­nen Fran­ken (der Frei­be­trag), könn­ten ihre Erben behalten…

In einer kon­zer­tier­ten Aktion äus­ser­ten sich in der Folge wei­tere Super­rei­che, die mit der Aus­wan­de­rungs­keule dro­hen. Unter ihnen etwa Tho­mas Strau­mann, dem gleich zwei bör­sen­ko­tierte Unter­neh­men gehö­ren. Er sorgt sich um die Erb­schaft sei­ner fünf Kin­der, auch wenn er offen­her­zig bekennt, dass sich kei­nes von ihnen mit der Absicht trage, aktiv «ins Fami­li­en­un­ter­neh­men» ein­zu­stei­gen – mit ande­ren Wor­ten: Fer­tig Fami­li­en­un­ter­neh­men – die Strau­mann- Fir­men künf­tig als reine Kapi­tal­an­lage für die Straumann-Erben.

Vater Strau­mann jam­mert von Aus­wan­de­rung, die er schwe­ren Her­zens erwäge. Wie alle ande­ren Super­rei­chen, wird aber auch er nicht kon­kret. Zwar ver­stei­gen sich die Tame­dia-Blät­ter in einem Arti­kel vom 13. Juli zur Behaup­tung, dass erste Mil­lio­näre aus Angst vor der Juso-Initia­tive bereits weg­ge­zo­gen seien. Wer den Arti­kel liest, sucht aber ver­ge­bens nach Bele­gen. Fak­ten­jour­na­lis­mus, das war einmal.

Zitiert wird ein­zig die Nid­wald­ner Finanz­di­rek­to­rin, die gesagt haben soll, dass sich wegen der JUSO-Initia­tive Mul­ti­mil­lio­näre bereits zur Aus­wan­de­rung ent­schie­den hät­ten. Die Tame­dia Redak­tion glaubt es. Und die BLICK-Trom­pe­ten befürch­ten das Allerschlimmste.

Die Initia­tive kommt übri­gens frü­he­stens Anfang 2026 zur Abstimmung.

Und es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die klei­nen Steu­er­pa­ra­dies-Kan­tone wie Nid­wal­den schon dafür besorgt sein wer­den, dass zumin­dest das Stän­de­mehr nicht erreicht wird.

Wes­halb die Schwei­zer Main­stream-Medien – allen voran TX Media und Rin­gier, die beide schwer­rei­chen Fami­lien gehö­ren, aber auch die NZZ – das Thema schon jetzt lan­cie­ren, kann nur ver­mu­tet wer­den. Wahr­schein­lich geht es darum, die JUSO-Initia­tive vor der Debatte im Par­la­ment in die extre­mi­sti­sche Ecke zu stel­len, nach­dem der erste Ver­such von FDP-Steu­er­ver­mei­der Ruedi Noser geschei­tert ist, sie für ungül­tig zu erklären.

Und plötz­lich taucht eine «Stu­die» auf, die PWC Switz­er­land zur JUSO-Initia­tive gerade recht­zei­tig publi­ziert hat – basie­rend auf einer Umfrage unter Millionär:innen(!) in der Schweiz.

Ein Schelm, der da einen Zusam­men­hang wit­tert. Oder könnte es etwa sein, dass die geschäfts­tüch­ti­gen Steuervermeidungsberater:innen ihrer Kund­schaft nahe­ge­legt haben, mit Aus­wan­de­rung zu dro­hen. Und sofort wer­den Alarm­glocken geläu­tet: Der Weg­zug der Rei­chen führe auto­ma­tisch zu höhe­ren Steu­ern für die klei­nen Leute, heisst es.

Für­wahr, eine per­fekt getak­tete Kam­pa­gne. Mit all den Millionär:innen hier­zu­lande, die es noch nicht sind, aber es durch einen Lot­to­ge­winn (oder was auch immer) zu wer­den hof­fen. Deren Kin­der sol­len und wol­len nie­mals 50 Pro­zent Erb­schafts­steuer zah­len müssen!

Des­halb wol­len sie – unter ihnen auch SP-Nationalrät:innen, die ihrer Jung­par­tei ein­mal mehr in den Rücken fal­len – die Initia­tive bachab schicken. Obschon sie ja nur Super­rei­che mit einem Ver­mö­gen von mehr als 50 Mil­lio­nen in die Ver­ant­wor­tung nimmt. Aber man weiss ja nie, ob die Frei­grenze nicht der­einst auch von den eige­nen Erb:innen über­schrit­ten wer­den könnte…

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