Ausgelassene Stimmung im Spätzug nach Zürich: Bierflaschen werden herumgereicht, per Handy Ankunftszeiten und Treffpunkte durchgegeben. Dank Gleis 7 fährt die Jugend quer durch die Schweiz in den Ausgang – praktisch zum Nulltarif. Am nächsten Morgen in aller Frühe, auf den Bahnsteigen noch die Spuren der Nachtschwärmer, schon wieder Hochbetrieb. Familienausflügler, Wandervögel, RentnerInnen.
Freudig begrüsst der Kellner den Stammgast, der wie immer zwischen Olten und Genf sein Bier bestellt, und ein Mittagessen. So kann er später die Rückreise durchs Wallis und über den Oberalp gestärkt antreten. Während der Woche dann die Pendler. In Stosszeiten kreuzen sich die Schnellzüge zwischen Zürich und Bern im Viertelstundentakt, bringen Tausende aus der Region Zürich an ihren Arbeitsplatz in Bern – und umgekehrt. Überfüllte Züge und S‑Bahnen noch und noch. Im ganzen Mittelland – von Genf bis an den Bodensee… Glückliche ZugfahrerInnen, denn ihr Vielfahren wird belohnt: Mit Sonderangeboten, Strecken- und Generalabonnementen wurde die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs während Jahren gezielt gefördert.
Dazu kamen Verbesserungen im Angebot: Immer kürzere Reisezeiten, dichtere Fahrpläne, komfortablere Züge…Das Ziel wurde erreicht: Die Passagierzahlen im öffentlichen Verkehr sind exponentiell gestiegen, bei manchen Strecken ist die Aus- bereits in Überlastung gekippt. Allerdings nicht, weil – wie erhofft – Massen vom Individualverkehr auf die Schiene umgestiegen wären. Im Gegenteil: Auch auf den Strassen sind heute mehr Fahrzeuge unterwegs denn je. Tendenz steigend. Die gute Verkehrsinfrastruktur in unserem Land hat dazu geführt, dass wir ständig unterwegs sind. Doch die Mobilität, an die wir uns mittlerweile gewöhnt haben und die wir alle so lieben, hat ihren Preis: Nicht nur der Ausbau von Strassen- und Schieneninfrastruktur ist teuer, auch ihr Unterhalt kostet.Was nun aber niemand bezahlen will.
Die bundesrätliche Ankündigung, dass wir uns unsere luxuriöse Verkehrsinfrastruktur künftig nur noch leisten können, wenn deren Benützerinnen und Benützer tiefer in die Tasche greifen, provozierte einen vielstimmigen Aufschrei. Während die SVP wirtschaftsfeindliches Autobashing ausmachte und im Falle einer finanziellen Mehrbelastung des Strassenverkehrs den Untergang der Schweiz in Aussicht stellte, erklärten Grüne- und SP-PolitikerInnen eine Erhöhung der Tarife im öffentlichen Verkehr zum Tabu. Dabei gibt es, bei allen Drohgebärden, nur eine Antwort auf die missliche Verkehrslage, in die wir uns mit der mobilitäts-fördernden Politik der letzten Jahrzehnte hineinmanövriert haben: Keine Steuerabzüge für Pendler und Billigpauschalen für Vielfahrer mehr. Weder auf der Strasse, noch auf Schienen.
Früher oder später wird sich auch im Verkehr, wie einst bei der Abfallentsorgung, das Verursacherprinzip durchsetzen.