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GABRIELA NEUHAUS

35 Zeilen zum Lauf der Welt

35 Zeilen zum Lauf der Welt

Angstmacherei – wider besseres Fachwissen

Die Abstim­mung über den 5‑Milliardenkredit für sechs Auto­bahn­aus­bau­pro­jekte ist zu einer Pro­pa­gan­da­schlacht ver­kom­men, bei dem die Aus­bau­be­für­wor­ter Gra­ben­kämpfe und Äng­ste schü­ren, was das Zeug hält.

An vor­der­ster Front Bun­des­rat Albert Rösti, der ein­stige Auto­lob­by­ist, der sein Amt als Bun­des­rat als logi­schen Kar­rie­re­schritt im Dien­ste sei­ner frü­he­ren Auf­trag­ge­ber ver­steht. Statt sach­lich und unauf­ge­regt über die Vor­lage zu infor­mie­ren, legt er sich für den 5‑Milliardenkredit ins Zeug und scheut auch vor Falsch­mel­dun­gen und Ver­zer­run­gen nicht zurück.

Sekun­diert wird er dabei in gros­sem Stil von den Leit­me­dien hier­zu­lande: Kein Blatt, kein Sen­der, der ihm nicht eine Platt­form für seine Pro­pa­ganda gebo­ten hat. Unwi­der­spro­chen wie­der­holt er immer wie­der, der Auto­bahn­bau sei in den 1960er Jah­ren ste­hen geblie­ben. Fakt ist jedoch, dass das Strecken­netz seit 1995 um 30 Pro­zent ver­län­gert wor­den ist.

Wei­ter behaup­tet er, mit den zur Debatte ste­hen­den Pro­jek­ten würde es eine kurz­fri­stig wirk­same Lösung für das viel­be­klagte «Stau­pro­blem» auf Schwei­zer Auto­bah­nen geben. Er weiss aber ganz genau, dass da kurz­fri­stig gar nichts gelöst wird, weil es rund 20 Jahre dau­ern würde, bis die Tun­nel und Spur­er­wei­te­run­gen fer­tig­ge­stellt wären. Kurz­fri­stig gäbe es mit dem Auf­fah­ren der ersten Bau­ma­schi­nen den berüch­tig­ten Bau­stel­len­stau, also noch mehr Stau als bisher.

Schliess­lich ver­ga­lop­piert sich Rösti mit den Aus­sa­gen, es brau­che den Aus­bau, damit unsere Stras­sen­in­fra­struk­tur nicht ver­gam­melt, um den Ver­kehr aus den Dör­fern zu ent­fer­nen und für mehr Sicher­heit auf den Stras­sen… Alles Slo­gans, die von Verkehrsexpert:innen viel­fach wider­legt wurden.

Und doch tobt der Abstim­mungs­kampf prak­tisch aus­schliess­lich auf der von Rösti + Co vor­ge­spur­ten emo­tio­na­len Fahr­spur. Weil Jour­na­li­stin­nen und Jour­na­li­sten sich von Rösti in sei­ner Bun­des­rats­li­mou­sine chauf­fie­ren las­sen und seine Sprü­che wei­ter­ver­brei­ten, statt ihn mit Fak­ten zu konfrontieren.

Die aktu­elle Abstim­mungs­kam­pa­gne ist ein Lehr­stück, wie Lob­by­isten mit Macht und Geld die Demo­kra­tie für ihre Zwecke instru­men­ta­li­sie­ren. Die Mit­glie­der des Komi­tees «Ja zur Siche­rung der Natio­nal­stras­sen» haben sich ihre Des­in­for­ma­ti­ons-Stra­te­gie denn auch eine Stange Geld kosten las­sen. Ein aktu­el­les Bei­spiel dafür ist einer der immer häu­fi­ger vor­kom­men­den Publi­re­por­ta­ge­ar­ti­kel, die auf den ersten Blick vom redak­tio­nel­len Teil auf «Nau» kaum zu unter­schei­den sind. Titel: «Weni­ger Ver­kehr in den Dör­fern – das hilft allen» — rein­ste Pro-Auto­bahn­aus­bau Propaganda.

Doch nicht nur das pri­vate Ja-Komi­tee rund um den Gewer­be­ver­band + Co hat Geld in die Hand genom­men. Eine ganze Bri­gade von Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Agen­tu­ren pro­fi­tiert regel­mäs­sig von lukra­ti­ven Staats­auf­trä­gen. So hat das Bun­des­amt für Stras­sen (Astra) bei der Ber­ner Agen­tur Infra­kom AG für eine Vier­tel­mil­lion Fran­ken ein gan­zes Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ar­se­nal bestellt, um bei der Auto­bahn­ab­stim­mung die Geg­ner­schaft zu schlagen.

Im Klar­text: Wir Bür­ge­rin­nen und Bür­ger finan­zie­ren mit unse­ren Steu­er­fran­ken Agen­tu­ren mit, die ver­spre­chen, Rösti und dem Astra das gewünschte Abstim­mungs­re­sul­tat her­bei­zu­zau­bern. Es geht dabei in kein­ster Weise darum, Fak­ten zu ver­mit­teln und Pro und Con­tras auf­zu­li­sten. Offen­bar trauen die Bun­des­häus­ler dies­be­züg­lich ihrem roten Abstim­mungs­büch­lein zu wenig.

Was Infra­kom + Co prak­ti­zie­ren, ist eine lupen­reine Des­in­for­ma­ti­ons-kam­pa­gne. Dies geht soweit, dass sogar fach­lich fun­dierte Stu­dien und wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nisse, die nicht im Ein­klang mit den Inter­es­sen des Astra ste­hen, als Ideo­lo­gie abge­tan und unter den Tisch gekehrt wer­den. Daten, die unbe­quem sind, wer­den im Gift­schrank zurück­ge­hal­ten, bis nach der Abstimmung.

Das Strick­mu­ster ist immer das Glei­che: Man hängt der Gegen­seite die Ideo­lo­gie-Eti­kette an. Wer sich gegen Auto­bahn­aus­bau stellt, ist ent­we­der ein Träu­mer, ewig-gest­rig oder Autohasser:in. Auf alle Fälle: links-grün versifft.

So unter­stellt etwa FDP-Natio­nal­rat Thierry Burk­hart im Blick-Inter­view vom 13. Novem­ber 2024 der Grü­nen-Prä­si­den­tin Lisa Maz­zone, wenn es nach ihr gegan­gen wäre, hätte man schon vor 60 Jah­ren keine Auto­bah­nen gebaut. Und wie­der­holt die Mär von der wun­der­sa­men Staubeseitigung.

Eine Mär, die bestens funk­tio­niert, weil die Medien, von den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­agen­tu­ren gefüt­tert, nicht ein­ord­nen und ana­ly­sie­ren, wie es ihre Auf­gabe wäre, son­dern Ver­laut­ba­run­gen eins zu eins verbreiten.

Eine fatale Ent­wick­lung. Die so weit geht, dass die Schaff­hau­ser Nach­rich­ten eine von der Stadt­re­gie­rung in Auf­trag gege­bene Ver­kehrs-Stu­die infrage stel­len, weil einige Expert:innen, die den Aus­bau des Fäsenstaub­tun­nels kri­tisch bewer­te­ten, einen Appell für die Ableh­nung der eid­ge­nös­si­schen Auto­bahn­vor­lage unter­schrie­ben haben.

Die Methode der Eti­ket­tie­rung funk­tio­niert offen­bar auch um nörd­lich­sten Zip­fel der Schweiz: «Gut­ach­ter outen sich als Auto­bahn­geg­ner» titeln die Schaff­hau­ser Nach­rich­ten markt­schreie­risch und brü­sten sich damit, fal­sche, ideo­lo­gie­ge­trie­bene Expert:innen auf­ge­deckt zu haben.

In Tat und Wahr­heit decken sie jedoch zu. Indem sie Argu­mente, die nicht erwünscht sind, ein­fach falsch eti­ket­tie­ren. Kol­por­tiert wird schliess­lich nur noch, was drauf­steht, nicht mehr, was drin ist. So wie es die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­agen­tu­ren empfehlen.

Wer, wenn nicht die Fach­per­so­nen, die sich tag­täg­lich mit Mobi­li­täts­fra­gen befas­sen, kann fun­dierte Aus­sa­gen dar­über machen, wie sich der geplante Aus­bau – in Schaff­hau­sen und anderswo – auf das gesamte System und seine Umge­bung aus­wirkt? Fak­ten­ba­siert, nicht ideologie-getrieben…

End­lich scheint aber doch Sand ins bis­lang gut geschmierte Auto­bahn-Pro­pa­ganda-Getriebe gekom­men zu sein: Die neu­sten Umfra­ge­werte zei­gen, dass die Argu­mente gegen die zur Debatte ste­hen­den sechs Aus­bau­pro­jekte vom Stimm­volk doch gehört werden.

So blöd, wie es Rösti und Co. gerne hät­ten, ist der Sou­ve­rän eben doch nicht. Diese Erfah­rung haben wir in der Ver­gan­gen­heit schon mehr­fach gemacht.

Kein anderes Land…

©No Other Land

Sonn­tag, 10. Novem­ber 2024: Noch vor Tages­an­bruch hat die israe­li­sche Armee bei einem Angriff min­de­stens 25 Palästinenser:innen getö­tet, dar­un­ter 13 Kin­der – wei­tere 30 Per­so­nen wur­den ver­letzt… Am Vor­tag waren es min­de­stens 40 Tote, als Israel erneut eine Schule bom­bar­dierte, die als Flücht­lings­la­ger diente…

Israel setzt nicht nur sei­nen Geno­zid-Krieg unge­rührt und unge­hin­dert fort. In den letz­ten Wochen sind auch im Liba­non Tau­sende Men­schen ver­trie­ben und ver­letzt wor­den – unschul­dige Men­schen wur­den bestia­lisch umge­bracht und vom Mili­tär-Kom­mando zynisch als Kol­la­te­ral­scha­den abge­bucht. Die israe­li­sche Armee hat ganze Dör­fer und Quar­tiere im Nach­bar­land zerstört.

Der Staat Israel mor­det, ver­wü­stet, zer­bombt, wie es ihm gefällt – und die Welt schaut wei­ter­hin zu. Tref­fen­der wäre zu sagen, sie schaut weg. Wie sie es seit Jah­ren tut, in Bezug auf Isra­els men­schen­ver­ach­tende, töd­li­che Poli­tik, die nichts ande­res zum Ziel hat, als die nicht-jüdi­sche Bevöl­ke­rung aus dem Land «from the river to the sea» («vom Fluss bis zum Meer») zu vertreiben.

«Seit 1947 sind wir Augenzeug:innen einer kon­ti­nu­ier­li­chen eth­ni­schen Säu­be­rung», schreibt die palä­sti­nen­si­sche Autorin und Men­schen­rechts­ak­ti­vi­stin Fahia Abdul Hadi. Dazu gehöre auch die Zer­stö­rung der palä­sti­nen­si­schen Kul­tur – von Doku­men­ten über Bücher bis zu Kul­tur­denk­mä­lern, Schu­len, Universitäten…

Fahia hält dem mit ihren beschei­de­nen Mit­teln ent­ge­gen. In Ramal­lah hat sie das Insti­tut Al Rowat for Stu­dies & Rese­arch gegrün­det – al Rowat heisst «die Geschich­ten­er­zäh­ler» auf arabisch.

Ange­sichts der jahr­zehn­te­lan­gen Zer­stö­rung und den anhal­ten­den Ver­trei­bun­gen, sei es nicht nur drin­gend not­wen­dig, die ver­blie­be­nen schrift­li­chen Quel­len sorg­fäl­tig zu schüt­zen, so Fahia – viel­mehr müss­ten auch neue Quel­len erschlos­sen wer­den. Zeug­nisse, nicht aus dem Blick­win­kel der Kriegs­her­ren son­dern der Gepei­nig­ten. Aktu­ell fokus­siert sie sich in ihrer Arbeit auf Palästinenser:innen, die aus Gaza ver­trie­ben wur­den und heute in Ägyp­ten leben.

Ziel des Insti­tuts ist es, die palä­sti­nen­si­sche Geschichte und Kul­tur mit­hilfe von Oral-History-Inter­views zu sichern. «Es ist an der Zeit», schreibt Fahia in einem Arti­kel, den sie anläss­lich des dies­jäh­ri­gen inter­na­tio­na­len «Tags der Archive» publi­ziert hat, «dass wir unsere Ver­gan­gen­heit und unsere Gegen­wart sel­ber doku­men­tie­ren und sie unse­rem kol­lek­ti­ven natio­na­len Gedächt­nis erhalten.»

«Sprich, oh Vogel» heisst der poe­ti­sche Titel einer Wan­der­aus­stel­lung, die mit ein­drück­li­chen Bil­dern und Wor­ten von palä­sti­nen­si­schen Fami­lien erzählt, die durch die israe­li­sche Unfrie­dens- und Besat­zungs­po­li­tik aus ihren Dör­fern, von ihrem Land ver­trie­ben wor­den sind.

©Al Rowat for Stu­dies & Research

Der Doku­men­tar­film «No Other Land», der aktu­ell in unse­ren Kinos läuft, geht noch einen Schritt wei­ter: Er doku­men­tiert die ver­bre­che­ri­sche Zer­mür­bungs- und Ver­trei­bungs­po­li­tik Isra­els der letz­ten 30 Jahre gegen die ein­hei­mi­sche palä­sti­nen­si­sche Bevöl­ke­rung in den besetz­ten Gebieten.

Mit Sze­nen, die blan­kes Ent­set­zen über Will­kür und Arro­ganz der israe­li­schen Trup­pen her­vor­ru­fen und nach­denk­lich stim­men­den Gesprä­chen zwi­schen den israelisch/​palästinensischen Haupt­per­so­nen. Die Autor:innen Basil Adra, Rachel Szor, Hamdan Bala und Yval Abra­ham fokus­sie­ren in ihrem Film auf die Ver­trei­bung und Zer­stö­rung der palä­sti­nen­si­schen Dör­fer in Masa­fer Yatta süd­lich von Hebron.

Der Film zeigt Basil Adra, seine Eltern und Geschwi­ster, die in Masa­fer Yatta leben und sich seit er sich erin­nern kann, gegen die Ver­trei­bungs­po­li­tik gewehrt haben. Wie schon seine Eltern vor 20 Jah­ren, tut er dies mit der Kamera in der Hand.

Schon Anfang der 1980er Jahre hatte Israel dekla­riert, dass es die Ara­ber aus ihren histo­ri­schen Dör­fern in der Region Masa­fer Yatta ver­trei­ben wolle – und zu die­sem Zweck das Land zum Schiess­übungs­platz für die israe­li­sche Armee erklärt.

Seit­her haben die Men­schen in Masa­fer Yatta uner­müd­lich und zäh um ihre Rechte gerun­gen. Gegen einen über­mäch­ti­gen Geg­ner, der keine Mit­tel scheut, um sein letzt­li­ches Ziel zu errei­chen – die end­gül­tige Ver­trei­bung der Men­schen von ihrem Land, aus ihren Häu­sern. Seit 2022 zusätz­lich «legi­ti­miert» durch ein Urteil des israe­li­schen Gerichtshofs.

Das hat die Situa­tion jetzt noch ver­schlim­mert. Zur wei­te­ren Eska­la­tion tra­gen die Sied­ler bei, deren Sied­lun­gen seit Jahr­zehn­ten in palä­sti­nen­si­sches Gebiet wuchern, wobei sie mit Gewalt gegen die palä­sti­nen­si­schen Dorfbewohner:innen vor­ge­hen – unter dem Schutz­schirm des israe­li­schen Militärs.

Immer wie­der wer­den die Filmemacher:innen geru­fen, weil israe­li­sche Soldat:innen in einem der Dör­fer ein­mar­schiert sind, wo sie die Men­schen aus ihren Häu­sern trei­ben. Das Pro­ze­dere ist immer das Glei­che: Die Frauen und Kin­der wer­den aus den Häu­sern gezerrt, danach kom­men Bull­do­zer zum Zug, die unter den Augen der Bewohner:innen deren Daheim platt walzen.

«Wenn wir das alles doku­men­tie­ren und der Welt zei­gen, was hier geschieht, wird es irgend­ein­mal auf­hö­ren», sagt Adra im Film. Des­halb fil­men sie mit ihren Kame­ras und Han­dys den unglei­chen Kampf zwi­schen israe­li­schen Soldat:innen und Dorfbewohner:innen, die ihr Land nicht auf­ge­ben wollen.

Das ist mutig und gefähr­lich. Nicht sel­ten kommt es zu pre­kä­ren Situa­tio­nen, wenn die schwer bewaff­ne­ten Soldat:innen erbar­mungs­los durch­grei­fen und auch vor töd­li­chen Schüs­sen nicht zurückschrecken.

Erschüt­ternd die Szene, in der die Mut­ter zuse­hen muss, wie ihr Sohn von israe­li­schen Soldat:innen nie­der­ge­schos­sen wird, weil er sich dage­gen wehrt, dass diese der Fami­lie ihren Strom-Gene­ra­tor weg­neh­men und kaputt schla­gen. Wir sehen, wie der junge Mann als voll­stän­dig gelähm­ter Krüp­pel vor­erst über­lebt, wie die Mut­ter für sein Leben und seine Würde kämpft – chan­cen­los. Schliess­lich stirbt er an den Fol­gen der Schussverletzung.

Die fil­mi­sche Doku­men­ta­tion israe­li­scher Unta­ten nimmt kein Ende. Wir trauen unse­ren Augen nicht, wie die israe­li­sche Sol­da­teska eine palä­sti­nen­si­sche Bewäs­se­rungs­an­lage bös­ar­tig und per­vers demo­liert: Sie frä­sen Was­ser­lei­tun­gen ent­zwei und fül­len einen Brun­nen mit Kubik­me­tern von Beton.

Trotz­dem kämp­fen die Men­schen wei­ter – ste­hen immer wie­der auf, rich­ten sich in Höh­len ein, ver­su­chen bei Nacht und Nebel, ihre Häu­ser neu auf­zu­bauen. «Wir haben kein ande­res Land – wir kön­nen nir­gendwo hin», sagt eine Frau auf die Frage eines Repor­ters, warum sie sich dies antue.

«No other Land» wurde zurecht an der Ber­li­nale mit dem Doku­men­tar­film­preis aus­ge­zeich­net und hat auch in Ber­lin und Nyon den Publi­kums­preis erhal­ten. Es darf aber nicht dabei­blei­ben, dass uns der Film bewegt, Betrof­fen­heit aus­löst und das war’s dann schon.

«No other Land» ist ein Appell an uns alle, nicht län­ger weg­zu­schauen. Vor allem aber sollte er zum Pflicht­stoff erklärt wer­den, ins­be­son­dere für die Israelversteher:innen hier­zu­lande, die sich hart­näckig wei­gern, den Unrechts­staat Israel in die Schran­ken zu wei­sen und wei­ter­hin des­sen krie­ge­ri­sches Mor­den schön­re­den wollen.

Ein wei­te­res bewe­gen­des Zeug­nis aus Masa­fer Yatta – geschrie­ben von einem Leh­rer, publi­ziert am 7. Novem­ber 2024 im unab­hän­gi­gen israe­lisch-palä­sti­nen­si­schen +972-Maga­zine, für das u.a. auch Yuval Abra­ham arbeitet:

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Billiges Trittbrettfahren

Der 6. Novem­ber 2024 ist ein düste­rer Tag. Man musste damit rech­nen, doch für mich ist und bleibt unfass­bar, dass Donald Trump die Wah­len in den USA gewon­nen hat. Mit ande­ren Wor­ten: Mehr als die Hälfte jener, die in den USA gewählt haben, gaben Trump ihre Stimme. Das Ergeb­nis wird als demo­kra­tisch kor­rekt bewer­tet und von nie­man­dem angefochten.

Ein Ras­sist, Sexist und Des­pot als Füh­rer der west­li­chen Super­macht, der seine Ver­ach­tung für Mensch­lich­keit und Demo­kra­tie lust­voll zele­briert und wie­der­holt in Aus­sicht gestellt hat, dass es ein Ende haben werde mit der lei­di­gen Wäh­le­rei, sollte er 2024 zum zwei­ten Mal Prä­si­dent werden.

Nun hat er es also wie­der geschafft, demo­kra­tisch legi­ti­miert und gefähr­li­cher denn je. Wäh­rend die einen spe­ku­lie­ren, was auf die Schwei­zer Wirt­schaft zukommt und andere über die Aus­wir­kun­gen auf die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten rät­seln, zie­hen nicht wenige Kommentator:innen in den Sozia­len Medien das simple Fazit: Wir haben es schon immer gewusst – die Amis spin­nen, die ticken halt anders als wir…

Solch selbst­ge­rechte Ver­höh­nung ist so dane­ben wie falsch: Trump ist zwar ein beson­ders kras­ser Ver­tre­ter der macht­hung­ri­gen und geld­gie­ri­gen Élite, bei der sich alles um die Durch­set­zung der eige­nen Inter­es­sen dreht.

Letzt­end­lich tickt aber ein Trump nicht anders als andere Rechts­po­pu­li­sten. Zwar ist etwa das poli­ti­sche System in der Schweiz bes­ser auf­ge­stellt, unsere Politiker:innen fech­ten (in der Regel) mit fei­ne­rem Flo­rett als der US-Prä­si­dent in spe, aber machen wir uns nichts vor: Wie Bun­des­rä­tin Kel­ler-Sut­ter und ihre Kolleg:innen Amherd, Cas­sis, Par­me­lin und Rösti uns regel­mäs­sig deut­lich vor Augen füh­ren, sind auch unsere Regie­rungs­mit­glie­der Teil einer Macht­elite, die unsere viel­ge­lobte Demo­kra­tie mehr oder weni­ger offen mani­pu­liert. Zum eige­nen Vor­teil und dem ihrer Klientel…

Es ist kein Zufall, dass Trump einem wie Albert Rösti gefällt. Der uner­war­tet deut­li­che Sieg der Repu­bli­ka­ner in den USA dürfte denn auch den Rechts­po­pu­li­sten hier­zu­lande und welt­weit wei­te­ren Auf­wind bescheren.

Keine schö­nen Per­spek­ti­ven. Aller­dings soll­ten wir die Trump-Wahl dies­be­züg­lich nicht überschätzen.

Abso­lut geschmack­los und bedenk­lich finde ich im Nach­gang zur Trump­wahl aller­dings all die Aktio­nen, mit wel­chen schon kurz nach Bekannt­gabe des Wahl­re­sul­tats ver­sucht wurde, aus der kol­lek­ti­ven Depres­sion Gewinn für die eigene Sache herauszuschlagen.

In mei­ner «Blasé» wurde ich am Tag nach den Wah­len gleich mehr­fach mit irri­tie­ren­den Rund­mails und Bet­tel­brie­fen ein­ge­deckt. Den Anfang mach­ten schon am Vor­mit­tag des 6. Novem­bers die Grü­nen, die in den Sozia­len Medien eine düstere Foto­mon­tage mit Trump vor dem Weis­sen Haus poste­ten, dar­über in fet­ten Let­tern der Slo­gan «Wider­stand ist Pflicht» – ver­bun­den mit der Auf­for­de­rung, der Grü­nen Par­tei beizutreten.

Wer den ent­spre­chen­den Link klickt, lan­det auf der Web­site mit dem Titel «Ich wehre mich gegen Rechts­po­pu­li­sten und werde Mit­glied» – dar­un­ter das Anmel­de­for­mu­lar und Infor­ma­tio­nen über die Höhe des Mit­glie­der­bei­trags, der etwa im Kan­ton Zürich, je nach Gemeinde, zwi­schen 60 und 250 Fran­ken beträgt…

Um 12.15 Uhr dann lan­dete eine Rund­mail des «Guar­dian» in mei­ner Mail­box. «It starts now», lässt des­sen Chef­re­dak­to­rin ver­lau­ten und weist dar­auf hin, dass wir soeben Zeu­gen eines «aus­ser­ge­wöhn­li­chen, ver­hee­ren­den Moments in der Geschichte der USA» gewor­den seien. Die Zei­tung werde ihre Anstren­gun­gen ver­dop­peln, so das Ver­spre­chen, und wie schon 2016 die Prä­si­dent­schaft genau unter die Lupe neh­men und Trump wie auch seine Entou­rage jour­na­li­stisch beglei­ten. Gleich unter dem kur­zen Text der Spen­den­but­ton mit der Bitte: «Please choose to sup­port our inde­pen­dent jour­na­lism today.»

Zwei Stun­den spä­ter Post von SP-Mat­tea Meyer und Céd­ric Wer­muth mit dem Titel: «Trump: Jetzt braucht es uns alle!» Ein Mas­sen­ver­sand der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei, der mich – wie zuvor schon die Grü­nen – als Mit­glied anwer­ben will, mit den Wor­ten: «Guten Tag – Wir sind schockiert: Donald Trump wird erneut Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten (…) Diese Wahl wird auch in der Schweiz Fol­gen haben (…) Wir machen uns grosse Sor­gen, aber klar ist auch: Jetzt ist nicht die Zeit, klein bei­zu­ge­ben (…) Des­halb möch­ten wir Sie an die­sem bit­te­ren Tag herz­lich ein­la­den, der SP bei­zu­tre­ten. Wir kämp­fen für eine soli­da­ri­sche, femi­ni­sti­sche und öko­lo­gi­sche Gesell­schaft – gemein­sam mit Ihnen gewin­nen wir.»

Schliess­lich, mit­ten in der Nacht, um 01.01 Uhr, eine wei­tere uner­wünschte Mail­be­lä­sti­gung. Der gefitzte Star-Cam­pai­gner und Poli­ti­cal Entre­pre­neur Daniel Graf, des­sen Crowd­fun­ding-Platt­form «WeColl­ect» in finan­zi­elle Schwie­rig­kei­ten gera­ten ist und drin­gend neue Spen­den­gel­der braucht, kann nicht ein­schla­fen, wie er mir per Mail mit­teilt – wegen Trump… Es folgt ein pathe­ti­sches Bekennt­nis zu Grund­rech­ten und Demo­kra­tie, die auch bei uns in Gefahr seien – das übli­che Geschwur­bel, und schliess­lich der wirk­li­che Grund des Schrei­bens: «Unsere Demo­kra­tie-Platt­form WeColl­ect steht kurz vor dem Aus. Wir benö­ti­gen bis Ende Jahr noch 97’000 von 250’000 Fran­ken, um den Betrieb für die näch­sten sechs Monate zu sichern.»

Alles pein­li­che Ver­su­che, um aus der Trump­wahl Kapi­tal zu schla­gen, um die eigene klamme Kasse aufzufüllen.

Plump wie Trump.





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